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19. Der Ruf des Lebens
Smg, Poromto.
(Quellenafghbe hige R#7
München. Wien
Ausschnist a#
11913
vom:
Snhen Sämster Der Bufdes kehene
(Münchner Kammerspiele.)
an braucht unsere Generation nicht zu belehren,
97
J## daß Lebensgenuß etwas Reelles ist. Das weiß
Arthur Schnitzler gewiß sehr wohl. Es wäre also
töricht anzunehmen, der Dichter erotischer Stimmungen
und ihrer Melancholien, hätte im „Ruf des Lebens“
so etwas wie einen Sieg der Lebensfreude darstellen oder
verherrlichen wollen. Ihm mag vielleicht etwas Musika¬
lisches vorgeschwebt haben, — eine Symphonie von Liebe
und Tod —, ein düsteres, schweres Andante als erster
Akt, ein tragisches Furioso als zweiter, und ein abgeklärt
ausklingendes Adagio als dritter. Aber es ist ihm alles
gröber geraten, als er wollte, und dadurch mißglückt. Alle
Gewaltsamkeiten der Voraussetzungen wären sinn¬
und bedeutungsvoller geworden, wenn sich der Dichter
entschlossen hätte, sein Stück in Versen zu schreiben und
den Umriß seiner Figuren weniger scharf zu zeichnen: Der
Vater, die Tochter, der General, die Base und so weiter.
Es wäre blässer aber verständlicher und allgemeiner ge¬
worden. Was die Gestalten dadurch an Bestimmtheit
verloren hätten, wäre ihrer symbolischen Bedeutung viel¬
leicht zugute gekommen. So aber klafft ein böser Riß
zwischen der künstlich stilisierten Symmetrie phantastisch¬
unwahrscheinlicher Ereignisse und seinen im Milieu ge¬
bannten Figuren. Der Dichter muß seine Kraft ver¬
al diirch ninchalngische Motivierung das Unmögliche
zu verbinden. Dadurch werden Situationen herbeige¬
seinen jungen Menschen, Männern und Frauen aus¬
führt, die eher grotesk als tragisch sind. Daß Schnitz¬
sagt, stimmt einfach nicht. Es ist nicht giltig. Die
ler sich auch während der Arbeit in einem künstlerischen
kennen auch eine andere Art von Verschwendung,
Zwiespalt befunden haben mußte, darüber gibt selbst des
welche die typischere ist, und vom Triebleben nur
Personenverzeichnis merkwürdige Aufschlüsse. Während
den Elan hat. Schnitzlers Blick auf diese Dinge ist der
die bürgerlichen Personen mit bestimmten Vor= und Fa¬
Aspekt des Alternden, und tausend Beispiele können auch
miliennamen auftreten, wird die Sache bei den Offizieren
das Gegenteil belegen. Ob das Leben Einem ein Ge¬
schon summarischer. Da heißt es schlechtweg: Der Oberst,
ringes oder ein Großes ist, hängt zuletzt nicht von der
und bloß noch: Irene, seine Frau, und: Max und Albrecht,
kreaturhaften Angst vor der Vernichtung ab. Hier ist zu
junge Offiziere. Die Sprache enthüllt das Disparate im
viel Aufwand um ein Geringes. Keiner darf es wagen,
Stil erst völlig: sie wechselt zwischen naturalistischer Be¬
was Tausende erlebt und erlitten, nur dadurch gleichsam
grenztheit, Dialektik und einer poetischen Prosa, die zu¬
Lügen zu strafen, weil es nicht beweisbar ist. Mag Jeder
weilen Aufschwünge in eine symbolische Sphäre versucht,
über Helden denken wie es ihm angemessen ist, vor der
um dann wieder flügellahm in die bürgerliche Gebannt¬
Glorie des Todes ist die Glorifizierung des Trieblebens
heit zurückzusinken.
ein Widerspruch in sich selbst. Und an diesem Wider¬
spruch scheitert Schnitzlers Drama.
Doch ist dieses Mißlingen nicht zufällig. Es steckt eine
geheime Gerechtigkeit dahinter, die es nicht zuläßt, daß
Der neue Direktor der Münchner Kammerspiele
eine schmale Erkenntnis mit seinem Ich als Generalnen¬
hätte sich wohl sagen können, daß er mit den Kräften,
ner und ein Lebensgefühl, das nur bis zur Melancholie
die er einzusetzen hat, schwerlich grade diesem Werk auf
über den eigenen Untergang reicht, zu tragischen Wir¬
die Beine helfen wird. Von einigen respektablen Lei¬
kungen gelange. Schnitzler meint, das Wissen um
stungen abgesehen, die zumeist nicht über Mittelmaß hin¬
den Tod und das unabänderliche, unvermeidliche Vor=ihn¬
ausragten, sind auch Erscheinungen aufgetaucht, die man
gestellt=sein sei zweierlei. Und er schafft unmögliche Vor¬
an einer Großstadtbühne nur mit größter Vorsicht ver¬
aussetzungen, um zu zeigen, wie da der nackte Liebe¬
wenden dürfte. Darum schweigt von ihnen am besten
und Lebenshunger ausbricht. Doch was er da von des Sängers Höflichkeit ....
E. F.
W