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18. Der einsaneug box 23/3
Telephon 12.801.
„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnlitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenange“s ohne Gewähr.)
Ausschnitt
Mitiburger Fremdenbläff
vom: #
S
Im Theater an der Wien wurde gestern, wie
der „L.=A.“ meldet, von dem Ensemble des Berliner
Lessing=Theater „Der einsame Weg von Artur
Schnitzler als Premiere für Wien gegeben. Die
pshchologischen Probleme des Werkes übten trotz ihrer
geringen dramatischen Steigerung auf das Publikum
eine tiefe Wirkung aus, und bei Schnitzlers Erscheinen
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auf der Bühne steigerte sich der Beifall zu einem
fast demonstrativen Ausdruck. Nur nach dem vierten!
Akt vernahm man einigen Widerspruch. Bassermanns
#eniale Leistung wurde geradezu stürmisch akklamiert.
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Telephon 12.801.
„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohno Gewähr,
16 5. 1906
Ausschnitt aus:
KEIE TAGBLATT
vom BERLINIE
S
In Wien brachte gestern das Ensemble des Lessing=Theaters
Schuitlers „Einsamen Weg“ zur Aufführung. Das Stück
hakke nach einem Telegramm unseres Korrespondenten keinen durch¬
greifenden Erfolg, obwohl der Verfasser nach allen Akten erscheinen
könnte und manche Ehrung erfuhr. Am stärksten war der Beifall
nach dem zweiten Akte, dann schwächte sich die Wirkung ab. Else
Lehmann und Bassermann wurden vielfach ausgezeichnet.
g.
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IXI ,1 „olnei K n0v 2
u Rindie, r en e enen en
Lond
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quelienangabe ohne Gewahr.)
Ausschnitt ausIENER ABENOPOST
16 5. 1976
vom:
Theater und Kunst.
Die Berliner spielten gestern Artur Schnitzlers
Schauspiel „Der einsame Weg“. Welch tief¬
trauriges, morbides Leid= und Todeslied! Ein weh¬
wunder Aufschrei — verhalten und erstickt. Eine
Herbstmelodie, auf dunkler Viola gespielt! Die fünf
Akte Wehmut, die ans Herz greifen und das Licht“
der Lebensfreude trüben, schließen vielleicht Schnitzlers*
kostbarste Güter ein. Nie drang er tiefer in die
mondaine Wiener Wald-Melancholie; nie noch ward
der Anschluß an die Psyche der Grillparzerschen
Kultur des künstlerisch depravierten Wien, wie es sich
im „Spielmann“ fast dämonisch aufschließt, enger
hergestellt. — Es gibt Menschen mit ergreifenden
Schicksalen, mitleidswerten Fügungen: Gerechtigkeit
und Überlegung neigen sich ihnen hilfsbereit zu, aber
das Herz — bleibt stumm. Das Herz, das gerade
im Mitleid einen Weg zu ihnen finden könnte.
Ahnliches widerfährt uns an Schnitzlers Stück.
Der Kopf ist dem Stücke Werkzeug des Herzens.
Man bewundert; man gibt sich gefangen. Der
Künstler obsiegt über den Kritiker. Gefühl und
Menschliches aber bitten, schreien, stürmen nach
Menschlichem! Dieser einsame Weg und diese in
ihrem Egoismus rohen, höhnischen, erstarrten Ein¬
samen sind entsetzlich in ihrer Unmenschlichkeit, in
ihrer bodenlos brutalen Wohlkultiviertheit. Der ein¬
das ist das Verlieren in Egoismus,
same Weg
in die Selbstherrlichkeit eines unbedingten Ich=Lebens.
Das ist der graziöse Dichter von Sala; der an sich
selbst verlorengegangene einstige Maler Fichtner; die
Sala liebende, ihm wortlos den Tod zeigende
Johanna, der junge Arzt, der diese wieder liebt.
„Den Weg hinab gehen wir alle allein ... wir,
die selbst niemand gehört haben." Diese Menschen
verachten ein zugreifendes, nat##ches Leben so
sehr, daß ihr Sein als ein Vegetieren in
Des Eindruckes er¬
reinster Geistigkeit verfließt.
wehrt sich der Robustere nicht, daß sich hier
Schnitzler vollends in Literatur verloren, ver¬
stiegen hat. In den stimmungsreinen, leise lächelnden,
bei sanften Lüften seufzenden Buchenwäldern unserer
Waldgehänge nahe der großen, alten Stadt — haust,
webt doch auch das Wirkliche, das Greifbare, Werden
Leben, nicht bloß Sentimente des Negativen.
Das Leben ist ein Schlummer, von welchem wir erst
in der anderen Welt aufwachen — sagt Firdusi, und
es könnte dem Stücke leitmotivisch vorstehen. Dieses
ganz von inneren Vorgängen erfüllte Stück hat eine
sehr fein ersonnene, kunstvoll bewegte, nur äußerst ge¬
fährliche Technik. Sie als Ibsen=Kopie abzutun, wäre
gedankenlos; sie kommt von der Musik her. Schnitzler
hauchte den realen Worten dieser Dichtung von
höchster Sensibilität Melodien ein. Jede Szene¬
schwebt auf Schwingungen eines anderen Melos.
Von der kindlichfrohen Traurigkeit des wienerischen
Musikanten und Waldbummlers Schubert bis zum
Tristan borgte er. — Der schöne Gewinn dieses Stückes
ist, wie hier Schnitzler das Streben ins Unerforsch¬
liche als unbewußtes Heimweh, als Trieb nach den
Quellen des Lebens festhielt. — Die Darstellung
versagte. Das Abflauen des bis zum vierten Akte
warmen, eindringlichen Erfolges fällt ihr zu.
Erschütternd und von höchster Kunst war Herr
Bassermann als Sala. Herr Sauer stand
ihm zunächst. Herr Reicher als Fichtner war in
der großen Szene mit dem jungen Vegerath, da er
ich ihm als sein Vater offenbart, stumpf, gelangweilt.
Er war kein Künstler von den Höhen des Lebens,
ondern ein Chef aus der Baumwollbranche.
frl. Lehmann riß fort mit ihrer Innigkeit. Gute
ziguren machten noch Herr Marr und Frau Pauly.
—er.