Faksimile

Text

box 24/4
19. Der Ruf des Lebens
Telephon 12801.
Wendenl
66
„SDEEKTER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen
für Zeitungs-Ausschnitte und Blbliographien
Wien, I. Concordiaplatz 4
Vertretungen
F
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genk,
1
Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minne¬
gen Offizier, einem sein, der einst das #odgeweihte Regiment zur Flucht bewegt?
l in den sichern Tod.
apolis, New-York, Paris, Rom, San Francisco,
nizeitige Flucht einen
Böse Absichtlichkeit das, darf bei Sudermann, aber nicht bei
Schnitzler stehen.
Stockholm, St. Petersburg.
durch ein freiwilliges
Einige Längen des 1. Aktes wiegen
atürlich
— es ist ja
nicht; hier ist die dichterische Intensität so stark, daß sie noch
(Quellenangahe ohne Gewähr.)
will ihm nicht aus
alles ausbalanciert; ganz unintensiv und dünn ist dagegen
versäumt zu haben.
der letzte Aufzug. Und dennoch trotz alledem: die Arbeit ist
Ausschmittdissische Zeitung
hits, noch ein anderes
wertvoller und reifer als hundert korrekt gebaute Kulissenhauer.
berst die Frau ge¬
Mit der Inszenierung bot Dr. Simchowitz eine feine
2-MIl1911
n Nacht entdeckt, die
Impression aus dem Oesterreich des vorigen Jahrhunderts;
vom:
was bleibt dem
die platten, kahlen Wände mit dem spärlichen Mobiliar, das
ände? Zwei Dinge
Steife, Gradlinige, Bürgerliche war im Milieu trefflichst fest¬
nndesehre, zwei der
gehalten. Von den Künstlern gaben das Stärkste vom Abend
Theater und Musik.
jetzt das junge
Frl. Schönfeld als lebenshungrige Tochter, und Turrian als
in sein Zimmer
kränkelnder, boshafter Vater. Die Aufnahme des Werkes war
Schnitzlers „Ruf des Lebens“.
nid vergißt die tote
nach den beiden ersten Akten günstig; den letzte Akt ließ das¬
(2 Köln. Man istes venSchnitzler nicht gewohnt, daß er in seinen
Publikum etwas abfallen,
imal zu leben, zu
Dramen mit starken Mitteln auf äußere Wirkung hin arbeitet, und so
äichlicheren) Spiege¬
ist man überrascht, wenn er in einem Schauspiel am Schluß jedes der
ens gesehen. Ein
drei Akte den Zuschauern eine Leiche vorlegt: die erste das Opfer
ück; sie uft ihrer
eines Giftmordes, die zweite von der Pistole des betrogenen Gatten
den Ofentlichen
niedergestreckt, die dritte allein die Beute einer Krankheit. Gleichwohl
ähr, darum will sie
wäre es unrecht, von grober Theatratik zu reden, die grelle und laute
9
e des Lebens, das
Essekte erstrebt. „Der Ruf des Lebens“ ist im Grunde doch ein
3
Es gibt ihm die
leises Werk: feinsinnig, gedankenreich, den Rätseln des Lebens und
Ueberwogenden;
der Menschenbrust mit ernster Gelassenheit nachgehend. Der alte
a
Bahrheiten heraus
Moser, der vor 30 Jahren im Feldzuge als Riumeister die Ursache
kUns, uns Gegen¬
war, daß sein Regiment sich die Schmach einer Niederlage holte, erlebt
Los ausgetragen,
jetzt, daß das Regiment, von seinem Obersten angespornt, den helden¬
unserer brutalen
haften Eutschluß faßt, die Schande durch den Tod zu fühnen: es wird beim
gleich ein starkes
ersten Gefecht jenseit der Grenze den Untergang suchen und finden. Diese
hat sein Stück in
Aussicht auf den nahen Tod in der Schlacht bestimmt die Handlung. Mosers
t, in die aus¬
Tochter, von dem bösartigen Alten an dessen Krankenstuhl gefesselt und
iner Kunstpraxis
aller Freuden ihre: Jugend beraubt, läßt sich von dem philosophierenden
wußt, die unver¬
Arzt bestimmen, ihr Recht an das Leben geltend zu machen: sie gibt
üde Resignation
dem Vater einen tötenden Schlaftrunk ein und eilt, um das hei߬
ganze Parfüm
ersehnte Glück einer Liebesnacht mit einem der todgeweihten Offiziere,
10
poche. Denn
den sie vor längerer Zeit auf einem Ballfest kennen gelernt, zu genießen.
denken
Sie wird hinter einem Vorhang im Kasernenzimmer des Leutnanis
Zeuge einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen dem Offizier
und der ehebrecherischen Frau des Obersten, die den Geliebten sich und
0er
dem Leben erhalten möchte, muß mit ansehen, wie der durch das
in
Fenster einsteigende Oberst die Ungetreue niederschießt, und wirft sich
de
as
dann dem Offizier in die Arme. So folgt sie dem Ruf des Lebens
und ihrer Jugend. Man kann im Zweifel sein, ob dieses Lebens¬
ül
symbol: die kurze Sinnenlust mit dem dem Tode Geopferten, zureicht,
um die bunte Vielsältigkeit und den beglückenden Reichtum der Lebens¬
möglichkeiten und =köstlichkeiten andeutend zu vertreten. Zudem wird
in
o sehr sich auch der
8=
es dem Zuschauer recht schwer gemacht
dritte, mit klugen Betrachtungen erfüllte Akt nachträglich darum
für
bemüht, das Geschehene zu erklären und zu verklären
die beiden Träger der Handlung stärkere Mitempfindung zu hegen: sie
bringen es fertig, von den warmen Leichen des vergifteten
Vaiers und der erschossenen Geliebten weg unverzüglich im Sinnen¬
rausch sich zu vereinigen — das sind konstruierte Gefühlsbrutalitäten,
die man nicht glauben und nicht versteyen kann. Das schließt nicht
aus, daß man immer wieder gern der geistreichen, formschönen Rede
zuhört, die Schnitzler seinen Gestalten in den Mund legt; und wenn
auch die müde Skepsis des Dichters immer wieder durchklingt, der
Zweifelsinn, der nichts s## und ohne Begeisterung und Glauben ins
geschichtliche Wahrheit, Heldenmut,
Land des Ungewissen führt, „
chwankenden Begriffen werden, so
Tugend, Schuld und Sühz
er Spannung, der fesselt und
bleibt doch auch immer ein 9.
#us hat sich unter Simchowitz'
nachdenklich macht. Unser Se#
Von den Darstellern seien Adele
Regie redlich um das Stück 5
Träger der Hauptrollen mit be¬
Schönfeld und Richurd Aßmna
sonderer Auszeichnung genaumt. Bustav Turrian ais der alte Moser,
Dr. Krüger ais Oberst, Margarethe Frey als dessen Gaitin und Paul
Senden als Arzt boten sorgfältig durchgearbeitete schauspielerische
Leistungen. In der undankbaren Rolle eines Forstadjunkten tat Walter;
Dysing sein bestes; recht gut fanden sich auch Charlotte Landen, Elisabeth]
Scholtz und Georg Kiesau mit kleinern Aufgaben ab.