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19. Der Ruf des Lebens
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giftet, weil sie ihre Jugend seinem Siechtum Mann wird mit dem Leben davonkommen. Für
nicht zum Opfer bringen will, weil die Liebe; die blauen Kürassiere ist es eine Gelogenheit,
Feuilleton. 60
ruft und die Freiheit und das Glück und das
die alte Schmach zu sühnen. Als eine Gnade
21
Leben. Da ist eine Mutter, die ihre Töchter der
Deutsches Volkstheater.
hat es der Oberst vom Kaiser erbeten, daß die
Reihe nach hinsterben sah, und die nun ihr letztes
(„Der Ruf des Lebens“, Schauspiel in drei Akten von
blauen Kürassiere diesen Todesritt tun dürfen.
Kind lieber an jegliche Sünde hingegeben sieht
Artur Schnitzler Zum erstenmal am 11. De¬
Sie dürfen es. Die Offiziere, die braven Sol¬
RehNr 1909.)
als im Grab. Da sind junge Offiziere, die für
daten jubeln ihrem Oberst zu und rüsten zum
Kaiser und Vaterland in den sicheren Tod
Diese Ereignisse spielen etwa um die Mitte
Aufbruch. Morituri.
reiten, und in der letzten Nacht noch einmal
des vorigen Jahrhunderts. Aber dem Griff, der
Der Oberst, der die blauen Kürassiere be¬
alles genießen, was dieses Dasein an Seligkeit
ihnen Gestaltung gab, ist die Kunstform von
fehligt, schreitet nur einmal an uns vorbei.
und Schmerz zu verschenken hat. Da ist ein
heute nicht mehr genug. Das menschliche Ver¬
Aber wenn dieses merkwürdige Stück einen
Oberst, der mit einem geistreichen Bonmot auf
stehen, das in diesen Ereignissen aufleuchtet, ist
Helden hat, dann ist es er. In seiner Brust
den Lippen seine treulose Frau ermordet. Da
von morgen. Zusammenhänge sind darin sicht¬
klopft das Herz dieser Dichtung. Der Oberst ist
ist ein junges Ding, das den Tod im Herzen
bar, die uns erst übermorgen völlig deutlich sein
ein leicht verwundbarer Mann, denn er ist
trägt, und in wer weiß wie vielen gesunden
werden. Und die Technik dieses Stückes, diese
geistreich und er ist stolz. Es gibt ja niemanden,
Männerarmen Abschied vom Leben nimmt, und
feine, kaum sichtbare Technik, ist wie eine Rück¬
der so empfindlich wäre, als die Stolzen und
wieder Abschied, und wieder. Bis es dann heim¬
kehr zu den einfachsten Mitteln der Schaubühne.
die Geistreichen. Auch ein leicht besiegbarer
flattert, weil es in der allerletzten Stunde doch
Es macht die Besonderheit dieses Stückes aus,
Mann, denn die erste Abendkühle des Alters
den Kuß der Mutter auf der Stirne fühlen
daß es gleichsam wie auf einer Türschwelle liegt.
hat ihn schon angeweht, und trotzdem hält ihn
möchte. All diese Menschen gehören nicht zu¬
Stofflich und geistig und technisch. Da gibt es
die Liebe zu einer jungen Frau gefangen. Er
sammen, ihr Schicksal gehört nicht zusammen,
keinen abgeschlossenen Raum, in den es sich ein¬
weiß es, daß diese Frau ihn betrügt. Mit
und bennoch sind sie auf dem Urgrund aller
fügen würde. Es gehört zum Wesen dieses
irgendeinem frischen Leutnant, mit zweien, mit
Dinge unauflöslich ineinander verschlungen,
Stückes, daß es auf einer Grenzlinie balanziert,
dennoch ist ihr vielfältiges Schicksal nur ein
dreien vielleicht. Geist und Stolz verbieten es
und daß es mit seinen merkwürdigen Schwan¬
einziges Geschick. Sie wirbeln vor uns auf wie
ihm aber, sich die landläufige „volle Gewißheit“.
kungen bald zu wohlvertrauten Gefilden, bald
ein Mückenschwarm in der Abendsonne, voll¬
zu verschaffen. Viel zu stolz ist er, um auf allen
zu unbekannten Feldern sich neigt.
führen, in den Lichtstrahl einer Stunde ge¬
Spuren der Hetzhund seiner Eifersucht zu sein,
Es ist ein Theaterstück mit starken inneren
bannt, ihren raschen Tanz, und versinken
mit bebenden Flanken, mit jappendem Atem,
Zweifeln an die jetzigen Möglichkeiten des
alle zusammen in denselben Schatten der¬
würdelos und lächerlich, um dann vielleicht eine
Theaters. Vielleicht sollte es von Schauspielern
selben Dämmerung. Morgen werden wieder
Rache zu üben, eine Vergeltung, die ihm zu
gegeben werden, die langsam an ihren bisherigen
andere da sein.
plump und zu matt schiene; eine Genugtuung,
Ausdrucksmitteln zu zweifeln anfangen.
die seinen Feinschmeckersinn widert, die ihm
Die blauen Kürassiere haben vor dreißig
Diese Ereignisse sind scheinbar gewaltsam.
banal erscheint, mauvais genre, Armeleut¬
Jahren eine schwere Schuld auf sich geladen.
Aber während sie an uns vorüberbrausen, ist
speise. Deshalb blutet er still nach innen. Steht
Sie sind aus irgendeiner Schlacht geflohen,
es, als wollten sie uns nur die Leere des Ge¬
da, ohne sich zu wehren, und schaut mit hoch¬
weil eine geheimnisvolle Panik ihre Reihen
waltsamen zeigen, die Unwichtigkeit des großen
mütigen, kalten Blicken über die eigene Ver¬
plötzlich dahinriß. Die Schlacht wurde deshalb
Geschehens. Und als wollten sie gar nicht für sich
zweiflung hinweg. Er schmachtet nach auser¬
verloren. Nun gibt es wiederum Krieg. In
selber als Ereignisse gelten, sondern nur als
lesenen Katastrophen.
Zeichen, als Signale ferner, verborgener,
diesem Krieg aber wäre gegen eine furchtbare
innerer Katastrophen.
Stellung des Feindes anzustürmen. Das erste
Da bringt ihm der Zufall diesen Krieg,
Da ist ein Mädchen, das ihren kranken alten Regiment, das diesem Sturm voransprengt, ist
bringt ihm sein feiner Geist diese in dreißig
Vater yfleat. und diesen Vater eines Tages ver= dem sicheren Untergang geweiht. Kein einziger! Jahren fast schon vergessene Erinnerung: 2i#
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