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18. Der eins Nes
spielen alle, wer es weiß, ist klug.“ In der zweiten Einakter¬
tetralogie, den „Lebendigen Stunden“ erhält die Betrachtung von
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Sein und Schein die besondere Anwendung auf das Verhältnis
von Kunst und Leben. Dort treten in dem erfolglos ringenden
essingtheater am 13. Fe¬
Journalisten Rademacher und dem ruhmgekrönten, innerlich ge¬
neuestes Schauspiel von
beugten Dichter Weihgast der Letzten Masken“ schon zwei
eaufgenommen. Unsere
solche Personen entgegen, die für ihr Fühlen und Leiden nirgends
dieses Mißerfolges die
auf ihrer ganzen Lebensbahn verständnisvolle Teilnahme gefunden
unseren Bühnen gegen
haben. Und wieder begegnen wir einem solchen Einsamen, der
t. Und erfreulicherweise
sich aber absichtlich allein hält, um seinem Stolze nicht das Ein¬
kuer Publikums eine der¬
geständnis des Schiffbruchs großer Hoffnungen und Pläne ab¬
ßer Weise zuerst nur zwei
ringen zu müssen, in der einaktigen Studie „Der Puppenspieler“
hweitere erfolgen werden.
Schon im „Puppenspieler“ ist auf die äußere Handlung wenig
und „Freiwild“ kann ja
Wert gelegt, da es dem Dichter nur auf die Darlegung des
Wiener und vielleicht aller
Seelenzustandes des herabgekommenen Dichters ankommt. In
n. Die starke Gedanken¬
seinem Schauspiele hat Schnitzler die traurige Wahrheit, wie wenig
stehen bei diesem Stücke
ein Mensch dem andern sein könne, wie einsam und unverstanden
das Schiff die stürmische
jeder sein innerstes Seelenleben dahinlebe, nun zum dritten Male
ererfolge so vielen Fahr¬
in dramatischen Gestalten zu verkörpern gesucht. Aber die er¬
Schädigung durchbrechen
neute Gestaltung der den Dichter tief ergreifenden Idee und
starke Begabung für die
Empfindun hat doch ein völlig abweichendes Gepräge erhalten.
die alte Erfahrung, daß
Man könnte den „Einsamen Weg“ ein Thesenstück nennen.
ber in so vielen Fällen
Wie in den beiden Einakterreihen handelt es sich dem Dichter
e, welche die Wage zum
darum, eine herbe Erfahrung in ihren verschiedenen Spiegelungen
diesmal wieder bewährt.
darzustellen. Aber er will diese verschiedenen Spiegelungen nur
iden letzten, besonders im
innerhalb eines einzigen Dramas vorführen. Statt der drei oder
doch die Verkörperung
vier selbständigen Einakter versucht er ein Schauspiel in fünf
der Lesung!) aufsteigende
Aufzügen. Die Lösung der dadurch bedeutend schwieriger gewordenen
des neuen Dramas mit
Aufgabe ist, das läßt sich schwerlich leugnen, dabei keineswegs so
Beziehungen zu anderen
restlos wie bei den Einakterreihen geglückt. Aber wenn man das
eten lassen.
von Schnitzler gestellte Problem näher ins Auge faßt, so erscheint
en psychologischen Liebes¬
sein Schauspiel doch sehr beachtenswert. Ein so guter Kenner der
„Freiwild“ den Leicht¬
neueren Bühne wie Heinrich Stümcke hat in der Sammlung seiner
nissen und die Frivolität
Theaterkritiken?) von dem „Einsamen Weg“ gerühmt, er sei ohne
en in realistischen Auf¬
unmittelbare Nachahmung „der bislang wohl bedeutendste Versuch,
geschildert, so schritt er
nach Ibsens mikrokosmischer Methode Menschen und Menschen¬
gewisse sich ihm auf¬
schicksale miteinander in Beziehung zu setzen, die feinen und leisen
psophie nach den ver¬
ütbergänge und Zusammenhänge aufzudecken und ein Lebensbild
nzu beleuchten. In der
vor uns aufzurollen, das wie bei Ibsen nur der letzte Akt einer
du“ benannten Einakter¬
langen und komplizierten Vorgeschichte ist". Das Vorbild Ibsens
Paracelsus“ scharf hervor¬
und seiner analytischen Technik ist allerdings im „Einsamen Weg“
en Incinanderspielens von
ebenso unverkennbar, wie bei Stefan von Salas Schilderung der
Eintrittstüre von Shake¬
Ausgrabung von Ekbatanas versunkenen Herrlichkeiten Töne aus
undus agit bistrionem“,
Gabriele d'Annunzios Tragödie „Die tote Stadt“ vernehmlich
zu der Einsicht: „Wir
2) Die vierte Wand. Theatralische Eindrücke und Studien. Leipzig,
im Verlage von S. Fischer,
Verlag von Georg Wigand 1904. 408 S. 80. Preis 6 Mk.
antlingen. Allein wir müssen zugleich bekennen, daß Schnitzter
doch in mehr als einer Hinsicht ganz beträchtlich hinter Ibsens
Meisterschaft zurückgeblieben ist und vor allem weder Interesse an
den Personen zu wecken noch die geschlossene Einheitlichkeit, in
welcher stets Ibsens sämtliche Personen die Handlung tragen, zu
erreichen vermochte. Nur das, man möchte hier fast sagen zufällige
Band von Johannas und Felix' Wegerath=(Fräulein Santen und
Herr Bernau) Geschwisterschaft verknüpft die Ereignisse, die Ent¬
leidenschaftliche Unbefriedigtheit, die sie in Salas (Herr Wendt)
Arme und in den Tod treibt. Die Einheitlichkeit des Stückes
liegt in der Idee, die aber in dieser Anwendung dramatisch etwas
Erzwungenes erhält: verschiedene Menschen auf ihren einsamen
Wegen vorzuführen.
Zwei Typen sollen in dem Dichter Stefan von Sala, der
einige verwandte Züge mit dem Dichter Filippo Loschi im
„Schleier der Beatrice“ aufweist, und dem in seiner Jugend viel¬
versprechenden, doch auch früh leistungsunfähig gewordenen Maler
Julian Fichtner erscheinen. Sala ist der kraftvolle Übermensch
und raffinierte Lebenskünstler, dem alles, Dinge wie Menschen,
nur Mittel zur Erzeugung ihm behagender ästhetischer Stimmungen
sind. Er hat sich ehemals Weib und Kind ebenso wenig hin¬
gegeben, wie er jetzt durch die Liebesleidenschaft Johannas erwärmt
werden kann; sein früherer militärischer Beruf und sein Dichten
wie die jetzt geplante Forschungsreise nach Baktrien sind dem
egoistischen Fantasiemenschen nur Anreizungsmittel gewesen. Im
Gefühle seiner Stärke will er allein stehen; fast entrüstet lehnt er
die Vermutung ab, er könnte je Freunde gehabt haben. Als er
aber endlich Johanna die Hand zum Bunde reichen will, da weicht
diese verzweifelnd vor dem todkranken Manne zurück, und er muß
einsam sterben, wie er einsam leben wollte. Andererseits hat
Fichtner in überschäumender Jugendkraft vergeudend dahingetollt;
leichtsinnig hatte er das von ihm verführte und geliebte Mädchen
verlassen, wie er die ihm in ihrer Beschränktheit doch treu ergebene
Schauspielerin Irene Herms (Fräulein Mayer) von seiner Schwelle
hinwegscheuchte. Frei von jeder Fessel wollte er allein seines Weges
wandeln. Nun ist das Gefühl der Schöpfer= und Zeugungskraft
im herannahenden Alter von ihm gewichen, „l'age ingrat“ ist über
ihn gekommen. Da möchte er das Kind, das die Jugendgeliebte
von ihm empfangen, aber in der Ehe mit dem braven, beschränkten
Wegrath (Herr Stange) als dessen Sohn geboren hat, als Freund
und Stütze für sein Alter gewinnen. Doch der Jüngling wendet
sich von ihm ab; nicht jenen, der im Taumel der Lust ihn erzeugt
und seine Mutter verlassen hat, den, der ihn lieberd auferzogen,
seiner Mutter Namen und Ehre gegeben hat, will Felix als seinen
Vater verehren. Einsam muß Julian Fichtner zur gerechten Strafe
künftig seinen Weg wandern, wie er beim Verrat der durch ihn