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18. Der einsanenneg

Schuld. Er verzeiht der Sündigen, denn „Mütter spublikums geradezu heraus. Und
und Schwestern sind auch Fräuen“. Doch dem Manne, kllang es in den Ohren, als von Ein
7. Re. #Der einsame Weg.
der nun Vaterrechte an ihm geltend zu machen sucht, [Premièrenrichter bei der vorgestrigs
Erstaufführung im Frankfurter Schauspielhaus.
und den er vorher hoch verehrte, ist er nun fremd sbeleidigenden Zischlaute ertönten.
werden, verdient der Einsame We
geworden. Der große Egoist Julian Fichtner, sich im
Ein Gang in der Dämmerung durch nebelumflorte
Der größte Teil des Publikums
Alter einsam und verlassen fühlend, möchte eine
Herbstlandschaft. Die Blüten fallen zur Erde, leise
Menschenseele, für die sich ihm das Dasein noch lohne; passiv, denn er wußte nichts mit
rauschen die rotschimmernden Blätter der Bäume und
Werke anzufangen, fühlte aber, de
er will den einst verlengneten Sohn nunmehr sein
flüstern sich Märchen aus längstvergangenen Zeiten,
seinen Beruf verfehlt, in ihm doc
eigen, ganz den seinen nennen. Felix aber fühlt sich
ein geheimnisvoller Schauer geht durch die Natur.
schlummern. Nach dem ersten Akte
zu dem Manne hingezogen, dem er Erziehung und
Und der Dichter und Lebenskünstler, der stets wach
ebenso nuch dem dritten, zum Schlu
Reife verdankt, der ihm und der geliebten Mutter
und sorgsam spähend einhergeschritten, der mit der
die Beifallskundgebungen nicht zur
seinen ganzen Herzensreichtum entgegengebracht. Dieser,
Ironie des überlegenen Beobachters Menschentun und
ging leider wieder einmal fast d
gewohnt zu opfern, doch unbewußt des eigentlichen
Menschenschwäche gegeißelt, er fühlt sich plötzlich von
verloren, da anfänglich unsere Kü
Vorgangs und der Zwietracht in der Brust des Jüng¬
dem melancholischen Dämmern der Natur übermannt,
ersten paar Orchester=Reihen zu sprei
lings, veranlaßt ihn, sich an einer Expedition in Ferne
ihm ist es, ols hörte er das Schicksal an die Pforte
Wiedergabe war sonst eine den Ab
zu beteiligen und — bleibt allein. Allein und einsam
pochen, und still, traumverloren, in grübelndem Er¬
voll und ganz gerecht werdende, un
wie die andern. Sein zweites, eigenes Kind, die
innern wandelt Arthur Schnitzler einen „ein¬
szeuierung war die Stimmung woh
Tochter Johanna, ertränkt sich, da sie liebt und den
samen Weg". Kein Bühnenwerk, ken berechtigten
in der schönen Szene im Park S#
Getiebten dem Tode geweiht weiß. Und auch dieser,
Gesetzen unterworfenes Drama, keine Menschen, wie er
spielte den dem Tode Geweihten
einer von jenen Rücksichtslosen, wie Fichtner, der
sie bisher geschaffen, nur Stimmungen und Träume,
getönter Wirkung, und seine Sprechk
immer nur genommen und nie gegeben, sieht sich am
so zart und fein wie der Staub auf Schmetterlings¬
volles Lob. Die traumhafte Gestalt
Ende seiner Tage betrogen und, da er den langsam
flügeln, ein kurzes Berühren und sie sind zerfallen.
fand in Fräulein Pollner eine übe
heranschleichenden Tod nicht abwarten will, „bezahlt“
Einsam sind alle, die da reden und klagen. In geist¬
Vertreterin, und Herr Bauer als
er vorher die Lebensschuld. Die einzige, die sich mit
vollem Parallelismus sind ihre Lebenspfade neben¬
traf wie immer den richtigen Gemü
dem Schicksal abgefunden, ist die Schauspielerin Irene
einander aufgebaut. Professor Wegrath, der warm¬
Zurückhaltung charakterisierte Herr
Herms, die einstige Geliebte Fichtners. Nur eine
herzige Akademiedirektor, verliert die Lebensgenossin
Fichtner, ihm von der Bestimmtheit
bittere Reue, ein tiefer Schmerz ist ihr geblieben, sie
nach dreiundzwanzigjähriger Ehe, einer Ehe, die auf
bewußten Mannes gerade das gebei
hätte Mutter sein können und ist es nicht geworden.
einer großen Lüge beruhte. Damals, als er die Vor¬
war. In der Szene mit Irene u
Irene Herms trägt allein die wohlbekannten Züge
bereitungen zur Hochzeit traf, hatte sich Gabriele dem
auch eine erfreuliche Wärme un
Schnitzlers, doch auch um ihre Lippen spielt der Zug
sieghaften, stürmischen Freunde, dem jungen Maler
Vortrefflich war Fräulein Lange
müder Resignation.
Julian Fichtner hingegeben. Eine plötzliche heiße
Herr Fricke als Felix. Fräulein
Wille und Schicksal, der Gegensatz, der uns in den
Leidenschaft trieb sie in seine Arme und beide be¬
und Herr Pfeil als Arzt verdien
Werken des greisen Norden, Heurik Ibsen, entgegentritt,
schließen zu fliehen. Doch im letzten Augenblick fühlt
allgemeine Auerkennung.
beherrscht den Gedankengang Schnitzters. Doch während
Fichtner, von selbstsüchtigen Regungen erfaßt, Reue
Leider war es ein Begräbnis, d
Des dort das Endergebnis des starren Pessimisten, spricht
ob des gefaßten Entschlusses. Er will seinem Künstler¬
wird man aufrichtig trauern. Aus
hier ein junger Schaffender, der von Stmmungen über¬
tum keine Fesseln anlegen und so zieht er allein in
Schauspielbühne aber herausgenomn
wältigt und — sich in Stimmungen verliert. „Der
die Welt hinaus. Die verlassene Gabriele folgt dem
same Weg“ ein Werk, ein Buch
einsame Weg“ ist nichts weniger als das, was man
ahnungslosen Bräutigam zum Altar. Felix, der Sohn,
Schönheiten bilden.
von einem Theaterstück verlangt. Das Werk eines
der in der Ehe geboren ward, ist die Frucht der Ver¬
geistvollen Poeten, eines feinen, seltenen Psychologen,
irrung. Doch Gabriele schweigt, da die Offenbarung
mrenmnee (Gn ensen
aber auf der Bühne ohne Lebensfähigkeit. Die ewigen
niemandem nützen wird. Sie schweigt dreiundzwanzig
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Moll=Akkorde ermüden das Ohr, die, wenn auch noch
Jahrs, und eine Lüge, die so stark, daß sie das Glück
so fein gesponnen, so doch ins Unendliche führenden
eines kleinen Kreises erhält, ist besser, als eine Wahr¬
Gedanken iden zerstören den dramatischen Kern. Und
heit, die zertrümmert. Mit ähnlichen Worten wird
daß sich gerade Schnitzler über die so offenbare Halt¬
kurg vor dem Tode Gabrielens die Handlung vom
losigkeit der Form nicht klar gewesen sein soll, ist uns
Dichter eingeführt. Felix, der Sohn, erfährt aus
ein Rätiel. Die schleierhafte Motivierung und der ge¬
einigen Andeutungen der Mutter und aus dem Ge¬
ständnis des zulückgekehrten Fichtner die einstige wagte Aufbau fordern den Widerspruch des Theater=