Faksimile

Text

19. Der Ruf des Lebens
box 24/2
318
Der Roland von Berlin.
eben dem Funken. Und ist das nicht das Ziel des Menschendarstellens: daß
der Gestus die Seele kristallgleich umhüllte, kristallgleich berge, kristallgleich
hüte . . . und nicht auflöse, schwatzhaft und sorglich? Wir alle, wir braven
Narren, wenn wir traurig sind, lächeln wir; und wir pressen die Lippen zu¬
sammen, wenn wir jubeln möchten und ziehen die Brauen hoch. Und unser
Abbild allein suchen wir hinter der Rampe ... Das Schweigen ist an keine
Wortsprache gefesselt.
Und deshalb glaube ich diesen Slawen, wenngleich ich ihre Worte nicht
verstehe.
Zudem bringen sie eine Inhaltsregie, die meisterlich ist, weil man sie ver¬
gessen kann. Und eine Formregie, von der wir, wenn auch nicht im Prinzip,
so doch im Einzelnen unendlich viel lernen können. Da rollen Farbenskalen ab,
wo Farbe aus Farbe wächst, ohne daß wir erst fragen: wie wird das gemacht.
Zum Beispiel: ein Gemach, olivgrün, matt, dämmernd; und der Spieler trägt
einen Seidenmantel, orangegelb, müde gedämpft; und die Spielerin trägt
einen Seidenmantel; weiß, schlicht, still .. . Da kommen Bühnenbilder, wo
man spürt, ein schlauer Instinkt fand diese Linien. Sie geben einen flachen
Raum, und doch wissen sie den Blick zur Mitte zu ziehen: sie stellen das
Zimmer spitzwinklig, die Nische in der Mitte als Ruhepunkt für das Auge.
Oder den Ausgang legen sie in die Mitte, schwer, rund, unübersehbar. Dann
wieder einmal ein Scheitem wie das letzte Bild in „Zar Feodor Iwanowitsch“:
Architekturdetails, Treppen, Balustraden, Portale, Leinwand, Leinwand, Lein¬
wand und keine Größe. Und doch klingt hindurch der dunkle Instinkt für
Flächenwirkung. In der Mitte eine stille Mauer ... als Ruhepunkt für das
Auge. Die Behandlung der Volksmassen findet den Höchstpunkt, daß das
Behandeltsein schwindet. Sie gestikulieren nicht, sie recken nicht alle auf einmal
die Arme in die Luft, sie bewegen sich kaum, sie stehen da, die Hände in der
Tasche oder die Hände überm Bauch und johlen und glotzen und starren,
und alles ist ein einziges, organisches Bewegen ...
Hinter mir saß der Mann, der sich redlich gemüht hat um Kleist und um
Shakespeare und um Hofmannsthal. Ach, daß Herr Reinhardt Augen hätte,
zu sehen und Ohren, zu hören. Um wieviel einfacher geht es, sucht man durch
Einfachheit zur Größe.
Haus Winand.
415
4
2
BAE
mir
nach dem Leb
diese unvergeßlich
ge Melo
sie umher, wirr und dürstend, um
Leben nennen. Was ist des Lebe
Antwort, die aus seinem Munde