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18. Der einsane Neg
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szeitlichen Nähe seelisch ferner liegt als die lebens=fab. Da sie auch das nahe Eide des leidenden
volle Romantik der Biedermeierepoche, sprach man! Sala, den sie vom Herzen liebt, als unabwend¬ K
Der einsame Weg.
Schauspiel in fünf Akten von Artur Schnihler gar viel und tiefsinnig über den Tod und das bar erkennt, ertränkt sie sich im Teiche seines
Schlosses.
Zum erstenmale aufgeführt im Burglheater am Sterben. Auch Artur Schnitzlers Helden kranken
Der tragische Tod dieser beiden seltsam
daran. Sein keck=frivoler Anatol ist nachdenklich
19. Februar 1914.
empfindenden und tiefen Menschen ist aber im st
geworden und stellt nun als gealterter Herr von
Mit der Aufführung des Schauspieles „Der
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Grunde nichts mehr als eine bloße Episode,
Sala die trübselige Frage: „Gibt es einen an¬
einsame Weg“ hat, das Burgtheater gestern eine
ein aufschluchzendes Adagio in der gewaltigen in
ständigen Menschen, der in irgendeiner guten
alte Dankesschuld an Artur Schnitzler abge¬
Sinfonie des ganzen Stückes. Das Grundthema, g
Stunde in tiefster Seele an etwas anderes als
tragen. Wenn auch das Stück über Berlin nach
das sich um eine konkrete sittliche Forderung d
an das Sterben denke?“
Wien gelangt ist, so nahm es dennoch von
handelt, hat mit der beiden Schicksal nichts
4 Solcher Todesgedanken und Stimmungen
Oesterreich seinen Ausgang. Bei aller tief¬
gemein. Mit aller Präzision hat hier der Dichter 9
schürfenden Psychologie, deren Ursprünge auf die gibt es in dem Stücke gar viele, gleich dunklen
Nordländer und insbesondere auf Ibsen zurück= Wolken erscheinen sie am Horizont der Dichtung s eine Frage gestellt und mit voller Deutlichkeitn
Antwort darauf gegeben.
reichen mögen ist diese Dichtung im innersten und selten nur durchbricht ein Strahl erwärmen¬
Hat der natürliche Vater eines Kindes, der ##
Kerne ihres Wesens doch heimatlich. Oester= den Humors das finstere. Gewölk.
„Ich habe einmal im Traum eine Frühlings=sich um dessen Erziehung und Fortkommen nichtp
reichisch fühlen und denken diese Menschen in
im mindesten bekümmerte, noch irgendwie An¬e
landschaft gesehen, ganz sonnig und mild, und
ihrer vom Hauche sanfter Melancholie umflossenen
spruch auf dieses Kind oder wird er nicht viel¬
doch hab' ich über sie weinen müssen,“ bemerkt
in ihrem von erlesenster Kultur ge¬
Art,
mehr aller Rechte verlustig zugunsten desjenigen,
die melancholische Johanna zu ihrem Freunde
adelten Schönheitsempfinden.
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der in der Sorge um das Kind seine Stellen
Sala, der ihr mit deu Worten: „Ja, die Traurig¬
Wienerisch vor allem ist die prächtigste
einnahm? In dem Falle Fichtner=Wegrath spricht
Frauengestalt des Stückes — die Schauspielerin keit steckt in den Dingen oft viel tiefer als man
sich Schnitzler zugunsten des letzteren aus.
ahnt,“ recht gibt. Wie eine Kassandra wandelt
Irene Herms. Voll Wärme und Temperament
Die schöne Gabriele hat den egoistischend
Johanna unheilverkündend einher. Mit geschärften
und dabei ganz erfüllt von echtester Weiblichkeit.
Künstler Julian Fichtner geliebt und da sie A
Lieblich und anmutsvoll ist auch die Landschaft, Sinnen blickt sie in die Vergangenheit und
die mit den Personen so innig verwoben ist, lauscht den Stimmen der Zukunzt. Einst hat sie dieser in seinem Drange nach Ungebundenheit
daß sie mit diesen beinahe ein Ganzes bildet, als lydische Sklavin auf einer griechischen Insel verlassen, dessen Freund, den Pflichtenmenschenn
„Die Blätter sind rot, der Himmel ist blaß getanzt und so kann sie denn auch im Geiste Wegrath geheiratet. Professor Wegrath hält den ##
im ersten Jahre gebornen Sohn für den seinen
und fern — und der Tag ist noch viel schöner ihrem Freunde ins alte Etbatana folgen, das
dieser aus sechstausendjährigem Schutte heraus= und läßt ihm auch alle Liebe zuteil werden, die u
und trauriger, als ich ihn je hätte ahnen können.
Und ich erlebe ihn in Deinem Garten und spiegle graben und in marmorner Herrlichkeit wieder=ein guter Vater seinem Kinde entgegenbringt.g
mich in Deinem Teich“ sagt Johanna Wegrath zu erstehen lassen will. Ihre krankhaft verfeinerten Kurz nach dem Tode seiner Mutter erfährt Leut¬
ihrem Geliebten, dem Herrn von Sala. Den Nerven fühlen jegliche Art von Widerwärtigkeit nant Felix Wegrath das Geheimnis seiner Geburt, 2
in verstärktem Maße. Das Häßliche macht ihr und zwar durch niemand anderen als durch
wundersamen Zauber dieser idyllischen Park¬
szene hätte die seine Künstlerhand eines Moritz Pein und so bildet sie sich schon aus diesem Grunde Fichtner, der den jungen Mann für sich ge¬
v. Schwind in voller Schönheit festhalten zur Aesthetin. Ihre Erklärung, daß sie ihre winnen möchte. Der junge Offizier hat für die
plötzlich geoffenbarten Vatergefühle Fichtners
können. Mit dem Unterschiede freilich, daß der Mutter nicht mehr liebe, seitdem diese krank sei,
kein Verständnis. Ihm gilt derjenige als sein
Grundton des Gemäldes um vieles heiterer kann unter diesen Umständen nicht als Gefühls¬
Vater, der sich ihm bisher als solcher erwiesen
armut gedeutet werden.
gestimmt gewesen wäre, als Artur Schnitzlers
hat. Und so wendet er sich Wegrath zu, der
Johanna weiß das Ende ihrer Mutter
vom Hauche der Trauer berührte Neoromantik.
nach dem Unglück mit der Gattin und Tochter
voraus, wie sie vorher das Ende von Salas
Um jene Uebergangszeit vom Naturalismus
seiner doppelt bedarf. Fichtner muß den ein¬
zur neuerstandenen Romantik, in der Schnitzlers kleinem Töchterchen geahnt hatte und sie rückt
Stück geschaffen wurde und die uns trotz ihrer sihrer Natur entsprechend, von der Totgeweihten samen Weg weiter wandern.