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18. Der einsane Neg
S

- ihre Stars! In Berlin zählt] Menschen lieb. Es ist wie bei der Niese. Nur daß
nicht die hat keine bedeutenden Einfälle. Reinhardt besitzt pönte Wort!... —
die Wienerin — man möchte fast sagen: leider
dazu auch Herr Reicher; in Wien hat er nur ein¬
die Art mehr Witz, die Russen Witz und Größe dazu.
auch ein gar so großer Komiker ist und das
mal tiefer gewirkt: im Vorjahr als alter Leiser
Es ist Brahms große Schuld, daß er nach ihnen
ammeln
gar so gut weiß. Erinnert die Lehmann an die
Fränkel in den „Juden“. Leider müßte eigent¬
kam. Ihr episch gewaltiger Zug und ihre Gabe,
Wirklich¬
Hartmann — daß wir sie doch auch an der
lich ein jedes Stück, in dem er spielt, diesen Titel
unmerklich im Kleinen zu symbolisieren, mangelt
waschen,
gleichen Stelle sehen könnten! —, so muß man
führen. Nicht nur seine Tongebung, auch die
ihm. Er begnügt sich damit, zu dozieren, statt zu
inen, sich
synagogale Feierlichkeit seiner Mimik erinnern bei Rittner imhmer wieder an Baumeister denken.
illustrieren wie Reinhardt, lebendig zu machen
weniger
an eine andere „Schule“ als an jene des Herrn Man muß einfach. Er hat die gleiche bezwingende
wie Stanislawski. Es wird vorgetragen in den
ewachsen.
Brahm. Auch ohne die Belästigung durch den Ehrlichkeit, die Glaubhaftigkeit der Miene und
Unterrichtsstunden von sieben bis zehn Uhr
in neues
Jargon würde seine verhaltene Temperament= des Tones Dazu aber noch einen eigentümlich
abends: Ibsen — Hauptmann — Schnitzler. Bei
agierten
erregenden Klang in der hellen, sieghaften.
losigkeit, die glanzlose Trockenheit seines Wesens
besonders schwer verständlichen Stellen wird eine
und
schwingenden Stimme, zu der die Leidenschaften
jedes dramatische Leben ausdörren. Im „Ein¬
r
Pause gemacht, damit sie Die Schüler ganz genau
und
zu tanzen scheinen. Eine Ursprünglichkeit, die
samen Weg“ nahm er den schömiten Szenen durch
fassen können. Die Berliner sind einfach die
einiges.
obrie gleichen ist im Theater der Gegenwart.
seine Reizlosigkeit fast den Sinn, und wäre die
Schauspieler der Pausen. Nun — im Burgtheater
and mit¬
So wie Bassermann ohne gleichen ist als
Dichtung nicht so meertief und schön, hätte
können sie besser sprechen, in Rußland besser
Wien —
Sche#spieler des Geistes. Alles an ihm spricht
Schnitzler wohl schwerlich so alenzend gegen
schweigen. Die Pausen in „Rosmersholm“ oder
ftsunter¬
von Redeuiung: der tiefe leidende Zug um den
seinen Schauspieler siegen können.
im „Einsamen Weg“ unterstreichen vernünftig,
lich ist.
Herr Sauer hatte während dieses Gastspielsmmner zuckenden Mund, die flackernden Augen,
allein sie haben keine ungeheure Beredsam¬
wäre ver¬
erst eine Gelegenheit. Allerdings eine feine. Im hinier denen Abgründ= von Stolz und Ver¬
keit... Schule überall, und Brahm hat tüchtig
von den
sonnenheit liegen. Er ist der einzige, dem #an
Trauerspiel des Wiences war er der unechte
gedrillt. Aber man fühlt: der preußische Schul¬
reicht die
das Genie glaubt — nicht deshalb, wei##r###s
Vater, dessen Treue sich die Seelen erobert Seine
meister hat bei Sadowa gesiegt, allein er wird
wie ihr
schauspielerisch ist, sondern weil er dafür einen
Art zu spielen ist eine fast peinlich diskrete. Seine
kaum noch in den großen Entscheidungsschlachten
en unter
unsäglich bezaubernden Rhythmus der ganzen
Secle lispelt sozusagen... An diese stille, müde
unseres Theaters siegen.
als bei
Persönlichkeit hat. Das ist einer, dem man die
Glücklicherweise hat Brahm einige vortreffliche Kunst muß man sich wohl erst gewöhnen, allein es
sind die
und drei große Schauspieler. Sie bringen zu dürste die Mühe lohnen. Frau Triesch, die dies-apartesten Qualen, die distingniertesten Schilk¬
he ist zu
sale zutraut, Einer, der in der hochmütigen Ein¬
mal so sehr im Vordergrund stand, ist ganz un¬
keit, sein
seiner Klarheit ihre Phantasie, zu seiner Nüch¬
samkeit einer odeligen Seele lebt und zwischen
heimlich gescheit. Ein schauspielerisches Gegen¬
ternheit ihren Rausch. Man mag die Grenzen
ude am
sich und die Plebs Welten legt. Wie er als Sala
stück zu Brahm: sie versteht alles. Kann wohl
der Berline noch so deutlich erkennen, es war
Verwand¬
im „Einsamen Weg“ sol Entfernungen
doch in jede Abend ein Ton, den wir nicht an= auch alles. Sogar die Verführung, obwohl die
heiß und
Grazien leider ausgeblieben sind. Es läßt sich zwischen sich und den andere hält in seiner
liger be¬
schlagen können, eine Kraft, um die wir sie be¬
wirklich gegen sie nichts einwenden — außer die Einsamkeit erschauert und doch die Haltung des
neiden. Vom Burgtheater ist hier natürlich nicht
t er der
großen und kalten Geistes bewahrt, dessen ver¬
Kleinigkeit, daß sie kein Genie ist. Was man ja
die Rede, das ist eine Klasse für sich, ist sui
dort an,
borgene Flammen niemand gewürdigt wird zu
nicht sein muß. Aber es wäre doch besser.
Hir haben
generis. Allein, und dies ist vielleicht die selt¬
sehen — das ist von einer so eisigen und schmerz¬
Bei Bassermann, Rittner und der Lehmann
samste aller Wahrnehmungen! — mit den Stücken
. Allein
lichen Erhabenheit, daß jeder kunstliebende
spürt man das Genie. Sie berühren unmittelbar,
und den Erfolgen der Berliner hat sich auch die
sitzen. Ein
Wiener es sehen sollte. Daß er gelegentlich
müssen nicht erst den Umweg durch den Intellekt
Art ihrer Wirkung geändert. Sicherlich sind sie
so groß
nehmen. Und kommen weiter, viel weiter. Gleich Mannheimer Dialekt spricht, ist sehr gut. Denn
noch ein Ensembletheater; aber als solches haben
unseren
sind sie mit unseren Seelen auf „du“. Die Leh= so hängt auch das Genie mit den anderen zu¬
schtlich... sie uns nichts Neues mehr zu sagen. Was an
mann gest auf die Bühne, ihr rundes Gesichtchen sammen, so fügt er sich in die Berliner ein.
kiner sind ihnen — besonders in Wien — noch immer und
leuchtet, ihre Augen schwimmen, ihre Stimme Allerdings in seinem Fehler.
Charakte= immer wieder interessiert, das sind ihre führen¬
Dr. Ludwig Bauer#
aber sie l den Persönlichkeiten, ihre — wagen wir das ver¬ streichelt das Gemüt. und sofort hat nian diesen!“