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W
am
box 23/1
18. Der einsaneden
(hinein. Jalien ihent sic den Abend fines Lehene, das ihm
Berliner Theaterbriese. X.
trotz aller Erfolge keine innere Befriedigung bot. Er sieht
N. Berlin Mitte Februax. Das Hauptanziehungs= und] Gabriele — hier setzt das Stück ein — als die Gattin Weg¬
Kassenstück, den „clou“ dieses Winters, der wie in den Vor= raths sterben und sucht nun im Herzen des 23jährigen Felix
Wegrath, dessen Vater er ist, eine Stätte. Er findet sie nicht;
jahren „Nachtasyl“ und „Mona Vanna“, der Spielzeit sein
Felix wendet sich von dem Manne, der seiner Mutter das Leben
Gepräge aufdrückt, haben wir immer noch nicht. Manche
vergällt hat, in pietätvoller Empfindung ab und trägt dem ver¬
glaubten ihn in „Rose Berndt“ erblicken zu sollen, sie werden
wittweten Gatten Gabrielens, in dessen Hut er aufgewachsen
inzwischen eines anderen belehrt sein; und ebenso wird es denen
ist, nunmehr doppelte Liebe entgegen. In viesen tief innerlichen
gehen, die jetzt verkündigten, Arthur Schnitzlers „Ein¬
samer Weg“ müsse diese Saison überstrahlen. Ein ernst= Szenen, in denen Julian um seinen Sohn wirbt, steht das
Schauspiel auf voller dichterischer Höhe. Dann aber erlahmt
haftes und gedankenreiches Werk, weit gediegener als „Der
Schleier der Beatrice“ aber doch nicht frei von dem Sprung= unser Interesse, weil Schnitzler zu viel Fäden miteinander ver¬
haften, von der Manie, allzuviel sagen zu wollen und dabei die knüpft. Um Johanna, Wegraths und Gabrielens echte Tochter,
wirbt Stephan Sala, eine Julian kongeniale Natur. Auch er
Hälfte unausgeführt zu lassen, woran schon Beatrice trotz aller
hat dem Leben allzu viel abtrotzen wollen und sucht nun nach
ihrer Reize ein frühzeitiges Grab fand. Trotzhem muß es be¬
Stab und Stütze. Da nimmt sich Johanna ohne ersichtlicher
merkt sein, daß wir den Wiener Poeten so starker Empfindung,
Grund das Leben. Dann sucht auch Sala den einsamen Weg
so hoher und reicher Tragik kaum für fähig gehalten hätten.
So rächt sich die Jahrzehnte zurückliegende Schuld der älterei
Den „Einsamen Weg“ suchen die Leute, die das Leben im Ueber¬
Generation. — Im Empfinden der Hörer freilich lebt eine leise
schwang erfaßten, bis es sie leise zerbricht, weil sie zu viel von
Verstimmung ob des Schicksals Gabrielens, die, wenn auch mi
ihm verlangten; die auf seiner Bahn dahinstürmen und der
traulichen Winkel und Schluchten nicht achten, die den Frieden der Lüge im Herzen, dem Gatten und den Kindern ein feines
stilles Familienglück bereitete. Eine solche Lebensarbeit macht
bergen, bis sie zu spät bemerken, daß sie allein sind. Damit ist
den von dem heißen Blut der Jugendzeit begangenen Fehler
schon gesagt, daß das Schauspiel sich nicht in absoluter Ver¬
wett und bedarf nicht mehr der Sühne bis im zweiten Glied
neinung erschöpft; über dem Ganzen schwebt, wenn auch un¬
Johannas Selbstmord bleibt unverständlich und stört den ein
ausgesprochen, so doch immer gegenwärtig der Gedanke an die
heitlichen Gesamteindruck empfindlich. Immerhin hätte das
positive Kraft des Menschenlums, an die Kraft der Entsagung
Stück, das im Deutschen Theater aufgeführt wurde
und des Opfers, die sich bescheidet und darum stark macht. Das
einen noch weit stärkeren Erfolg verdient. Es ist voll tief ge¬
Stück beginnt mit einer Sterbeszene und endet mit zwiefachem,
freiwilligem Sterben. Seine Anfänge liegen nach Ibsen= schauter Lebenswahrheit, voll starker und packender Psychologie
scher Art lange vor dem Eintritt der Handlung. Julian] und bleibt im Pessimismus nicht stecken. Die Charakterstärk.
Pichtner, eine schwärmerische Künstlernatur, hatte schon frühzeitig des jungen Felix, wie auch die freundlich=zufriedene Art des
das Leben vom Standpunkt des Eroberers, des Nichts=als= alten Wegrath zeigen zur Genüge, wo wir mit dem Dichter de
Genießens angesehen. Uls ihn zu Gabriele, seines Freundes Lebens wahre Giller Arücher baben
Wegrath Braut, eine unbezwingliche Leidenschaft erfaßt, da
mochte er einen Augenblick daran gedacht haben, der Wider¬
Dr. Max Goldschmidt
standslosen fürs ganze Leben sich anzuschließen. Gabriele wollte
mit ihm fliehen doch er floh allein. So schloß die Betrogene
„ Bureau für
mit Wegrath die Ehe, der von dem Vorgefallenen in seiner ver¬
trauensseligen Art nichts ahnte. Zwanzig Jahre leben sie ein!
Zeitungsausschnitte
glückliches Dasein, trotz des trügerischen Grundes, auf dem es
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
erbaut ist. Wegrath, den einst dieselben hochfliegenden Plane
eigene Korrespondenten.
erfüllten, wie Julian, hat die stille Traulichkeit des Hauses dem
Vollgenuß eines ungebundenen Lebens vorgezogen. Und dennoch
Telephon: III, 3051
Berlin N. 24.
bricht endlich die tragische Schuld der Gattin über die Familie!

Ausschnitt aus
Provinzialgeilung, Geestemünde
Z1FEB 1904
Berliner Stimmungsbilder.
Im „Deutschen Theater“ vermochte Arthur¬
Schnitzlexhsfünfaktiges Schauspiel: „Der einsame
Wenwöhl Interesse zu erwecken, aber konnte sich keine Zu¬
stimmung erringen, abgesehen von jeuer der leidenschaftlichen!
Schnitzleriner, die mit ihrem Wiener Spott durch Dick und
Dünn gehen. Der müde, entsagende Zug, der sich schon in
anderen Bühnenwerken des Dichters zeigt, tritt hier gar zu
sehr in die Erscheinung, die Menschen, die uns vorgeführt
werden, sind baldiger Vernichtung geweiht, und genau so matt
wie sie ist die Handlung, deren eigentlicher Kern in der Ver¬
gangenheit spielt — ihr trüber Nachklang, der die fünf Akte
ausfüllt, läßt uns kalt, trotz einzelner guter Episoden und eines
öfteren Aufsprühens jenes Geistes und Witzes, der die bis¬
herigen Schöpfungen Schnitzler's funkelnd durchleuchtet. Da
hatte im „Berliner Theater“ Richard Skowronnek
mit seinem dreiaktigen Schauspiel: „Waterkant“, das sich
schon an auswärtigen Bühnen erprobt, einen anderen und
besseren Erfolg. Ein frisches Stück mit einer vollen Brise
gesunder Luft, die uns in der oft so schwülen Theateratmosphäre!
doppelt wohltut. Viel Humor, etwas Rührung, dazu nationale
Klänge, all' das geschickt gemischt mit einem guten, effektvollen
Schluß, nun, das fand freudige Zustimmung, selbst bei Jenen,
die sonst auf Maeterlink und Ibsen vereidigt sind! —