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Sane
18. Der ein.Nes
1-4PR 518
Grazer Montags Zeitung
Theater.
(Der einsame Weg. Schauspiek von Artur
Initler.) In keinem andern Schauspiele Schnitzlers merkt
mast da Verstandnis für Ibsen besser als hier. Vielleicht noch
im „We n Land“, das eine Art Gegenstück genannt werden
kann. 2 s ergibt sich unaufdringlich aus den Gesprächen,
die, auch ienn sie an der Oberfläche zu haften scheinen, voll
Mystik und Symbolik stecken und stets die Beziehungen zum
Problem de Dichters aufrecht erhalten, ohne doch der scharfen
Plastik wie dem Wirklichkeitssinne Abbruch zu tun. Schon der
Titel des Stückes ist symbolisch gemeint. Alle handelnden Per¬
sonen sind befreundet, sie stehen zum Teile sogar in geheimnis¬
vollen Verhältnissen zu einander; und doch sind sie alle beinahe
ausnahmslos, einsam geblieben und gehen auf einsamem Wege
durch das Leben. Julian Fichtner (Herr Hofbauer) fühlt sich
vereinsamt, weil er keine Familie hat, Stephan v. Sala (Herr
Olden), weil er seine Familie verloren hat, Direktor Wegrath
(Herr Großmann) und seine unglückliche Frau (Frau Godeck)
bleiben einsam mitten in ihrer Familie und finden trotz oder
vielleicht gerade wegen ihrer Kinder, die gleichfalls Anlage zur
Einsamkeit haben, nicht einmal zueinander. Und so ist es eine
Versammlung Einsamer, die uns der Dichter in der Meinung
vorführt, daß wir Menschen alle in unserem innersten Wesen
immer vereinsamt find und daß wir nur äußerliche Berührung
miteinander haben. Nur merkwürdig, daß gerade die Wenigen,
denen ihre Vereinsamung klar wird, Furcht vor der Einsam¬
keit empfinden und oft an ihr zugrunde gehen: Der horror vacui.
Die Furcht zu vereinsamen gebiert die Lüge und gerabe diese
Lüge isoliert uns dann für's Leben. Neben diesem Grund¬
gebanken entwickelt das Schauspiel andere Ideen und Über¬
zeugungen dutzendweise. Es führt aus, daß auch Mütter und
Schwestern ihr Schicksal haben wie andere Frauen, daß aber
eine Frau, die nie ein Kind geboren, nie eine Frau war;
daß ein Dasein ohne Schmerzen ebenso unerträglich sein müßte
wie ein Dasein ohne Glück (nichts ist schwerer zu ertragen
als eine Reihe von schönen Tagen) und daß glücklich machen
besser sei als schuldlos sein. Wer im Schauspielhause bei
Schnitzler erscheint, befindet sich bei einem ebenso geistreichen
als gediegenen Schriftsteller zu Goste, der überdies über alle
dramatische wie theatralische Kunst sonverän verfügt.
Freilich stellt er der Darsiellung in seinen Konversations¬
stücken die denkbar schwierigsten Aufgaben, die restlos nur nach
wochenlangen Proben gelöst werden können. Da die Provinz¬
bühne mit ihrem Massenlonsum hiezu keine Möglichkeit bietet,
muß man zufrieden sein, wenn der Abend halbwegs gelingt.
Echt vom Wienenspiele an bis zur kleinsten Gebärde war wieder
Frau Godeck in ihrer kleinen Rolle. Auch die Herren Hof¬
Gfazer Tagblaft, Graz
Abendblatt
2- 4. 1912
Thakter und Kunst.
(Schauspielhaus.) Artux Schnitzler „Der
einsame Weg“ (Erstaufführung am 30. Märs
1918). Viel „einsame Wege“ laufen in diesem
Schnitzlerschen Drama durcheinander. Menschen
kommen auf die Bühne, starren in Dämmerungen,
reden, irren aneinander vorbei, verlieren sich,
halbdunkle Worte sprechend, wieder in die Kulissen.
Viel ideenhaft Geistreiches und wenig wirksame
Handlung. Ob die Belebung dieses Schauspieles,
in dem Schnitzler ebenso deutlich wie wenig erfolg¬
reich um einen neuen Ausdrucksstil ringt, eie
künstlerische Notwendigkeit war? Jedenfaus
wurde nicht mehr daraus als fünf endlos lang¬
wierige und teilweise recht langweilige Aufzüge.
Der Aufführung fehlte vor allem, abgesehen von
Herrn Oldens trefflichem Sala, die örtliche
Wiener Note, ein Mangel, der sich besonders am
Julian Fichtner Herrn Hofbauers wie in der
Gestalt der Schauspielerin des Fräuleins
Schubert störend bemerkbar machte. Sehr gute
Leistungen dagegen boten Herr Großmann und
Frau Godeck als naturwahres Ehe= und Eltern¬
paar. Herr Andersen stellte (ähnlich wie schon
in „Leidenschaft") einen recht lebendig frischen,
jungen Reiteroffizier auf die Bühne. Das Haus
war ausverkauft, doch voll nur während des ersten
Teiles des Stückes. An diesem Mißerfolg dürften
auch die ungebührlich langen Pausen nicht unbe¬
trächtliche Schuld tragen. Dr. P. Hradil.
(Die Munne 7#. d#menn#. G#-n