Faksimile

Text

box 23/2
I
18. Der eins Feg
Telephon 12801.—
Elex. Weigls Uniernehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„UbSERVER“
L. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: egenege Meene
Gaehtr.
vom: 77. #
1
Neue Dramen.
(Nachdruck verboten.)
Georg Hirschfelds Schauspiel „Nebeneinander“
(Verlag von S. Fischer in Berlin) führt uns nun in die unmittelbare
Gegenwart. Es schildert die äußerlich so glücklich erscheinende, schon 25
Jahre ungetrübt bestehende Ehe des reichen Kaufmannes Hellwig, die
aber doch eigentlich nur ein flüchtiges Nebeneinanderleben der Gatten be¬
deutet. Denn Hellwig hat all seine Sorgen und seinen Kummer vor sei¬
ner Gattin, die leicht und sorglos neben ihm dahin lebt, ohne ihn auch
innerlich zu besitzen, geheimgehalten, um deren Ruhe und Zufriedenheit
nicht zu stören. Erst beim Zusammenbruch des Geschäfts und der Ge¬
sundheit Hellwigs kommt durch dessen einst verstoßenen, jetzt zurückkeh¬
renden Sohn und seiner Geliebten, mit der er in wahrer inniger Ge¬
meinschaft lebt, alles an den Tag. Aber Hellwig gewinnt es auch jetzt
nicht über sich, seiner Frau all seine Schuld zu offenbaren, und so tötet
er sich, körperlich und feelisch gebrochen, und überläßt die Gattin den
Händen seines tiefer fühlenden Sohnes. Die ersten beiden Akte des
Stückes enthalten vielleicht etwas zu viele Episoden zur Anschaulich¬
machung der Situation, wenn sie auch gelungen und nicht unangebracht
sind, im letzten aber kommt das eigentlich Tragische stark und mächtig
zum Ausdruck und sichert auch diesem Schauspiel wohl eine gute Wirkung,
wenn vielleicht auch manche Leute nicht begreifen würden, was es an
dieser so friedlichen und fröhlichen Ehe auszusetzen gibt. — Im gleichen
Verlage erschien Arthur Schnitzlers Schauspiel „Der ein¬
same Weg“, über dem viel wehmutige Stimmung liegt, viel schwärme¬
rische, melancholische Sehnsucht. Die Personen sprechen fast immer von
ihrer Vergangenheit, ihrem Sehnen und ihren Plänen, selten von Gegen¬
wärtigem; eine wirkliche Handlung kommt kaum vor. Der reflektierendeTon
mancher Gespräche, wie der knappe, scharf zugespitzte, aphorismenartige
Ausdruck anderer erinnern stark an Ibsen, ebenso manches Visionäre,
das bei allem Ernst oft geradezu komisch wirken kann. Der im ganzen
mehr seelische Vorgang ist die Beichte eines Vaters an seinen Sohn, der
bisher als Sohn eines andern gegolten und gelebt hat und sich nun
zu diesem mehr hingezogen fühlt als zu seinem leiblichen Vater, der einst
die Geliebte verlassen hat, weil er ihr doch keine dauernde, glückliche Ehe
hätte bieten können und ihm als Künstler Freiheit und Sorglosigkeit
wichtiger erschienen, nun aber vergebens die Liebe seines Sohnes sucht
und im Alter einsam bleiben muß. Das Stück enthält zweifellos viele
Feinheiten, doch werden ihm wohl die oben angeführten Eigenheiten
den Weg über die Bretter versperren. — An recht schwachem dramatischen
Leben, langen Auseinandersetzungen in oft steifer und gemachter Sprache,
krankt auch das Schauspiel „Das Ich=Evangelium“ (Verlag
von R. von Grumbkow in Dresden=Blasewitz) von Friedrich Ro¬
bert Messerschmidt, wohl eine Erstlingsarbeit, der bei allem
redlichen Streben noch viel Unbeholfenes anhaftet. Außerdem ist der
Held, ein junger Staatsbeamter, der sich als Dichter fühlt und als
solcher die Welt und sich selbst beglücken möchte, ein Schwächling ohne
jede Willensstärke, für den man sich nicht recht erwärmen kann, wenn)
er auch schließlich, etwas überplötzlich noch zum Ziele kommt.