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an
18. Der einsane deg box 23/1
usschnitte
# direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.

Ausschnitt aus
Hamburger Fremdenblat
16. 2. 54
Imiteinander gemeinsam habende Gruppen bilden Ihm ist also sein Zutun trotz aller Selbstsucht, man
Dadurch aber eine Zerspaltung der Teilnahme bei trotz aller Rücksichtslosigkeit im Genießen, schließ= Lehn
lich doch geworden, was so vielen edleren Na= wohll
dem Zuhörer die je weiter das Stück vorschrei¬
Feuilleten.
turen versagt bleibt: ein wertvolles junges Men= Stüch
stet, desto mehr erlahmt.
Schc
schenleben für sich zu gewinnen Der Dichter aber
Die wahre Tragödie des Stückes besteht in
in der Willkür seiner Erfinderlaune läßt diese spiel
einem sehr einfachen Stoff, der übrigens schon
in d
Parallelgestalt neben dem eigentlichen Helden Ju¬
Imehr als einmal lange vor Schnitzler behandelt
jung
lian an einer tödlichen Herzkrankheit leiden, was
Berliner Theater.
worden ist, am häufigsten von den Franzosen,
darst
doch ein reiner Zufall ist, und er läßt das
von diesen allerdings nicht mit dem Ernst, den
„Der einsame Weg“,
liebende Mädchen in den freiwilligen Tod gehen,
der Stoff in sich trägt. Im Mittelpunkt des
weil es den Tod des geliebten Mannes voraus¬
Schauspiel in fünf Aufzügen vorAuthurScuigfr
###terschen Stückes steht ein gealterter Maler,
Ueberzeugend wirkt der Schluß dieser
sieht.
der nach einem genußreichen Jungaesellenleben in
Erstaufführung im Denischen Theater.
Nebenhandlung ganz gewiß nicht.
die Heimat zurückkehrt und hier erfährt, daß er
(Eigenbericht.)
Das Stück krankt nicht nur an dem tödlichen
einen Sohn hat: den jetzt 23 jährigen Leutnant
Uebel eines Doppelstoffes und einer Doppe
Berlin, 14. Februar. (Felix, der als der Sohn des Akademiedirektors
gilt, in Wahrheit aber der Sohn seines Freun= behandlung; es krankt auch in der Ausführun
Ein Erfolg war's nicht, ganz sicher nicht,
des Julian ist, der ihm einst die Braut kurz vor an unerträglichen Längen und Verzögerunge
denn nach dem vierten und fünften Akt wurde
Julian kehrt also Dazu kommt daß das Stück gewissermaßen n
mit Kraft und Ueberzeugung gezischt, und erst als der Hochzeit verführt hat.
müde von Genuß des Lebens heim und wiegt Frückwärts spielt: immer wieder wühlen die M
Gegenäußerung wurde einiger Beifast laut.
sich in der Hoffnung, er werde, zumal da die schen in Rückerinnerungen, und dem Zuhörer#
* sogar nach dem vierten Akt trat eine Art von
Mutter seines Sohnes inzwischen gestorben, in zugemutet, sich in die aufs Breiteste ausgemaln
man sah eine Anzahl von
Theaterflucht ein:
Seelenstimmungen von toten und lebendigen M
Premieren=Tigern“ in heller Verzweiflung den diesem den Freund seines Alters gewinnen, den
schen hinein zu versetzen, die vor dreiundzwan
Saal verlassen. War's aber nicht trotzdem Begleiter auf seinem einsamen Wege. Wie sich
Jahren einmal empfunden wurden. Dergleich
Un= doch Anschäuungen und Geschmacksneigungen än¬
wenigstens etwas künstlerisch Wertvolles?
kann natürlich nur in der Form der Erzähluc
möglich wäre das nicht, denn es kann sich wohl dern! Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
vorgetragen werden, und dadurch bekommt in d
wurde dieser Stoff stets so behandelt, daß in
ereignen, ja, es hat sich schon mehr als einmal
Tat das Stück an vielen Stellen durchaus
einer rührenden Erkennungsszene zwischen Vater
ereignet, daß der Durchfallende an einem
novellistisches Gepräge. Ueberdies können wir di
und Sohn die sogenannte Stimme des Blutes
Premieren=Abend keineswegs das Stück, sondern
Wahrheit solcher Erzählungen gar nicht selbst
das Publikum war, dem die künstlerische Be=vernehmlich wird, Erzeuger und Erzeugter tränen¬
prüfen, sondern müssen sie von den erzählenden!
deutung eines feinen Dichterwerkes auf den ersten überströmt einander in die Arme stürzen und alle
Hieb nicht aufgegangen war. Bei Erstaufführungen Schuld vergeben, ein neues Leben beginnen, und Personen auf Treu und Glauben hinnehmen. Die?
am Sonnabend — früher in Berlin die Regel, alle Beteiligten hochbeglückt den Vorhang fallen Hauptsache zum Beispiel, jenes verräterische
—kann sich der sehen. Dies geht heute offenbar nicht mehr an. Liebesverhältnis einer Braut mit dem Freunde
jetzt leider die Ausnahme
müssen wir einfach glauben,
Kritiker die Sache wenigsiens beschlafen und ein Schon bei den Franzosen wird eine solche Er= des Bräutigams
kennungsszene meist so behandelt daß der Sohn denn es spielt sich nicht vor unsern Augen ab,
ruhigeres Urteil abgeben als unter dem unmittel¬
dem plötzlich auftauchenden wahren Vater gründ=sondern wird uns von der Bühne herunter er¬
baren Eindruck des Kampfgetöses zwischen den
zählt, wie wenn jemandem eine Geschichte bei der
Zischern und den Klatschern. Dieses beschlafene lich seine Meinung sagt und ihm erklärt, er denke
Lampe am Familientische vorliest.
lauten: Arthur gar nicht daran, die Stütze seines Alters zu
Urteil hat etwa dahin zu
Außerdem störte in hohem Grade eine in den
Schnitzler hat einen großen Lebensstoff auf=werden. Bei Schnitzler vollzieht sich die Ab¬
letzten Jahren bei Arthur Schnitzler sich immer
gegriffen, und schon das verdient Anerkennung. frechnung zwischen Vater und Sohn feiner, ohne
bemerklich machende Art der
unangenehmer
Er, der noch so junge Dichter, hat die Tragödie alle Heftigkeit, gehalten und ernst und diese
ahnungsvollen Geheimniskrämerei. Die Personen
des Altwerdens schreiben wollen; denn der ein= Szene war es denn auch, die den stärksten Bei¬
auf der Bühne ahnen in ganz unbegreiflicher
same Weg bedeutet den letzten Lebensabschnitt fall hervorrief.
Daneben läust nun aber ein ganz anderer Weise auch solche ihnen ganz verborgenen Ge¬
ie aus Eigensucht, aus rücksichtsloser
Genußwut, aus Mangel an Selbstopferung ihren Stoff, der zwar auch auf den einsamen Weg hin=heimnisse, die wir Zuhörer wissen, weil sie uns
Weg einsam bis aus Ende wandern müssen, ohne deutet aber auf den eines anderen eines Freun= von einer wissenden Person mitgeteilt wurden,
liebende Freunde, ohne Weib und Kind um sich des Julians, eines gleich ihm selbstsüchtigen Ge=die aber die andern Personen auf der Bühne
Zweifellos ist dies ein Stoff, der mit voller Kraft nußmenschen, der sich von ihm nur durch den ohne übernatürliche Kräfte keineswegs ahnen
Ich fürchte hierin macht sich ein un¬
können.
Zusatz eines gewissen herben Lebensspottes unter¬
angepackt und dramatisch lebendig auf der Bühne
verkörpert, eine Zuschauermenge der verschiedensten scheidet. Wozu dieses doppelte Beispiel für den=heilvoller Einfluß Ibsens auf den in Wahrheit
doch so ganz anders angelegten Arthur Schnitzler;
selben grundeinfachen Gedanken? Dabei ist es
Lebensalter ergreifen müßte. Leider, leider hat
geltend: dieser will gleich Ibsen uns ahnungs¬
gar nicht einmal wahr, daß dieser zweite Selbst¬
Arthur Schnitzler sich selbst durch einen Mangel
voll kommen; weil aber dieser Zug nicht aus
an künstlerischer Beschränkung um die in dem süchtling die letzte Strecke seines Lebensweges
Stoff allein schon liegende Wirkung gebracht, in= einsam zurücklegen müßte. Im Gegenteil, ihm seinem wahren Wesen hervorgeht, sondern äußer=
ohne jeden Grund und zum größten drängt sich das schöne, junge Leben eines Mäd=lich hinzugefügt ist, wirkt er hin und wieder nahe¬
dem er
Schaden seines Stückes noch eine zweite Hand=scheus der Schwester des Leutnants Felir, die zu komisch.
Von der Aufführung ist fast nur Gutes zu
lung hinein zu verweben suchte, in Wahrheit aber beiläufig den Jahren nach seine Tochter sein
melden Irene Triesch war eine künstlerisch wir¬
fast gleichwertig danebensteilte. Also ein Stück könnte, aus uns verborgen bleibenden Herzens¬
mit zwei Stoffen, mit zwei Handlungen, mit gründen förmlich mit Begeisterung als Gefährtin jkende Erscheinung, wenn man auch den durch sie
Hauptpersonen nebeneinander, die zwei gar nichts seines sonst der Einsamkeit geweihten Weges auf. verkörperten Menschen nicht ganz verstand. Basser=