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19. Der Ruf des Lebens box 24/3
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soviel von der scharsen Medizin, duß er umfallt und tot
is. Drauf reißt s’ ihm in Schlüssel aus der Hand,
kümmert si net weiter um 'n toten Vatern und rennt zu
ihrn Soldaten. Natürli hab' i da müassen glei a Schneuz¬
tnachl vollwana, nachdem hab' i aber do zu meiner Mali
g'sagt: „Du, sein is dös net von dem Madl. Sie hätt do
wenigstens ihrn Vatern aufs Kanapee leg'n soll u. Sov.=!
Zeit wirds do no g'habt hab'n. Es is scho weg'n die
Leut'. Was solln sich denn dö denken, wann s' die
Schlamperei seg'n? Und hernach, muaß denn a jed's
Mad'l, das zum Liabhaber geh'n will, ihrn Vatern um¬
bringa? Da gebets bald kane Väter mehr. Da san unsere
Madeln schon pfiffiger. Wann s’ mi g'fragt hätt', so hätt'
i ihr glei an Ausweg g'wußt. Sie hätt' nur z'sag'n
braucht, sie hat Bauchweh, so hätt' er ihr glei in Schlüssel
geb'n müassen. Ober si hätt' nur z’warten braucht, bis
der Kohlenmann oder Briaftrager oder das Milliweib
kummt, hätt' s’ glei abpaschen können. Seis ja majorenn,
ka Mensch kann s aufhalten, wann s’ sagt: Pfüat Di
G
Gott, Vater, es war mi ein Vergnüg'n. I waß mir was
Besser's, als Krankenwarten.“
Aber in zweiten Allis jedes Haarl Haar auf mein' Kopf
ind Höch gstiegn. Stelln S' Ihna pur, das Madl
kummt von der hrennhaßen Leich von ihr'n Vatern, den
s' selber umbracht hat, in die Kasern zu ihr'n Geliabten.
I manet do, daß am da die Liab verging. Aber na, Sie
hört hinter an Vorhang no viel schauderhaftere Sachen
und d' Liab vergeht ihr no immer net. Es kummt nämli
die Frau von sein Obersten, mit der der Liabhaber eben¬
falls a Verhäktnis hat. Dö will mit ihm durchbrenna.
Aber der Oberst kummt dazua, schaut si das Familien¬
glück a Weil an und knallt d'rauf sei Frau mit der
Pistol'n nieder. Der Leutnant hat aber so viel Ordnungs¬
sinn, daß er die Leich' wenigstens aufs Kanapee legt.
Hernach will er sich aus Ver weiflung selber ersch aßen.
Da stürzt die Moserische herein und ruaft: Halt ein. da
is schon wieder a andere! Und richti fallt der Vorhang.
Wann der Vorhang in so an Augenblick fallt, so is das
immer verdächtig. No, i wünsch' guaten Appetit; die
wahre Liebe is das nicht. Wann ma zwa Leich'n aufn
Gwissen hat, da manet ma do, daß am da der
Uebermut vergang'. Is a Kunst, wann ma mit
die Leichen so uraßt, wie mit die Hochzeitskügerln,
daß ma da a zweit's Schneuztüachl braucht. I hab' stropft
als wia a Dachrinna und hab’ zu meiner Mali g'sagt:
Sirt es Mali, so weit kummt der Mensch, wann er seine
Leidenschaften net zügelt. Solltest Du aber jemals in
den Fall kumma, daß Du durchaus in die Kasern' geh'n.
mnaßt, so brauchst mir 's nur z' sag'n; i gib' Dir in
Schlüssel. Wegen dem brauchst mi net umz'bringen. Jetzt
waß i, was si für a Madl schickt, wann s’ der Ruf des
Lebens zwickt. Und im dritten Akt war schon wieder a
Leich'. Na hörst, sag' i, wann i am Rennweg wohnat,
gliaß i mir's g'fall'n, daß a Leich' nach der andern kummt,
aber in an Stuck reißt ma sowas 's Beuschl außa. Is a
Glück, daß das Stuck nur drei Akt’ hat, sunst hätt' i mir
vier Schneuztüachln mitnehma müassen.
Der Dichter hat das Ganze natürlich nur beispiel¬
mäßig g'mant, um zu zeig'n, daß unser ganz' Leben
seigentlich nur a schwarze Hos'n is, wie der selige Fürscht
immer g'sagt hat. Daß der Ruf des Lebens a ganz über¬
hört werd'n kann, hat er bei dö tausend blauen Kürassier
zeigt, dö weg'n aner Sach', dö sie gar nix angeht, in den
Tod gangen san. Und dö jungen Leut' hab'n do g'wiß
za alle no auf den Ruaf g'hört. Aber packt hat 's mi do
sund i hab' die ganze Nacht net schlaf'n könna. I hab'
spascht, daß mir die Hünd wie die Kraps'n ang’schwoll'n
ssan. A Dichter is er und i begreif' nur net, wie si a
Mensch so was Grausames ausspekulier'n kann.“
V. Chiavarci.