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18. Der einsane Neg
#r #, umschicn
sie haben keine Ausweisung zu fürchten.
dieselben! Reform, die jetzt auf der Tagesordnung steht Haussuchungen, Verhaftungen und jene körper¬
geborenen und nicht verschwinden wird, so sehr be¬ liche Mißhandlung, die unter dem Titel
Freude. Nichts auf der Welt wünschte ich weniger.
war ja lange für die Literaturgourmands
Sie sind ja zweifellos alle vortreffliche Leute.
bendblatt
eine Delikatesse; jedoch schließlich ißt man sich
Feuilleton. Z#
Doch wie sag' ich es nur wohlerzogen? Etwar
auch daran satt. Brahm wollte einige neue
Sie reichen intellektuell nicht völlig aus. Genie
Klassiker machen, Reinhardt hielt sich an die
Die Berliner. 74/17
zu haben, ist wohl niemand verpflichtet —
alten, die schon die Patina der Jahrhunderte
allein mißbrauchen sie diese Erlaubnis nicht ein
(Zum Gastspiel des Berliner Lessing=Theaters in
angesetzt haben. Der Unterschied ist scheinbar ein
wenig? Ihre Phantasie reicht immer nur bis zum
Wien.)
großer; sieht man jedoch genauer hin, so merkt
letzten Erfolg. „Geschäftsleute“ heißt die Ent¬
man, daß das System eigentlich bei beiden das
Daß man sich auf den Sieg nicht abonnieren
schuldigung. Gut — aber können Geschäftsleute
agendsten
gleiche ist. Das Berliner System: die Sensation.
kann! Wie longe ist's her, daß Otto Brahm als
nicht neue Muster einführen, den Geschmack regu¬
Der Aeltere suchte sie im Milien. Der konsequente
arreiches
so etwas wiglein Messias fürzänser, Theater galt?
lieren und so den Konsum anreizen? Für die
Naturalismus hatte wieder einmal die Wahr¬
tristischen
Kaum ein paor, Jahre., Schoy ein paar Jahre.
aristotelische „Reinigung der Leidenschaften“ sei
heit entdeckt, daß jede Lebenszone ihr eigenes
r kurzen
Und bereits-schoint' die Entdekung reizkös, und
ihnen ein noch so hohes Reinigungsgeld gegönnt.
Klima hat. Solche neualte Entdeckungen sind
kritische Evangelisten rufen zu neuen Altären.
kannt. In
Aber wie kommt es, daß so gar keine Entwick¬
stets die vorteilhaftesten. Im Schauspiele der
Götzen sind eben auf zweierlei Art zu verwenden:
Seelen¬
lung von ihnen ausgeht? Brahm hat Spieler
früheren Jahrzehnte hatten die Menschen in
Man kann sie anbeten oder zerschlagen. Die zweite
nes alten
gedrillt, Schreiber angeregt, eine Literatur ge¬
einer nebeligen „Gesellschaft“ sich aufgehalten,
Art ist außerdem eine willkommene Rache für
ten ver¬
macht. Die Weisse, Jarno, Gettke und Fronz
die aus dem Französischen ins Deutsche über¬
die erste. Nichts verzeihen die Menschen weniger
bird. In
nehmen Stücke an, besetzen sie, hetzen ein paan
tragen war. Jetzt sah man Weber, Lehrer,
gern als einen Ruhm, den man ihnen abgerun¬
Proben herunter — fertig! Ist die Bilanz aktiv,
Trost an
Studenten, Bauern, Fischer, Beamte, Bergleute
gen hat. So sind sie denn jetzt wieder ungerecht
dann hält man die Herren für gute Direktoren.
unglück¬
bei der Arbeit. „Dramatische Fachkurse wurden
gegen Brahm — nur auf andere Weise. Er war
Indes dirigieren sie gar nicht, sondern lassen sich
frequentiert, Spezialausstellungen besichtigt.
nun zu
früher nicht bedeutender, als man in seinem
dirigieren. Nicht einmal das geringe Verdienst
Für den Dichter war das Milieu neu, das lern¬
nkeit des
Theater den Gipfel der Bühnenkunst sah, und er
begierige Publikum wurde über die Zustände kann man ihnen zusprechen, daß sie Niveau halten.
ist jetzt nicht unbeträchtlicher geworden, seitdem
nheilvolle
Dichter sind ja selten zu finden, am seltensten
in verschiedenen Berufen instruiert, bis es
sein Lob abgetragen ist wie eine Mode aus dem
gen Frau
wohl in Theaterkanzleien. Allein Brahm hat
schließlich keine undramatisierten Berufe mehr
Vorjahre. Allein sein Fehler ist viel unver¬
der Gatte
wenigstens den Machern als auf seiner Bühne
gab. Da begannen die guten Deutschen endlich
zeihlicher: Er ist nicht mehr interessant. Wir
Fe gestellt.
nicht Beschäftigten den Eintritt verboten,
die Schablone zu wittern und zu erkennen, daß
wissen schon, wie er seine Kunststücke macht.
lem hat
während bei uns... Doch wozu die Namen der
das Milieu die Dramatik der Undramatiker be¬
Wahrhaftig, sie sind keine Hexerei. Und das muß
Namenlosen aufzählen? An die kläglichen
es künst¬
deutet. Und gerade jetzt machte Reinhardt seine
er uns büßen.
Stunden erinnern, in denen uns die auf der
Bude nebenan auf: „Hereinspaziert, meine Herr¬
Dann: Er ist nicht mehr das Neueste. Seit
hiesiger Theaterbörse mit einer Platzkarte ver¬
schaften! Nur hier zu sehen: Romantik! Phan¬
n Gesell¬
drei Jahren macht Reinhardt Epoche, und
tasie! Dichter! Farbe! Bilder!“ Das Publikum sehen Spekulanten martern durften? Nein,
nd wirt¬
Enthusiasten glauben, daß sie noch drei Jahre
nian mag gegen Brahm sagen, was man leider
lief gerne aus dem Grauen ins Bunte. Und
eitha ein
andauern kann. Brahm war sensationell in der
sagen muß: Er hat sich keinen anderen Seiten¬
Brahm machte schlechte Geschäfte. Immerb'.,
Armut, Reinhardt ist es im Reichtum. Bei
s unsere
sprung von der Literatur verstattet als Suder¬
mochte er denken, für Wien wird es noch
Brahm gab es authentische Lumpen, das ge¬
#uch durch
mann.
reichen. Der alte Schlaukopf hat sich wieder
flickteste Elend, das tadelloseste Schlesisch; Rein¬
Enden Er¬
geirrt. Es reicht nicht.
Ihm geht es wie dem Riesen Antäos, dem die
hardt jedoch hatte Purpur, Schlösser, mit
daktion.
Kräfte lahmten, wenn er nicht mehr die mütter¬
Das sagt man nicht gern. Der Mann hat nicht
Tannenduft parfümierte Wälder und in
Kostümen, Dekorationen und Perversität wahre nur verdient, sondern hat auch Verdienste. Und liche Erde berührte. Der Herakles eines neuen
Ausstellungsstücke. Der Hundebraten bei Brahm dann macht man damit unseren Direktoren eine Geschmacks wirbelt den Hilflosen nunmehr in