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18. Der einsane Neg
Husschnitt aus: Ost. Illustrierte Rundschau
vom:
ZT EERRUAR 1914
20 Theaterschau. 60#
Hofburgtheater. „Der einsame Weg“, Schauspiel in fünf Akten
von Arthur Sch###Erfafführung am 19. Februar. — Die Erst¬
aufführung des „Einsamen Weges“ von Schnitzler stand vor allem in einem
Zeichen: in dem Fragezeichen, was denn die Leitung des Burgtheaters ver¬
anlaßt hat, mit diesem mehr als ein Jahrzehnt alten und bekannten Stücke
des in Wien lebenden Verfassers jetzt herauszukommen. Man mag über
Schnitzler urteilen wie man will: eines ist sicher, daß er in allen seinen
Werken sich treu bleibt, daß alle auf derselben Lebens= und Weltanschauung
fußen und auch wesentlich auf den gleichen Grundton gestimmt sind. Wenn
also bisher—gegenüber den Produkten der Schnitzlerschen Muse immerhin
noch eine gewisse Zurückhaltung auf unserer vornehmsten deutschen Bühne
bemerkbar war, wenn keiner der früheren Burgtheaterdirektoren daran
dachte, den „Einsamen Weg“ in den Spielplan aufzunehmen, so muß es
unwillkürlich auffallen, daß der jetzige Leiter der Hofbühne mit dieser Zurück¬
haltung bricht und sogar an einem so halb verschollenen Werke wie den
„Einsamen Weg“ Wiederbelebungsversuche verschwendet. Ein literarisches
Bedürfnis, zumal eines im Aufgabenkreise unserer ersten deutschen Bühne
gelegenes, war hiefür jedenfalls nicht vorhanden. Der „Einsame Weg“ ist
ein Schauspiel, das trotz seiner unleugbaren äußerlichen künstlerischen Schön¬
heiten und seiner dramotischen Ebenmäßigkeit und Reise den dekadenten
Zug der Schnitzlerschen Abeiten im vollen Maße aufweist. Der Geist der
Zersetzung, der Hauch der Verwesung weht auch aus diesem Drama, und
die Menschen, die wie Produkte einer pathologischen Garküche über die
Bühne wandeln, bleiben uns fremd, wir fühlen, sie sind nicht unseres
Stammes, nicht Blut von unserem Blute — trotzdem sie Wiener“ vorstellen
sollen. Um dem zu leichten Sentimentalitäten neigenden Wiener Geschmacke
Rechnung zu tragen, hat der routinierte Verfasser sein ganzes Stück auf,“
Moll gestimmt, aber doch in zu schwerer, bedrückender Art, um damit eige
reine Wirkung zu erzielen. Zur Zeit, als das Stück entstand, in der
gärenden Literaturepoche des fin de siecle, war übrigens die Stimmung
hiefür noch eher vorhanden; heute aber, wo, Gott sei Dank, diese Periode
schon soweit überwunden ist, daß nicht mehr eine fremdartige, aus den
Tiefen hervorwuchernde Afterkunst sich schrankenlos ausbreiten kann, war
die Hervorholung des Einsamen Weges“ ein schwerer Fehler. Das Burg¬
theater ist keine Kuriositätenbühne, das Bupgtheater ist auch kein Spezial¬
stheater für den Schottenring.
Ausschnitt, ausler „Humorist, Wien
MAEIL 4917
vom:
Theater und Kunfl.
(Burgtheater.) „Der einsame Weg“, den Schuitzler—meint,
(das ist der Weg, den alle gehen müssen, die wahre Egoisten sind
mit einem modernen Wort zu reden — „Trägheit des
oder
Herzens“ in sich tragen. Die sich nichts schenken können, denen das
Gefühl und die Freude des inneren Teilungsvermögens fehlt,
die keine Liebe schenken und am Ende doch die Genarrten sind,
weil auch ihnen die Liebe der anderen versagt bleibt. Darum ist
der „natürliche“ Vater nicht auch der geliebte. Der Spätherbst
ist nicht für jeden die Jahreszeit der Erfüllung. Aber es scheint,
daß der Dichter selbst mehr mit Klugheit und Spintisierkunst
schreibt, denn mit dem Herzen. Darum das Konstruierte an so
vielen Schnitzler'schen Werken; auch ihnen fehlt es an Wärme
und Liebe und mit dem Verstand, dem talmudischen Nachgrübeln
über Probleme allein, wird er auch den einsamen Weg gehen
müssen, ohne die Gefolgschaft des Publikums. Harry Walden
leidet an der Schwierigkeit, ein Schicksal zu gestalten, das kein
dramatisches ist; im letzten Akt, wo er aus sich herausgehen kann,
holte sich der ausgezeichnete Sprecher lauten Beifall. Frau
Bleibtreu herrlich, wienerisch, gütig, eine, die viel erlebt hat
und doch kindlich geblieben ist, etwas nüchtern Herr Devrient,
Frau Wohlgemut in einer ihr nicht liegenden Rolle wenigstens
ein ästhetischer Genuß, brav die Herren Paulsen und Gerasch.
Die dramatisierte Novelle wurde mit freundlicher Andacht auf¬
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„nAmmon
Husschnitt a)
GENER CARICATOREN
vom: 1- MAERZ 1914
THEATER.
Im Burgtheuter „Der einsame Weg“
von Artur Schnitzler. Leider kein rechter
Erfolg, denn der gefeierte Wiener Dichter
beginnt immer mehr zu schffftzeln und
zu witzeln und entfernt sich immer weiter
von der echten Wirkung.
Seine Marke ist: „Vornehm und
diskret“ und so wird er immer vor¬
nehmer und diskreter, bis man mit seinen
Gedanken und Gestalten nicht mehr mit¬
gehen kann.
Diesmal ist er auch von den Schau¬
spielern nicht genügend unterstützt worden.
Herr Walden besonders enttäuschte, da¬
gegen war die Bleibtreu geradezu,
Flassisch.
Seliehe Der Getlschen
Moderne Illustrirte Zeitung
Husschnitt aus:
Reise und Spört
Wien
WOM ALL
AUS DEN THEATERN.
Der knappe Raum, der diesmal zur Verfügung steht, die
durch den Setzerstreik bedingte lange Pause in dem Erscheinen
unserer Zeitschrift, gestatten diesmal eine nur kursorische
Besprechung der hauptsächlichsten Novitäten. Die Jahreswende
ist durch die Parsifalaufführungen charakterisiert, die wohl das
wichtigste Ereignis der Saison darstellen und die, sattsam besprochen,
ein neuerliches Zurückgreifen überflüssig machen. Das Burgtheater
hatte mit der Aufführung des „Einsamen Weges“ von Arthur
Schnitzler einen schönen Abend. Das tiefe Problemstück fand mit
der ausgezeichneten, fein abgetönten Darstellung des Burglheaters
die beifälligste Aufnahme und wirkte wie eine Novität. Wenig Glück
mit neuen Stücken ist dem Deutschen Volkstheater beschieden. Die
„Lakajen“ von Hajó, die wohl nur deshalb aufgeführt wurden,
weil sie aus Ungarn kommen, gingen ziemlich eindruckslos vorüber.
„Majolika“ von Stein und Heller präsentierte sich als ein Lust¬
und
spiel wie viele andere
ein
„Schwester Margit“,
Jugendwerk August Strindbergs, war
von vornherein eine verfehlte Sache.
Dass das Deutsche Volkstheater für
Kostümstücke nicht der richtige
Boden ist, steht schon ziemlich
lange fest. Unerklärlich ist, warum
man zu den nur für ein sehr jugend¬
liches Publikum möglichen Klassiker¬
vorstellungen an den billigen Mon¬
tagen dieses schwächliche Klimbim¬
drama des grossen Schweden vor
einem erwachsenen Publikum bloss¬
stellte.