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19. Der Ruf des Lebens
die aber in jeder andern Schnitzlerschen seines Regimenes angekan. Im allgemeinen! Ihr Vater ist der abscheulichste, grantigste, boshafteste
kung ebenso gut oder viel mehr besser stehen Untergang sollten auch sie zu Grunde gehen; sof Greis, den ich je auf der Bühne gesehen habe. Der
war sein rachelechzender Gedanke. Im letzten! Dichter hat ferner der „Heldin“ in ihrer Cousine
Im ganzen war er bei dieser Umarbeitung
Augenblick kann er es sich dann freilich nicht ver-Katharine eine Art Schatten gegeben, der in mehr
bemüht, das ihm vorschwebende Leitmotiv,
sagen, mit eigener Hand zu richten, als er der rührender und romantischer Kingebung dem Ruf des
Ruf des Lebens stärker durchklingen zu lassen, schwülen Abschiedsszene zwischen seinem Weib und Lebens, gleichfalls zuerst in der Gestalt eines blauen
Kauf die „Idee“ des Stückes hinzuweisen. Ge=ihrem letzten Liebhaber beiwohnen muß. Und die
Kürrassiers, folgt.
t ist an dem Schauspiel dadurch freilich so gut
blauen Kürassiere bleiben todesgeweiht.
Doch ich möchte bei dem mißlungenen Werke
nichts. Die Ungeheuerlichkeit der Handlung
Der Dichter aber wollte gerade diese Todes¬
eines mir sehr lieben und werten Dichters nicht zu
der Handlungsvoraussetzungen bleiben. Man
nähe, Todesstimmung, um in sie hinein, mit ihr
lange verweilen. Spuren seiner feinen Künstler¬
Vor dreißig Jahren ist eine Schlacht
zu greller Disionanz aufklingend, die Erotik
schaft finden sich natürlich hier überall im Dialog,
die plötzliche schmähliche Flucht eines größeren
zu stellen.
besonders eben im dritten Akt, wo der Dichter uns
llerieverbandes verloren worden. Teil daran
Mit einem blauen Kürassier hat Marie Moserl dem Rufe des Lebens im sonnigen Alltag lauschen
In auch die blauen Kürassiere und jetzt, nach
eine ganze leuchtende Nacht hindurch getanzt, und
heißt und nicht nur in „Mord und Liebe“. Erst hier
bruch eines neuen Krieges, wird ein dunkles in dieser Nacht ist an die Sechsundzanzigjährige,
hat Schnitzler seine Tonart wieder gefunden.
Echt laut und bestimmt, nach dem wirklich dieses die von dem neunundsiebzigjährigen siechen aber
Die Darsteller unserer Bühne wandten sämtlich
ment durch seine Feigheit jene Katastrophe vom schlechten Gewissen geplagten und unglaublich
am Sonnabend alles Mühen und Können daran, den
Fsacht habe. Zwar lebt nur noch einer der Teil=[boshaften Vater als Pflegerin und Sklavin im
ost recht lebensfernen Gestalten des Schauspiels zur
der
und zugleich der
Hauptschuldige, sengen Krankenzimmer gehalten wird, der Ruf des
Wirkung zu verhelfen. Frl. Conrad gab das große
alte Moser) aber aus dessen Munde Lebens ergangen.
Erlebnis des Weibes mit starker Eindringlichkeit;
Kunde
keine
geworden,
der
sondern
Das Blut in ihren Adern stürmt, jede Fiber,
freilich ließ sie die frühere Marie, das harmlose, im
Regimentskommandeur hat das Gerüchtjjeder Gedanke drängt jetzt nach dem Manne, in
engen Hause aufgewachsene naive Mädchen zu wenig
eigener Machtvollkommenheit als wahr an=ldessen Armen sie die eine Nacht im Tanzsaal ge¬
durchscheinen. Herr Isailovits war ein tyrannischer,
knt und unter seinem Einfluß haben Offizierellegen, dem sich ganz hinzugeben ihr jetzt als einziger
widerwärtiger, furiengepeinigter Vater. Den
Lebenszweck erscheint. Die Welt hat ein anderes
Mannschaften den feierlichen Schwur geleistet,
Obersten gab mit dem nötigen kalten Ingrimme
etwa die Scharte nun durch doppelte Tapfer¬
Ansehen für sie genommen und sie selbst ist eine
Herr Porth. Mit fesselnder Stimmungskunst wußte
lauszuwetzen, sondern unter keinen Umständens andere geworden. Nur der äußere Mut hat ihr
Herr Achterberg seinen Leutnant Max lebendig zu
dem Feldzug lebend heimzukehren Die blauen bisher noch gefehlt, den Vater heimlich zu verlassen
machen. Frl. Wenaldy als Katharine war mehr rei¬
und zu dem wartenden Geliebten zu eilen.
ssiere sind also todesgeweiht. Was nun aber
zend als rührend. Frl. Baumbach ließ als Frau
überspannte sinnlose Opferung so abscheulich
Da hört sie, daß die blauen Kürassiere dem Tode
Oberst das von ihr angerichtete Unheil begreiflich
t. ist der Beweggrund, der den Obersten dazus geweiht sind. Einem lähmenden „zu spät“=Gedanken
erscheinen. Die undankbare Brackenburgrolle des Ad¬
eben oder doch mit dazu getrieben hat, seine folgt die Entdeckung, daß sie noch eine Nacht frei hat,
einst Rudolf Rittner ärgerte,
junkten, die
iere zu dem wahnsinnigen Entschluß zu
und jetzt fallen die letzten Hemmungen. Sie gießt
hatte Herr Kehm übernehmen müssen; er zog sich mit
en. Nicht nur des Regimentes Schande will
dem Vater die todbringenden Tropfen ins Wasser
Anstand aus der Affäre. Auch die Regie hatte sich
ihnen lassen durch den großen Tod; grimmer
und stürmt hinaus.
Mühe gegeben; und so wurde der Abend immerhin
frißt ihm am Herzen und läßt sein Auge kalt
Der Dichter hat gewiß alles — und zu viel —
Dr. C. Hh.
interessant genug.
hart werden, die Schmach, die ihm sein buhleri= getan, um uns die gewaltsame Reaktion des Lebens¬
junges Weib, die ihm junge Offiziere dieses willens bei dem jungen Weib verständlich zu machen.