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da ein paar Stunden lang mit ihren Gemein¬
berischen
heiten, Verrücktheiten und Nöten. Wir verstehen
n Schau¬
sie nicht, sie rühren uns nicht, sie vermögen uns
kaum zu interessieren. Sie ergehen sich in klugen,
einsamen
bilderreichen Reden, sie seufzen viel und bemühen
terleitung.
sich umständlich um unsere Teilnahme. Sie be¬
sie wie
klagen sich über unerreichbares Glück und tun
ung einem
alles, um unglücklich zu sein. Sie treiben Mi߬
ist, daß
brauch mit den Worten Liebe, Vater, Mutter,
aterdirek¬
Sohn. Und sie leben nicht lange und es ergeht
d welches
ihnen nicht wohl auf Erden.
er Herren
Diese Menschen sind nicht von unserem Fleisch
ktete. Im
und Blut. Um diese Menschen zu erklären, bedarf
ie lokale
ich nur eines Wortes: Es sind jüdische Menschen.
gespielt
Sie sind die Kreaturen eines Dichters, der glaubt,
renabend
das uralte Erbteil seiner Rasse: ihre Unstetheit,
hlls längst
ihren zersetzenden Zweifel an allen lebensbejahen¬
Der Bett¬
den Werten als dramatischen Atem verwerten zu
geworfene
können. Es gibt kaum ein Schnitzlersches Stück,
Da ich
an dem sich dies nicht nachweisen ließe. Viele
unbedingt
von Ihnen haben wienerischen Glanz und Duft.
saffektion
Wie himmelweit aber liegen sie ferne von unse¬
mir nicht
rem Wesen und Denken. Denn ihr Wienertum
Ehre? Ist
ist nur Anstrich, nur Fassade. Wie absolut wesens¬
jemand?
fremd uns die Art doch ist, im Gespräch unsere
bill seinen
Gefühle zu zerfasern, sie mit glänzenden Worten
ide Muse
vor dem anderen auszubreiten, ihm unsere Träume
durch die
#nig müde und Vorstellungen aufzudrängen, wie es so biele
finden, wenn nicht jene durchlaufende
droht wie eine Seuche den Zuschauerraum des
stimmung das eine mit dem andern y
allen Ex= der Schnitzlerschen Menschen kun. Wie sehr es
Theaters.
Die Einheitlichkeit des Werkes liegt in
doch gegen unsere Natur ist, hinter allen, auch
Der einsame Weg führt in unermeßliche
de; Ösfer¬
art, in diesem modus minor, der
hinter den klarsten Dingen, Anlässe zu quälend
Trostlosigkeil. Laster und Gemeinheit sind als
on Schön
lächelnd durch alle fünf Akte waltet.“
tiefsinnigen Grüblereien aufzuspüren! Dieser ein¬
Wegweiser an seinen Rändern aufgestellt und
itorien be
Wer das Recht hat, Herr Brecka,
same Weg spielt sich ab in ein paar Herbsttagen,
kein Sonnenstrahl vergoldet ihn.
schen Pro
und unabhängig nur mit den Maßst
deren Schönheit oft beteuert wird, niemals aber
Anruf und Frage an das Hofburgtheater:
geschnitten
Kunst, der Ethik und Asthelik mißt,
ohne einen Seufzer, wie ich mich denn überhaupt
Wodurch sah sich diese Hofbühne veranlaßt, dieses
Teile ein
ungenannte Feuilletonist des Hauptjudl
nicht entsinne, während des ganzen Stückes auch
alte, notorisch schlechte, anderweitig längst durch¬
natie, wa
dessen nationaler Beruf und bezahlte 4
nur ein einziges Mal lachen gehört zu haben.
gefallene, ja bei der Première am Deutschen:
Wien de
ist, den Stammesgenossen in den Himn
Wie gründlich verkennt dieser Dichter, dessen
Theater in Berlin laut und rücksichtslos ver¬
heben und über Schiller, Goethe und G
wienerische Note man oft rühmen gehört hat, das
lachte Stück aufzuführen!?“
u stellen, das werden unsere Leser w
Wiener Wesen und die Wiener Landschaft, die
Und dieses Machwerk wird von der „Neuen
auch dann noch heiter sind, wenn sie wehmütig
Freien Presse“ wie zum frechen Hohn in einem eurteilen können.
sind. Welch ein Nutznießer ist er am Blute dieser
Sspalligen Feuilleton also gepriesen::
Stadt, der man einreden will, sie habe ihm als
„Vor Jahren wurde „Der einsame Weg“ 1
ihrem Dichter zu danken. Auch heute wieder flogen
von Berliner Gästen einige Male aufgeführt, doch
uns unausgesetzt Worte, wie: Dornbach, schöner
mit den Schauspielern verschwand auch das Schau¬
Weg bei Salmannsdorf, Türkenschanze um die
spiel. Für das Burgtheater ist es ganz neu. Un¬
Ohren, daß wir wohl meinen sollten, weiß Gott
streitig gehört es zu Artur Schnitzlers feinsten
wie wienerisch doch dieses Stück sein müsse. Allein
dramatischen Dichlungen; wir sagen nicht zu seinen
mir ist nicht bange. Denn die Erkenntnis, daß
besten. Jedenfalls kann man sich kein zarteres
auch der herrlichste Herbstwald von Dornbach nur
Gewebe denken. Das Stück atmet eine Melan¬
so lange schön ist, so lange Schnitzlersche Menschen
cholie, die uns wie ein süßes Gift betäubt, und
dort keine Villa haben, und diesen Landschafts¬
ganz eingetaucht ist es in jene Zwielichtstimmung,
zauber nicht als Hintergrund für ihre unsauberen
die Formen und Farben der Dinge noch erkennen
dramalischen Geschäfte mißbrauchen, diese Erkennt¬
läßt, alles Stoffliche aber mit einem Schleier um¬
nis muß sich als viel, viel stärker erweisen, als
hüllt und greifbare Gestalten in hineingehauchte
die Bemühungen sämtlicher Feuilleionisten, die
Traumgebilde aufzulösen scheint. Mit ungewöhn¬
uns Schnitzler immer als den feinsten Kenner
licher Kunst wird dieser Grundton durch das
der Wiener Seele und Wiener Landschaft anpreisen.
ganze Stück hin festgehalten. Man muß eigent¬
Ganz und gar unbeschenkt, wie wir selten
lich von zwei Stücken sprechen, wovon das eine
noch das Theater verließen, entläßt uns diese
mit dem dritten Akt endigt, das andere aus den
Komödie. Sie bedeutet in keiner Hinsicht einen
elwas lose angehängten letzten zwei Akten besteht.
Gewinn, kann aber unter Umständen sehr wohl
Zwischen beiden Teilen fehlt der organische Zu¬
Verluste bringen. Denn Schnißzlers Art, so ziem¬
sammenhang, sie sind nicht Früchte desselber
lich alle Gefühle zu verhöhnen und zu verleug¬
Baumes, und man würde dieses zwiespältige
nen, die nach unseren Begriffen den wertvollsten
ethischen Besitzstand unseres Volkes bilden, be=! Wesen des Schauspiels als schweren Fehler emp¬