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Die Berliner Pfannkuchen haben sich sogar einen europäischen
Das Stück spielt in und bei Wien um die Mitte des vorigen
Ruf erworben, sind hoffähig geworden und werden zu Fastnacht
Jahrhunderts. Marie, des ehemaligen Rittmeisters der blauen
wohl in allen deutschen Botschaften und Gesandtschaftshotels des
Kürassiere Tochter, vertrauert ihre Jahre in der Knechtschaft des
Auslandes — natürlich in Nachahmung — den Gästen vorgesetzt.
alten, hoffnungslos kranken, brutal egoistischen Vaters, eines Greises,
Die von dem Brandenburger Chronist auch erwähnten „Kräpffgen“,
der trotz seiner neunundsiebzig Jahre sich an das Leben klammert;
von welchen er sagt: „das seyend Kreppels, d. h. ein Teig aus
eines Todgeweihten, der vor drei Dezennien einst die nur ihm be¬
Butter, Rahm, Mehl, Eier und Salz (also ohne Hefe, die den
wußie Schuld trug, die Flucht des Regimentes im entscheidenden
Pfannkuchen nicht fehlen darf), der mit gereiften Früchten aus
Kampfe und den Verlust der Schlacht herbeigeführt zu haben. Und so ist
Kirschen, Johannisbeeren und Stachelbeeren belegt wird. Darüber
sein Dasein schuld, daß jetzt die blauen Kürassiere als Todgeweihte,
wird der Teig zusammengeschlagen und in Schmalz gebacken“, sind
die alte Schuld des Regiments zu fühnen, ausreiten in den Krieg.
aber heute in Berlin nicht mehr bekannt. Ihr Name leitet aber
Wie eine Gefangene verbringt Marie ihre Tage; vielleicht wird
über zu dem österreichischen Faschingsgebäck, den Krapfen, deren
einmal an der Seite des braven Forstadjunkten ein stilles be¬
Wiege alias Backmolle in der Haushaltung einer gewissen Frau
scheidenes Glück ihrer harren. Da fällt wie ein Lichtblitz eine
Cäcilie Krapfen (um 1700) in Wien stand. Diese Meisterin im
Ballnacht in ihr Dasein. Die Tante, die mit ihrer Tochter zu dem
Knödelbacken verstand nicht nur den Teig besonders zu mengen
Feste ging, hatte dem Alten diese Nacht abgerungen. Und wie in
und ihm besondere Ingredienzien zuzufügen, sondern ihn auch gar
der schwindsüchtigen Base, die weiß, daß ihr nur noch eine kurze
fein und knusprig in Schmalz zu backen. Ihre Erzeugnisse waren
Spanne des Daseins gegönnt ist, jäh die diesen Leidenden eigen¬
bald in der Kaiserstadt an der schönen blauen Donau allgemein
tümliche mannestolle Sinenlust erwacht, die sie bald wegführt von
bekannt und ganz Wien kam, um sich an Cäciliens Gebäck zu
der still gewährenden Mutter, so erklingt plötzlich in Marie der Ruf
delektieren. Ihr zu Ehren wurde dasselbe „Cillykugeln“ genannt.
des Lebens, alles andere übertönend, die Sehnsucht nach dem jungen
Als einst ein Standesherr eine Verlobung ausrichtete, kamen
Offizier, in dessen Armen sie die Freuden der Ballnacht genossen.
u. a. Cillikugeln auf die Tafel und sanden selbst bei
Verbrecherische Wünsche, der Haß gegen den Vater keimen wie eine
den höchsten Herrschaften unbeschränktes Lob, so daß die Fest¬
vorempfundene Schuld in dem aufgewühlten Herzen; aber
teilnehmer einstimmig beschlossen, sie fortan nach der Erfinderin
die Qual der sorgenvollen Tage schläfern trügerisch das
„Krapfen“ zu nennen. Seitdem spielten die Krapfen in Wien eine
brünstige Verlangen ein. Da erweckt die freilich anders
besondere Rolle und bei außerordentlichen Hoffestlichkeiten, wie
gemeinte Mahnung des sie still liebenden Arztes des Rufes Echo
Krönungsfeiern, wurden sie in ungezählten Mengen unter das
aufs neue. Und da sie von ihrer Base, die eben von ihrem
Volk verteilt.
Liebsten Abschied genommen, hört, daß die Schwadron der tod¬
So sind Pfannkuchen und Krapfen wohl als die populärsten
geweihten blauen Kürassiere, der ihr Ersehnter angehört, erst am
Fastnachtsbackwerke anzusehen. Außer ihnen und den bereits er¬
nächsten Morgen ausrücke, flammt im Rufe des Lebens alle Glut
wähnten mag es noch Dützende andere geben, die indes nur lokale
der Verzweifelten wieder auf. Halb besinnungslos durch die
Bedeutung haben. So wird z. B. der „Eingemauerte Schlosser¬
hämische Brutalität des Vaters reicht sie dem durstenden Alten
bub“, ein bayerisches Fastnachtsgebäck, nur wenigen bekannt sein.
einen Schlaftrunk „für hundert Nächte“, und von seiner Leiche
Beim Lesen des Namens möchte einem schier das Gruseln kommen,
stürzt sie zur Liebesnacht. Aber die Liebesnacht, die ihrer höchsten
denn unwillkürlich wird man an die neugebornen Kindlein denken,
Seligkeiten Erfüllung bringt, läßt sie zugleich des Lebens ganzen
welche das frühere Mittelalter lebend zwischen den Quadern der
Jammer, in einer vom Dichter theatralisch konstroierten Gedrängt¬
Burg= und Schloßmauern vergrub. Mit diesem Aberglauben hat
heit, durchkosten. Hinter einem Vorhang verborgen wird sie Zeuge,
indes der bayerische Schlosserbub nichts zu tun. Er wird servihrt
wie des Obersten junge verführerische Gattin ihren Max vom
als ein mit Pflaumenmus gefüllter Pfannkuchen, dessen Füllung
sicheren Tod zum Leben locken will, und wie hinter einem andern
ein#— geschälte süße Mandel birgt.
Vorhang des Fensters hervor der Oberst ins Zimmer springt und
die Treulose niederschießt. Während nach dem Abgang
des Obersten
der junge Offizier zur Pistole greift,
tritt Marie hervor,
wortlos lächelnd: „Ich bin
Der Ruf des Lebens
kommen.“ Und, wieder von einer Leiche fort, stürzen
Lessing=Theater. Sonnabend zum ersten Male: „Der Ruf
die beiden hinaus zur ersten und letzten Liebesnacht. Nach
des Lebens.“ Schauspiel in drei Akten von Arthur
diesen dramatischen Effekten folgt, zeitlich einige Wochen später, ein
Schnitzler.
nachdenklicher stiller dritter Akt, ein weicher und matter Ab= und
Es ist vielleicht kennzeichnend für die moderne Dichtung, daß Ausklang. Der Arzt hatte in der Wohnung des Alten jede Spur
ldes Verbrechens getilgt und die fast ohnmächtig heimkehrende Marie
schon in ihren Titeln das Leben eine gewisse Rolle spielt. Und in
ihem Inhalt der Ruf des Lebens. Des Lebens, das die geknechtete
dem Leben gerettet. In dem stillen dörflichen Haus dee Tante
weibliche Seele ruft zur Befreiung aus den engen Fesseln ver¬
verbringt sie in herber, schweigsamer Abgeschlossenheit ihre Tage.
aiteter Rücksichten, zur Erfüllung der höheren Pflichten gegen die
Allein über dem Grausen ob ihrer Vergangenheit fühlt sie mit
eigene Persönlichkeit; der Aufschrei der aus der Versklavung jäh
leisem Staunen die Sehnsucht zu leben. Der Ruf des Lebens hat
erwachenden Kreaturen, wie der Schrei des brünstigen Hirsches —
sie nicht ganz vernichtet, und reiner und tiefer tröstet der ärztliche
das alle Sinnen und Nerven packende elementure sehnsuchtsvolle
Räsonneur, wird jener Ruf vielleicht an einem sonnigen Tage aufs
Verlangen, nicht nach dem Glück des Philistermenschen, sondern nach
neue ihr in die Seele klingen. So sieht er nicht ohne Hoffnung
dem eigentlichen Wunderbaren, den höchsten jubelnden Wonnen
den Adjunkten scheiden. Die andere aber, das schwindsüchtige
selbstvergessenen Sichhingebens. Kein Schuldvewußtsein darin, keine
Bäschen, die dem lockenden Ruf des Lebens zum Liebesgenusse ge¬
Reue — nur der verzweifelte Gedanke es könne zu spät sein. Der
folgt war, keyrt, eine hysterische Ophelia, noch liebeglühend vom
Ruf des Lebens tönt in Schnitzlers Schauspiel; aber das Leben
letzten Kuß und schon todeswund im Innern, plötzlich heim, um in
rechtfertigt seinen Ruf nur schlecht, und ebenso wenig im Grunde
Maries und des Arztes Armen ihr Lehen auszuhauchen, eine
Sünderin, der vergeben ward.
des Stückes exemplifizierender Inhalt seinen allgemeinen Titel.
Ein nicht gut komponiertes Stück, das sich nicht so leicht der
Das Stück, für das die besten Brahmschen Kräfte aufgeboten
Analyse gibt. Im Kern, wie so viel bei Schnitzler, ein leises nach¬
waren, hat nur wenige dankbare Rollen Else Lebmann als still
denkliches Stück, dem äußerliche und krasse Bühneneffelte auf¬
leidende Mutter bot ein rührendes Bild in ergreifenden Herzens¬
gepfropt sind. Das Werl eines geistvollen, innerlich beschaulichen,
tönen. Rudolf Rittner konnte wenig tun, die farblose Gestalt
feelensondierenden Dichters, der des Lebens großes Gleichnis geben
des Forstadjunkten stärker zu beleven. Die dankbarste, freilich
will, dann eines geistreichen Konstrukteurs, der kontropunktisch sein
gleichfalls episodische Rolle war der Oberst des Herrn
Thema abwandelt, endlich eines Theatralikers, der mit Gift und Pistolen¬
Bassermann, der in brillanter Maske mit trockener Schärfe
schüssen operiert und mit Vorhängen, die freiwillig und unfrei¬
und Pose den Rächer seiner Ehre spielte, ein Spieler im Spiel,
willig Lauschende bergen. Ein Stück mit drei Leichen, das doch
wie er von den anderen charakterisiert wird. Den kranken Alten
keine Tragödie ist. Mit gedrungener, ergreifender poetischer Kraft
gab Herr Marr, die schwierige Eintönigkeit seiner Rolle mit
einsetzend, durch parallele und andere Episoden retardiert, an¬
Geschick abstufend. Der Lentnant des Herrn Stieler wußte
steigend zu zwei sich steigernden dramatischen Höhepunkten, einem
über die gefährlichen Klippen seiner Rolle immer noch mit
echten, einem zweiten unechten, und in der nachdenklichen Betrachtung
Geschick hinwegzukommen, und Herr Reicher als Arzt hatte
eines weichen stillen Schlußaktes matt abfallend zu steptischen
viel langsame Lehrhaftigkeit. Die Heldin spielte Irene Triesch.
Lebensweisheiten, die doch mehr tief scheinen als tief sind. Ein
Unter der Starrheit der Gestalt fühlte man das heiße Leben pul¬
Ausklingen in eine Erkenntnis zwischen melancholischer Resignation
sieren und flammend lohte die Leidenschaft auf, jubelnd klang das
und ruhiger Lebensbejahung: willkürlich und lügenhaft und hin¬
Echo des Lebensrufes. Von stummer Beredsamkeit das Lächeln,
fällig ist die Bewertung der moralischen und der Levensgüter und
wenn sie hinter dem Vorhang hervortritt. In der fast unmöglichen
aller großen Worte, mit denen sie verkleidet werden, und nur das
Rolle der Base erschien zum ersten Male Grete Hofmann (die
Leben selber ist gewiß; wer gestorben ist, ist tot — der Lebende
Gattin unseres Heldentenors Ernst Kraus), ohne der Opheliennatur
freue sich des Sonnenscheins. So ungefähr ist der Sinn dessen,
dieses Wesens ein glaubwürdiges schwindsüchtiges Leben einhauchen
was zum Schluß der Arzt, eine Art Raisonneur des Schauspiels,
zu können; der ungetreuen Oberstengattin blieb Else Schiff
als Fazit der Erlebnisse zieht; er, der unwissentlich den Ruf des
manches schuldig. Inszenierung und Kostüme waren vollendet.
Lebens wieder geweckt hat in der Brust eines jungen Weibes, wo
Ueber das, was man den Premierenerfolg solchen Abends
er nahe daran war sich einzulullen, der dann über Mord und buhlerische
nennt, läßt sich eigentlich nichts sagen. Der erste Akt fand stürmi¬
Liebesbrunst, aus seiner erfahrenen resignierenden Skepsis heraus,
schen Beifall, nach dem zweiten mischte sich einiger Widerspruch da¬
den tilgenden Schleier vergebenden Verstehens breitet. War das
rein, der am Schluß sogar — die disharmonisierende undramatische
erlebte Leben, zu dem es die wunde Seele rief, des Preises der
Art des Ausklanges mußte zunächst eine Enttäuschung mit sich
Schuld am Ende nicht wert, noch immer darf und wird das Leben
bringen — unverkennbar überwog. Aber nach allen drei Aktschlüssen
locken zu dem Frieden eines stillen Daseins in der Sonne. Der
konnte Arthur Schnitzler, lebhaft akklamiert, vor dem Vorhang er¬
Dichter aber läßt kontrastierend in den Ruf des Lebens ein zweites
scheinen.
Thema hineingleiten, den Ruf des Todes; und fugenartig, in poctisch
dialektischer Kontrapunktik, verwebt er die Molive zu einem Höhe¬
punkt äußerster Theatralik, wo der Ruf des Lebens selbst in die
Nähe des Todes führt