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Seite 13
20. Februar 1914
Fremden-Slatt.
Wien. Freitag
Nr. 50
dem ein ganzes Schicksal mitzuklingen scheint. Als Professor
(Volterei=Teburter) ist jest biiger, folche liesert direit überalhin
Wegrath gibt Herr Paulsen eine lebendige Gestalt. Doch
zu billigsten Preisen und tadelloser Qualität die Molkerei Aschbach an der
gleich den Silberfäden in dem Bart, den er diesmal trägt,
Westbahn, N.=Oe.
(Schiffsverkehr des Oesterreichischen Lloyd.) Aus Triest,
zieht sich die allzu monotone Natürlichkeit, in die er so
19. d., wird telegraphiert: Der Lloyddampfer „Persia“ ist am 18. d. von
gern verfällt, durch seine Leistung. Von entzückender Wahrheit dagegen,
Suez nach Aden abgegangen.
erfrischend echt und sprühend in einem ganz unwillkürlichen Humor ist
(Schiffsverkehr der Austro-Americana.) Aus Triest, 19. d.,
die Irene, die resignierte, alternde Schauspielerin, der Frau
wird telegraphiert: Passagierdampfer „Belvedere“ am 18. d. in
leibtreu. Es ist das Beste, was sie in diesem Jahr zu bieten
Venedig angekommen. „Francesca“ am 19. d. von Triest nach Patras, „Laura“
hatte. Die ganze Aufführung hat eine bezaubernde Atmosphäre, ist
am 18. d. von Rio de Janciro nach Santos abgegangen. „Oceania“ am
erfüllt vom Duft und vom Wesen Wiens. Der von Häusern eingeengte
18. d. Gibraltar passiert nach New=York, „Sophie Hohenberg“ am 18. d.
Garten bei Wegraths, die Dornbacher Villa und ihr Park, das ist so
Gibraltar passiert nach Las Palmas. Warendampfer: „Marianne“
durchaus Wien, daß es gleich einer lebendigen Szenerie mitspielt. Die
am 18. d. in New=York angekommen. Atlanta“ am 18. d. Tanger passiert
nach Las Palmas. Gecharterte Dampfer: „Franconia“ am 18. d. in
Wirkung, die das Stück auf die Zuhörer übte, war sehr stark. Es
New=York und „Erodiade“ am 18. d. in Genna angekommen. Nächste Abfahrten
gab einen Erfolg, dem merkbar genug eine gewisse Feierlichkeit bei¬
ab Triest: Dampfer „Francesca“ am 19. d. nach Patras, Almeria,
S.
gemengt war.
Las Palmas, Riv de Jaueiro, Santos, Montevideo und Buenos Aires;
(Volksoper.) Kammersänger John Forsell der Gast der
Dampfer „Martha Washington“ am 28. d. nach New=York:
gestrigen „Don Juan“=Vorstellung in der Volksoper, wird ganz gewiß
Dampfer „Alice“ am 4. März nach Neapel, Barcelona, Almeria, Las
Palmas, Rio de Janciro, Santos, Montevideo" und Buenos Aires;
jedem, der seine ungemein elegante, schmiegsame, chevalcreske und leicht
Dampfer „Belvedere“ am 5. März nach New=York; Dampfer
bewegliche Bühnenerscheinung gesehen hat, lange in der Erinnerung
bleiben. Hauptsächlich wohl wegen dieser körperlichen und wahrhaft be¬
„Argentina“ am 14. März nach New=York.
stechenden Vorzüge; nicht aber, soweit die schon nicht mehr allzu frische
Baritonstimme in Betracht kommt. Wohl hilft eine raffiniert durch¬
Theater und Kunst.
dachte und stets vernünftig verwendete Kunst zu singen über manch
(Burgtheater.) Vor mehr als zehn Jahren schrieb Artur
heikle Stellen der schwierigen Partie hinweg; aber der Gesamteindruck
Schnitzler dieses Schauspiel, das in seiner leisen Zartheit auf
der rein stimmlichen Leistung entspricht nicht unbedingt den An¬
äußerlich starke Bühnenwirkungen freilich verzichtet, das aber an
sorderungen, die man an eine vollkommene Don Juan“=Darstellung
innerer Kraft und menschlicher Fülle zu den besten und reifsten
stellen muß. Raffinement und übertriebene Eitelkeit sind es auch, die
Werken gehört, die uns das moderne Theater zu bieten hat: „Der
das Schauspielerische, welches der Sänger selbst ununterbrochen in den
einsame Weg“ In keinem anderen seiner Stücke ist Schnitzler
Vordergrund rückt, beeinträchtigen; ein von Unruhe gepackter Don
so vollendet als Gestalter, so meisterhaft in der Führung der
Juan, ein maßlos selbstbewußter Galan. Immerhin, Herr Forsell
Handlung, die sich — niemals von außen her bewegt — ganz aus
ist ein Sprechfünstler, wie man ihm nicht leicht wieder auf einer
sich selbst, fast unmerklich entwickelt, mit einer Selbstverständlichkeit,
Bühne begegnen wird. Die blendende Wirkung seiner vollendeten
die fast schon aus Rätselhafte grenzt. Und nirgendwo sind die Zu¬
Deklamation kommt am meisten den Rezitativen zugute und die Deut¬
sammenhänge des Dichters mit seiner, mit unserer Zeit tiefer geknüpft
lichkeit, mit welcher da jedes einzelne Wort selbst im leifesten
als in diesem Werk, das von edler Nachdenklichkeit durch¬
Pianissimo ausgesprochen wird, muß unbedingt entzücken. Prachtvoll
schimmert, nichts von jener heiteren, wienerisch walzermäßigen
Erotik enthält, die man so gern als Schnitzlers einzige persönliche Note klang auch das Italienisch des Gastes und diese Sprache allein machte
bezeichnen möchte. Dieses Werk, von dem noch ausführlicher die Rede es möglich, daß bei der im taumelndsten Prestissimo vorgetragenen
sein soll, gurschleiert das Zusammenleben einer Familie und ihrer Champagnerarie auch nicht ein Wort verkoren gehen konnte. Nach
dieser Arie war auch so stürmischer Beifall zu hören, daß Herr
Freunde. Lauter wertvolle, vornehme und gütige Menschen, auch
Forsell sie zweimal wiederholen mußte. — Einen Gewinn der gestrigen
nach der Entschleierung, alle einander geneigt, alle voll des besten
Vorstellung bedeutet auch der Leporello des Herrn Bandler; schon
Verstehens, aber ein jeder von ihnen einsam in seinem Leben und
der Beckmesser zeigte rühmenswerte Qualitäten dieses Sängers auf,
einsam in seinem Schicksal. Dieses Alleinstehen kann zuletzt als
sein Leporello ergänzt sie. Die ganze Vorstellung, um welche sich noch
eine Dürftigkeit menschlicher Empfindungen gelten. Als die Erkenntnis,
die Damen Lefler und Musil und die Herren Noë und
daß jene Liebe, die uns wirklich einander verbinden würde, nur ein
Nosalewicz, vor allem auch der Dirigent Auderieth recht
Traum ist, oder eine holde Lüge, oder ein unerprobtes Wort, daß sie in
verdient machten, nahm einen glatten. nicht uninteressanten Verlauf.
Wahrheit aber über unsere Kraft geht. Otto Brahm hat den „Einsamen
Dr. K—a.
Weg“ vor acht Jahren am Berliner Lessing=Theater gespielt und
Die übrigen Kunstnachrichten befinden sich auf Seite 16.
diese schöne, besonders durch Bassermann unvergeßliche Aufführung
dann auch in Wien gezeigt. Das Burgtheater, das sich damals dem
Schaffen Artur Schnitzlers verschloß, nimmt sich jetzt neben vielen
Ballchronik.
anderen erfolgreichen Werken Schnitzlers dieses seines besten Werkes
(Faschingskalender.) Freitag den 20. Februar: Kränzchen der
an und ermöglicht ihm dadurch eine dauernde Existenz auf der Bühne.
Wiener Schwalben (Sophiensaal), Walzerabend des Ziehrer=Bund (Beethoven¬
Herr Harry Walden gibt den Herrn v. Sala, die interessanteste
saal), Hochstätter=Kränzchen (Grünes Tor), Maskenball (Wimberger). —
1 Samstag den 21.: Volistheater=Redoute (Deutsches Volkstheater), Tanz¬
Gestalt des Stückes. Er exponiert sich damit, denn er wird es nun wohl
kränzchen (Militärkasino), Kränzchen des Gebirgsvereines (Sophiensaal),
bis zum Ueberdruß zu hören kriegen (was er ja natürlich selbst weiß),
Kränzchen der Leopoldstädter christlichen Bürger (Bayrischer Hof), Ball des
daß er nämlich „kein Bassermann“ ist. Gewiß, er spielt diese Rolle
Männergesangvereines der Steirer (Beethovensaal), Faschingsunterhaltung der
anders, als Bassermann sie gespielt hat, der die innere Pracht dieser:
„Scharfen Ecksteiner" (Drei Engel=Säle), Maskenredoute des Feuerwehr¬
Unterstützungsvereines (Kursalon), Krummholzkränzchen, Kränzchen des Vereines
wunderbar verriegelten Natur aufzuschließen verstand, ohne deswegen
Alldeutsche Presse“ (Dreherpark), Wallbergertanz (Grünes Tor), Ball des
einen einzigen Riegel indiskret zu heben. Herr Walden ist eben eine
Militär=Veteranenvereines „Radetzko“ (Hietzinger Hof), Narrenabend des
andere Individualität. Er kann eine Rolle nicht „nachspielen",
Döblinger Männergesangvereines (Zögernitz), Ball des Veteranenvereines
was kleinere Leute ja manchmal treffen. Auch er läßt dem
Kronprinz Rudolf (Lembacher), Kränzchen der Alpenfreunde (Wimberger), Ball
des Flugrad (Goidene Rose), Ball der Naturfreunde (Wilder Mann),
Wesen des Herrn von Sala seine Verschlossenheit. Nur daß
Dunkelthaler Kirta (Auge Gottes), Hainbacher Bauernball (Gschwandner),
bei ihm mehr ein nachdenklicher Sonderling durchschimmert
Ball der Landstraßer Arbeiterorganisation (3. Kaffeehaus), Kränzchen der
als ein aristokrutisch ästhetischer Typus. Herr Walden ist mehr
Holzarbeiter (Stadtgutsäle), Redoute (Kolosseum), Ball der Bezirksorganisation
Simmering (Brauhans Simmering), Maskenball (Blumensäle), Kirtag des
Einzelerscheinung und er ist vielleicht um einige Grade weicher
Männergesangvereines Südbahnbund (Rosensäle). — Sonntag den 22.:
im Gemüt als Bassermann. Aber die völlige Einsamkeit des Sala
Familien-Tanzreunion (Sophiensaal), Waldviertler Kränzchen, Schlesier
machte es überzeugend und ergreifend deutlich. Neben ihm stand
Kränzchen (Dreherpark! Ball des Komensky=Vereines (Blumensäle), Ball
Fräulein Wohlgemuth als Johanna mit einer guten Leistung,
der Schuhmacher (Lembacher), Ball der Brennmaterialienhändler (Bayrischer
Hof) Ball der Schuhmacher (Wilder Mann), Ball der Gaspeleuchtungs¬
der nur noch die letzte, aber deswegen auch die wichtigste Intensität
Montag den 23.: Postball (Sophiensaal),
angestellten (3 Engelsäle). —
mangelt. Herr Gerasch gibt den Felix, wie er alle jungen Männer
Kränzchen der Huberiusbrüder, Kränzchen des Vereines gedienter Soldaten.
im modernen Salonstück gibt. Dieser junge Mann aber, bei dem man
Kränzchen der Meidlinger Liedertafel (Dreherpark), Ball der Schuhmacher¬
etwa an den jungen Ferdinand v. Saar im Offiziersrock denken
meister (Drittes Kaffeehaus), Kränzchen des christlichen Frauenbundes Döbling
möchte, verlangt einen stärkeren geistigen Einschlag. Auch Herr
(Zögernitz), Ball der Glasermeister (Grünes Thor), Ball der Egerländer
(Braz
Gmoi (Gschwandner), Narrenabend der Freiwilligen Feuerwehr
Devrient als alternder Maler Julian Fichtner ver¬
Haust
Stevring), Kränzchen des Instituts Rumpl (Wilder M
sagt an den geistigen Elementen seiner Rolle. Sehr rührend
Maskenbal
(3 Engetsäle), Bauernkirta der Oberösterreicher (Auge Göttes),
ist Frau Haeber'le als Mutter. Es bleibt verwunderlich, wie
(Wimberger).— Dienstag den 24.: Croy=Redoute (Konzerthaus), Redoute
Schäuspieler sich manchmal entwickeln. Frau Haeberle, die in jugend¬
(Sophiensaal), Gesangverein der Staatsbeamten. Tanzabend (Bayrischer Hoß.
Hessenkränzchen, Radfahrerverein „Solidarität“ (Dreherpark), Ball des Arson“
lichen Rollen nur selten ansprechen konnte, stellt sich nun als eine
(Grünes Torj Balt der Liedertreue“ (Gschwändner), Hausball (Drittes
wirklich wertvolle Besonderheit heraus, wenn sie ältere, unglückliche
Linieiu Int #ie einen rührenden Ton. in ganeehaus. Kosumtranschen der Liedertafel (3 Engeljät, Bauernball der
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