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19. Der Ruf des Lebens
m von den deutschen Literaten, Publizisten die Studenten für einen fidelen Kneipabend verfassen. Dies; Eskapaden ins Reich der Tragödie suchen seine Anhänger als
kleitern das höchst zweifelhafte Verdienst ge=zeigte sich vor allem in der fünfaktigen historischen Komödie besondere Eigenart ihres Meisters auszubeuten, während es
n irländischen Parodisten Beruard Shaw nach „Cäsar und Kleopatra“, welche Direktor Rein= sich in Wirklichkeit um Verlegenheitsszenen handelt, weil die
ingeschmuggelt zu haben. Denn der Kultus, hardt in seinem „Neuen Theater“ kürzlich zum erstenmale Witzchen und Mätzchen Shaws nicht annähernd einen Zeit¬
esem englischen Schriftsteller auf den deutschen gab. Der Rubikon=Ueberschreiter ist als alternder, stark raum von fünf langen Akten amüsant ausfüllen können.
eben wird, ist um so auffallender, als das verbrauchter Lebemann gezeichnet, welcher die Welt von Ueberhaupt macht sich Mr. Shaw die Sache viel zu leicht,
h zu den Schöpfungen des Mr. Shaw voll= dem nüchternen Standpunkte des durch Börsenspekulationen wenn er die Leute damit zum Lachen bringen will, daß er
end verhält. Und das mit Fug und Recht! reich gewordenen Plutokraten betrachtet, dem bei seinenzum Beispiele den Britannius beim Anblicke der ins Meer
erfolgreichen Geschäften alle Illusionen zum Teufel gingen, springenden Helden ausrufen läßt; „Hipp. Hipp, Hurra!“
Ets anderes als ein mittelmäßiger Parodist,
karischen Ehrgeiz besitzt und weit mehr gelten der an keine Tugend mehr glaubt, an nichts, was den Menschen Oder wenn ein römischer Feldherr von Cäsar sagt: „Er
adelt. Die erst 16 Jahre alte Kleopatra behandelt er mit beschäftigt sich eben mit der Lösung der Judenfrage!“
re Schriftsteller, die ernste Werke in mehr oder
Auch das Schiller=Theater brachte dem Shaw=Kultus
gener Weise zu travestieren pflegen. So gibt dem überlegenen Humor des mit allen Salben geschmierten
sein Opfer, indem es die „Helden“ aufführte, aber
alten Lüstlings, der mit diabolischem Vergnügen beob¬
Haw den Anschein, als sei er ein Satiriker,
hatte damit bei seinem Stammpublikum, das zwar nicht
achtet, wie empfänglich sich das frühverdorbene Gesch öpf
k hervorragender literarischer Bedeutung, und
literarisch so hochgelalt wie das des Neuen Theaters
für die ars amandi zeigt. Was aber jene schillernde Nil¬
nd an seiner poetischen Serdung zweifle, ge¬
ist, dafür jedoch ein esünderes künstlerisches Empfinden
schlange betrifft, in deren wollüstigen Umschlingungen
n seine Arbeiten so etwas wie eine nihilisti¬
besitzt kein Glück. Das Lustspielhaus führte im März
später Antonius seine Manneskraft, Reich und Leben ein¬
hauung hinein, welche alle Erscheinungen von
als N'ovität einen dreiktigen Schwank „Die vom
büßte, so trägt sie in der ihr durch Shaw verliehenen
en Seite aus betrachtet, spielt mit doppel¬
Hochsattel“ auf, hergestellt in der Schwankfabrik
Charakteristik wahrlich nicht die Keime jener dämonischen
wendungen, kurz, er treibt allerlei Hokuspokus,
der Wiener Judenfirma Leo Walter Stein und Ludwig
Größe in sich, welche nicht nur die Kleopatra bei Shake¬
te über sein bescheidenes parodistisches Talent
Heller. Eine unverschämtere Verhöhung des deutschen
speare, sondern auch die der Geschichte zeigt. Shaws
chen. Im Gegensatze zu der Heldenverehrung
Geburtsadels und größere Glorifizierung des jüdischen
gekrönte Kurtisane Aegyptens gibt sich wie ein modernes
sentiert er sich als Heldenverhöhner, schnüffelt
Geldadels ist mir noch nicht auf der Bühne begegnet!
verzogenes Mädchen, welchem die Lektüre von Wildas
in Behagen auf den Hintertreppen der Welt¬
Dieser Schwank, der im übrigen nach dem urältesten
„Salome“ und anderer perverser Bücher das Köpfchen
Eum, guckt mit Vorliebe in Schlafgemächer und
Rezepte angefertigt hund mit den dümmsten Witzen garniert
verdreht hat und der niemand die Blutgelüste zutraut,
kete Räumlichkeiten, nur um etwa den Beweis
ist, hält sich trotzdem dauernd auf dem Spielplan! Selbst¬
von denen sie alle Augenblicke kindlich=naiv plaudert.
aß sich auch ein Julius Cäsar nicht mit der
verständlich, denn Spree=Athen zählt doch gut 300.000
Ebenso unglaubwürdig sind auch die anderen Gestalten ge¬
Gelteroberers ins Bett legte und der große
Juden! Und die vermögen einem so kleinen Musentempel
zeichnet, mit einziger Ausnahme des Britannius, Cäsars
ich wie jeder andere Sterbliche kratzte, wenn es
schon eine stattliche Reihe gut besuchter Vorstellungen zu
Sekretär, in dem Shaw den Typus des Engländers ka¬
Um zu dieser tiefsinnigen Weisheit zu gelangen,
garantieren. Zum Schlusse nenne ich noch Wolf-Ferraris
ritiert. Natürlich ist auch die Handlung als Travestie auf¬
uns wahrlich nicht den Mr. Shaw aus Irland
neueste Oper: „Die vier Grobiane“, die im
gefaßt, aber da zeigte es sich, daß der Antor nicht im¬
en! Nichts ist leichter, als den bekannten Schritt,
„Theater des Westens“ einen hübschen Erfolg
stande war, den gewaltigen historischen Stoff ganz ins
habenen zum Lächerlichen führt, gerade auf den
zielte, obgleich sie gegen die „Neugierigen Frauen“ nicht
Possenhafte aufzulösen, und so schnallte er sich mehr als ein¬
den Brettern zu tun, und die Mittelchen,
Shaw sein Publikum ab und zu zum mal den hohen Kothurn an, um in der ernsten Maske Melpo- den geringsten Fortschritt in der Entwicklung des Kom¬
at, sind auch in jeder Parodie zu finden, menes über die weltbedeutenden Bretter zu stelzen. Diese ponisten zeigt, eher vielleicht einen Rückschritt!