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18. Der es
„ Dr. Max Goidschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BBRLIN N :
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus
Bayerische Staatszeitung, München
2 1. Juni 1927
1
Theater und Musik.
Kammerspiele im Schauspielhaus. „Der einsame Weg“
von Arthur Schnitzler gehört gewiß in seiner Art zu jenen
Dramen, die die verhaltenen Täue einer Dekadenzepoche=zusammen¬
fassen und ihre widerspruchsvollen Gestalten aufzucken lassen. Es
ist die Zeit von Hugo Wolf, Gustav Mahler und Gustav Klimt
in Wien. Und Arthur Schnitzker setzt den damals noch immer
herrschenden Strömungen des dramatischen Re#lismus sein eigenes
Schaffen entgegen, das sich bei aller geistigen Unerbittlichkeit doch mit
dem leisen Hauch von Po und Nystit wie mit zarten Schleiern
mnhüllt. So werden seine Gestalten von einem eigenartigen Lichte
umstrahlt, das weniger aus ihren Handlunoen als aus den messer¬
scharsen Worten hervorzubrechen scheint, die das Geschehen be¬
gleiten. Eine solche Aura des Geistes umgibt auch diesen Herrn
v. Sala, den Albert Bassermann zu seinen liebsten Rollen zählt.
Er spielt ihn freilich als die Hauptfigur, als den Helden, der er
ebensowenig ist wie Shylock im Kaufmann von Venedig. Freilich
kann ein Künstler von der Schärse Bassermanns sehr leicht dazu
verleitet werden, eine Gestalt zum Protegonisten des Dramas
umzuschalten, wenn sie wie Sala den eigentlichen Inhalt des
Spiels auszusprechen hat: die unsterbliche Selbstsucht, die uns arme
Menscheickinder durch das ganze Leben führt, aufrechterhält und
bis in den Tod begleitet auf unserem „einsamen Weg“. Schopen¬
hauer und Nietzsche schweben über diesem Teich, in dem Johanna
in dieser Erkenntnis ewigen Fernseins der Menschen auch in der
Liebe den Tod suicht. Aber Schnitzler läßt das Stück nicht in dieser
hoffnungslosen Tonart ausklingen. Er stellt den Menschen des
„Einsamen Weges“ in einer einzigen Figur eine neue gesündere
Generation entgegen, die wohl „weniger Geist“ aber den bewußten
Willen hat, den rechten Pfad einzuschlagen. Felix, der seinen
wahren Vater von sich weist, weil er nichts anderes geten hat, als
ihn in die Welt zu setzen durch eine große zerstörende Lüge wendet
sich dem Manne zu, der nur als sein Vater gegolten, ihm aber
doch alle Liebe und alle Güte zugewendet hat. In diesem Sinne
ist auch das Wort erflossen, das Sala auszusprechen hat wie in
selbstanklagender Ironie Liebe ist, für einen Menschen auf der
Welt sein“. Dieses eine Motiv, das aus aller Zwiespältigkeit des
Werkes zur Lösung führt, hat die Aufführung im Schauspielhaus
nicht stark genug herausgeholt. Es lag daran, daß eine der wich¬
tigsten Figuren des Spiels, Irene Herms, von Else Basser¬
mann, nicht richtig angelegt wurde, da gehört eine Feinheit und
eine spielende Grazie dazu, die durch Chargierung nicht ersetzt
werden kann. Julian Fichtner, die eigentliche Hauptfigur, wurde
von Otto Stoeckel wohl etwas zu schwer, aber sonst in gutem
Stil dargestellt, die Szenen mit Sala und Felix waren sehr schön
gesteigert! Lina Carstens, Epp, Kurt Lieck, Ferdinand
Martini bemühten sich, den übrigen Gestalten Leben und Farbe
zu geben, vermochten aber den Mangel an innerem Tempo nicht
völlig zu beheben, den der Regisseur des Abends, Otto Stoeckel,
unbedingt korrigieren müßte. Das Publikum hat erst nach dem
zweiten Akt Fühlung zu der fubtilen Dichtung gewonnen, deren
dramatische Kraft sie vor dem Verwelken und Veralten bewahrt.
Am Schlusse wurden die Mitwirkenden und vor allem Alber##
Bassermann immer wieder stürmisch hervorgerufen. L½.