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18. Der einsane Neg
Menschenmischung, die nur bei Theaterleuten gefunden
sich mit einem Aufschrei: „Vater!“ über Weg¬
ebens Raubbau treiben um des
Herr Paulsen als
wird. Philiströse Bohèeme.
rath beugt, so schimmert hier ein Schein von Ver¬
en, den Boden verwüsten, der den
Wegrath wußte die noble Ahnungslosigkeit des betrogenen
geltung. Nicht stark genug, aber, um die Wehmut und
kine Früchte mehr trägt. Liebe um
Gatten, und die ahnungsvolle Verstimmtheit, die ihn doch
die Angst, um die Vergeblichkeit, die alle menschlichen
durchs Leben begleitet, irgendwie fühlbar zu machen; beinahe
#ur dem, der gibt, wird gegeben
Beziehungen umzittert, aufzuhellen. Alleinsein! Allein¬
wie einen atmosphärischen Zustand. Auch Frau Haeberle
kinsamen Weg“ zweiter Teil in die
gelassensein! So verhaucht dieses Schauspiels letztes
christlicher Weltanschauung ge¬
gelang es, durch eine ferne, leise Art das Gefühl der
Erkenntnis.
Entfremdung, welche ein scheidendes Wesen, noch mitten
tung geübt wird, weil hier von

unter seinen Nächsten stehend, isoliert mitzuteilen. Herrn
MRede ist, und vom Glück, welches
Das Burgtheater hatte recht, dieses für die zeit¬
Gerasch einmal in einer Rolle zu sehen, die seinen
kwerben kann. Weil die dramatisch
genössische Dichtung so charakteristische, dieses so weg¬
Temperamentsunfällen jeden Boden entzieht, ist wirk¬
z angewendete Moral dieser These
weisende Stück, welches Artur Schnitzlers Wesen so rein
liches Vergnügen. Diesen gezügelten und sich zügelnden
müßte, daß der Weg zum Tode
und ganz in sich schließt, seinem Spielplan einzuverleiben.
Felix hat er sich gut abgerungen. Nur hätte man eines
hinzugeben wissen, von rück¬
Die Darstellung des „Einsamen Weg“ gehört zu den
gewünscht: Mehr Geist und weniger Haltung. — Julian
kend sein wird, daß dem Absterben
subtilsten Regieaufgaben. Denn die Menschen, die da
Fichtner Herr Devrient. Er blieb unempfindsam,
Herz mitleidend schlägt. Gegen diese
oben auf der Bühne sich bewegen, schillern und ver¬
Er stellte die Schablone eines alternden Künstlers, der
nun mit einemmal der Dichter.
schwimmen, tun ihre Seelen scheinbar weit auf und ver¬
„abgewirtschaftet“ hat, hin.
inem fünfzigsten Lebensjahte im
bergen sich doch hinter Schleiern. Der Schau¬
Fräulein Wohlgemuth war eine wunderschöne
: er, der die Demut jedes Ver¬
spieler muß bringen, was ist, und muß er¬
Johanna. Umschwebt von jener maßvollen Melancholie,
Grenzen von Gut und Bösg auf¬
was über dieses Sein hinausgeht.
raten lassen,
die bei Mädchen aus guter Familie niemals allzu
ihn lockte es bereits im„ Ein¬
verstummen, andeuten, erraten, ahnen,
Verschweigen,
beunruhigende Formen annimmt. Wenn, wie ich es hören
Besonderen ins Allgemeine zu
aneinander vorbeisprechen und in sich hineinhorchen!
konnte, im Publikum hier und dort die Frage aufgeworfen
dlichkeit aller Schicksalsschlüsse zu
Das sind die Spielelemente, welche den Stil des „Ein¬
wurde, weshalb eigentlich Johanna in den Tod gehe, so
hnacht des Marionettenmenschen dem
samen Weg“ entscheiden. Diese Stimmung wurde nun in
trägt die Schuld daran die Darstellung allein. Johannas
enüber.
Darstellung des Burgtheaters vielfach wach. Ohne daß
Sterben muß organisch, in ihrem Sein bedingt erscheinen.
n drittes Problem als weitester
(was besonders hervorgehoben zu werden verdient) man
Die stille Glut der beinahe körperlos leuchtenden Seele;
Es schreitet hinweg über die letzte
zu der früheren tiefgründigen, von dem ersten Ibsen=Stil
die lautlose Intensität einer Daseinssehnsucht, welche so
lt nicht mehr Varianten der Ein¬
herrührenden geheimnisvollen Bedeutsamkeit gegriffen
hemmungslos strömt, daß sie die zu schwache Hülle sprengt,
sehr die Einsamkeit! Die allen
hätte. Die den Schauspieler dazu verführte, gleichsam die
das sind die Zeichen, die das Wesen des seltsamen
hie von Mensch zu Mensch
Devise: Ich bin ein Symbol vor sich herzutragen.
Mädchens erkennbar machen sollen. Tieferes muß zum
Das Hauptgewicht wurde auf ein leises, absichtslos und
Nicht von Mann zu Weib;
Schwingen gebracht werden als sanfte Trauer und
natürlich fließendes Tempo gelegt. Auf Lebendigkeit. Daß
Kind; nicht von Freund zu
Unerfülltheit. Denn wenn Johanna zu Sala sagt:
in mancher Szene aber der Gehalt an Spannung, an
tab gehen wir alle alleine, wir, die
„Es kann mir nicht bestimmt sein, nur Schönes
Hintergründigkeit, an dunkler Leidenschaft nicht ausge¬
n, sagt Sala zu Fichtner. Im
zu erleben; auch Häßliches, auch Gemeines steht wir
schöpft erschien, darf nicht verschwiegen werden. In dieser
e Einsamreit schwer und trüb über
bevor. Ich werde irren und leiden. Ich will später einmal
Richtung bewegten sich auch Vorzüge und Fehler der Ver¬
gleicher Trauer gebreitet. Auch auf
vor mir selbst erschauern müssen.“ So ist in dieser er¬
körperung Salas durch Herrn Harry Walden.
gehört haben. Ist nicht Frau
sehnten Bestimmung schon die Schicksalskontur jener im
Aeußerst sympathisch und künstlerisch vornehm, wie er der
ganz von Pflicht, ganz von Ent¬
Grenzenlosen sich verlierenden und tragischesten Frauen¬
Figur jede Pose nahm; und beinahe verschämt hinter dem
fervollen Schweigen bestimmt war,
gestalt vorgezogen, die Schnitzler geschaffen hat. In der
korrekten Gentleman die unbequeme Seele versteckte. Nur
allein geschritten? Zieht nicht
„Hirtenflöte“ als Dionysia ersteht die Johanna des „Ein¬
hätte diese vorgenommene Maske manchesmal von einer
Sehnsucht hätte, ein Schurke zu
samen Weg“ wieder, als letzte vollkommenste Inkarnation
Flamme versengt werden sollen. Immerhin war er ein
ssein Temperament gezwungen, ein
ihres erfüllten Wesens. Fräulein Wohlgemuth aber
souveräner Schauspieler, der sich eine Rolle zurecht¬
zieht dieser raffinierte Altruist
wußte nichts von solchen Abenteuern der Seele.
bog, die ihm in manchem Zug zu ferne liegt.
allein seine Straße? Und
Dieses versonnene Stück wird niemals ein laufer
Ganz restlos ging Frau Bleibtreu in Irene Herms
bt diesem aufrechten Menschen er¬
Theatererfolg sein. Eben weil es im Gemüt der Zu¬
auf. Das war wirklich der Typus jener leichtlebigen Schau¬
krau nicht ihm fremd ins Grab?
schauer zu lauten Widerhall weckt. Es ist ein Stuck,
spielerinnen=Natur, von der es heißt „Sie ist ein guter
icht den Tod, ohne daß seine Liebe
das zur Einkehr zwingt. Und so dankte auch gestern
Kerl“. Die Lachen und Weinen in einem Sack hat. Die
he gebracht hätte?s Felir allerdings
das Puhlikum A.tur Schnitzler, der oftmals erscheinen
ftalats
Hingabe erworben. Und wenn trotz ihrer Treulosigkeit Schätze der Anhänglichkeit birgt.
A. B. Z.
Aue 1
hinausschleicht, da sein Sohn Es war die richtige Dosierung jener merkwürdigen, mußte, mit nachdenklichem Ernst.)
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