Faksimile

Text

box 23/4
W
am
18. Der einsene Nen
Husschnitt ausener Montags Jeurnal, Wier
23FER 1914
vom:
heit ein Hindernis? Herr Paulsen gab wiederum in Wort und
Gebärde einen guten Durchschnittsmenschen, seine Gestaltungs¬
Theater, Kunst und Literatur.
gabe wächst sichtlich, er ist heute schon eine Stütze des neuen
Burgcheaters. Herr Gerasch, der Vielverkannte, kann natürlich
Hofburgtheater.
sprechen und sehr sympathisch sein, wenn er nicht auf dem Ko¬
„Der einiame Wag“ von Arthur Schnitzier.
sthurn steht. Er war sehr sympathisch. Auch Frl. Heberle, Herr
Devrient und Herr Herterich waren das. Sie spielten alle die
Drei Menschen müssen in dem Stück sterben, um die
Menschen, die der Dichter schaffen wollte, es ist nicht ihre
Thesen des Autors zu beweisen. Das war die Dramaturgie
Schuld, wenn sie ihm nicht gelungen sind.
von früher, unsere Modernen sagten uns immer, das Leben be¬
Die Aufführung wurde vom Publikum respektvoll auf¬
weise.. Pernerstorfer findet, das Stück sei das beste
genommen, man applaudierte ziemlich viel und der Autor konnte
Schnitlers, Wittmann ist gegenteiliger Ansicht. Ich finde es
oft vor dem Vorhang erscheinen. Aber das Publikum und er
furchtbar langweilig. Auf Sonnenhöhen soll uns die Dich¬
selbst hatten wohl das Gefühl, daß man von ihm endlich ein¬
tung führen, oder in Abgrundtiefen. Schnitzlers Stück spielt
im Nebel — fünf benebelte Akte das ist langweilig.
Im ersten Akt zerteilt sich der Nebel, eine Frau bekenn mal erwas Ganzes erwartet. Einen Schnitzler hat man schon
lange, ex soll endlich ein Bildner werden, wenn er seinen Vor¬
ihre Jugendsünde Im zweiten ist sie schon gestorben, da zer¬
ruhm verdienen will ..
flattert wieder ein Stück Nebel, der Sohn findet den wirk¬
lichen Vater, der seine Mutter verführt und verlassen. Er
stoßt ihn kalt von sich, — wohl auf den einsamen Weg. Im
dritten findet eine Liebe im Nebel den Weg zu dem geliebten
Herzen. Herr von Sala macht der umnebelten Johanna einen
Heiratsantrag mit Scheidungsaussicht und che der vierte Akt
vergeht, starrt Johannas Auge sehnsüchtig auf den Weiher.
Man hofft, sie werde die Marlittsche Geschmacklosigkeit nicht
verüben, aber der fünfte Akt zeigt nur mehr ihren starren
Leichnam im Weiher und Herr von Sala muß sterben, weil
er gar nichts verbrochen hat und wie ein Gentleman gehan¬
delt. Wir werden mit der Hoffnung entlassen, daß auch noch
der verstoßene Vater und der unglücklich liebende Hausarzt
an gebrochenen Herzen sterben werden. Das Stück endet im
trostlosen Spätherbst.
Unfere modernen Dichter kämpfen sich alle zur Unklarheit
durch. In der Jugend sind sie sonnenhell, frivol und wollen
von Mysterien und Traumländern nichts wissen. Wenn sie
älter werden, predigen sie katholischen Glauben, wie jetzt der
Salzburger Apostei und wandeln Schlaf Sie raufen sich
mit Gedanken und spintisieren Handlungen, um zu beweisen,
daß ihre Gedanken tiefsinnig sind. Im Grunde aber ist es doch
nur ein Streit um Ansichten. Der „Einsame Weg“ wird da¬
mit nicht beweisen, daß man drei in den Tod und einige An¬
dere in die Einfamkeit schickt. Einsamkeit ist ja auch Glück,
wo steht denn geschrieben, daß für alle Menschen die Gesell¬
schaft notwendig ist?
So im Nebel herumzutappen ist für Schauspieler keine
Kleinigkeit. Eine einzige Rolle ist in dem Stück, die klar aus¬
drückt, was sie will: das ist die Schauspielerin Irene Herms,
die denn auch von Frau Bleibtreu mit der ganzen Klarheit
ihres Wesens und mit der dominierenden Kraft ihrer Ge¬
staltungsgabe gegeben wird. Die grof#ünstlerin riß das
Publikum zu spontanem Beitall hin. Die schwierigste Rolle fiel
Herrn Walden zu: Er soll Thesen schweigen und Hoffnungs¬
losigkeit in Gebärden ausdrücken, denn was er sagt, das ist
eigentlich keinerlei drematisches Schickal. Der ausgezeichnete
Sprecher holte sich erst im letzten Akt mit der meisterlich ge¬
sprochenen Abschiedsrede seinen gebührenden Triumph. Fräu¬
lein Wolgemuth soll sehenden Auges nachwandeln, eine einzige
turze Szene hat sie, wo sie Mensch sein darf. Diese ausge¬
zeichnete Menschendarstellerin hat im Burgtheater immer noch
ist vielleicht ihre Schön¬
nicht den richtigen Platz gefunden,