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19. Der Ruf des Lebens
900
Catpraussische-Ztg.
Königsberg
16 MAT12
deutsch für diese alles verzeihende mütterliche Oesterreicherin.
„Aus dem Königsberger Kunstleben.
Helene Sauer war in der Episodenfigun der Obristin so ver¬
lockend und schön, wie es sich für diese Potiphar gehört.
Schnitzler: „Der Ruf des Lebens“
Gildemeister als der alte Moser, sehr geschickt in der
* Schauspielhaus.
Maske, traf gut das vergrätzte nörgelige und greisenhaft=lebens¬
Zumi60. Geburtstag Schnitzlers gab das Schauspielhaus sein
hungrige des alten Kräkelhanses, Franken gab den allwissenden
Kriegsstück: „Der Ruf des Lebens.“ Die Wahl war keine
Dr. Schindler schlicht und warmherzig und auch im Aeußeren als
glückliche. Von allen Stücken des Wieners ist dieses das für seine
den Mann jener Zeit. Langhoff mühte sich ehrlich mit den
Eigenart, auch für sein Könnnen, am wenigsten bezeichnende. Er
endlosen Gartenlauben=Tiraden des Forstadjunkten ab, und gab
wollte augenscheinlich ein modernes Volksstück geben; gelungen ist
der unmöglichen Figur durch gute Haltung Leben. Friedrich
ihm das nicht. Es kam ein seltsam konstruiertes Stück mit aus¬
gab den betörenden Adjunten Mar und Walleck (der die sehr!
geklügelten Situationen und Menschen heraus, peinlich rührselig
gute Regie leitete) seinen Freund Albrecht. Peppler als Oberst
und unwahr, mit moralisch fatalen weil zu oberflächlich motivier¬
gelang es aus dieser Rolle, die in ihrer Zweideutigkeit so ziemlich
ten Handlungen. Der Geist der Birchpfeiffer geht um, aber auch
die undankbarste des ganzen Stücks ist, eine Art schaurigen Wirk¬
der Strindber## und Ibsens, vermischt mit Piccolomini= und
lichkeit zu verleihen, etwas von einem bösen Geist dessen Wirken
Fausterinnerungen; das Stück spielt „um die Mitte des vorigen die spukhafte Scheußlichkeit dieser schlimmen Szenen erklärte.
Jahrhundert" (30 Jahre nach der letzten Schlacht der K. K.
1 Teich gab den todbereiten Machthabern preußisch einfach und
Aumeeen!) Ausrückende Regimenter, Morituri=Stimmung bei den dadurch begreiflich.
A. M.
blauen Kürassieren, die geschworen haben, alte Schuld des Regi¬
ments zu begleichen. Marie Moser, die Tochter des uralten
Rittmeisters, der Ursache dieser halbvergessenen Schuld war, wird
vom „Ruf des Lebens“ überwältigt. Sie vergiftet den Alten mit
seinem Schlaftrunk „den ihr der Arzt und Hausfreund anvertraut,
stürzt zu ihrem geliebten blauen Kürassierleutnant, wohnt der
Familienaussprache mit Obersts bei, wobei die Frau Oberst von
ihrem Gatten runtergeknallt wird, und kehrt, ehe ihr Liebster sich
erschießt, nach Hause zurück wo der Doktor alles schon gefunden,
verstanden und kaschiert hat.
Im letzten Akt, Wochen später, Ausklang in der Feldein¬
samkeit des Landhauses von Maries Tante, die am Mobil¬
machungstag verloren gegangene Base kehrt heim, und stirbt, und
an der Leiche erfolgt eine sehr schöne Aussprache aller Beteiligten.
Der abgewiesene Freier der Forstadjunkt, kreuzbrav und treu, hat
der geständigen Marie schon vorher verziehen, und der Doktor ver¬
weist sie aufs Rote Kreuz. — Eine Kriegspostkarte, mit der Schnitz¬
ler sich selbst Unrecht tat.
Grete Holtz=Walleck gab die Marie menschlich
führend und Mitgefühl weckend, Ruth Baldor gab als die
ebenshungrige Schwindsüchtige besonders in der Heimkehrszene
inen großen Eindruck. Tessa Wolter=Felden gab die alte
Frau Richter, die einzige Figur des Stücks, die ein wirkliches
Besen ist, sympathisch aber ein wenig zu alt und gar zu nord¬