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18. Der ejnsane deg
München-Augsburger Abendzeitung
9 9 Juni 1927
nichts ahnenden Gatten, der nicht der Vater ihres sie wissen mit dem Herrn von Sala des
Arthur Schnitzler:
Sohnes ist, einer frühen Auflösung entgegensiecht; samen Wegs“, daß „Stunden wie diese ver
Felir, der Sohn zwischen zwei Vätern; die Toch= zu Worten, die am nächsten Tage nicht mehr
„dereinsane wbeg¬
ter Johanna, die an der abgeschmackten Wirklich= sind“; aber sie leben von diesen Stunden fü
Erstaufführung im Schauspielhause
keit des Lebens zerbricht und in den Tod aeht, Stunden, und immer wieder geben sie
weil der Dichter, den sie liebt, sterben muß; der Rausch der Stunden hin mit Helene von ##
Die Melodie des Schlafliedes für Mirjam war
Dichter Stephan von Sala, dem Veranlagung, die den „Jungen Medardus“ liebte:
im weiland jungen Wien sehr beliebt. Mit Ri¬
Erfahrung und ein krankes Herz die Fähigkeit, Stunde, losgelöste, einsame in der Zeit
chard Beer=Hofmann, der die Klage um das
am Leben teilzunehmen, zerstört haben, und der bist mein!“ Wenn der Rausch verweht, der 1
ewige Einsamsein im Refrain ienes Liedes
das schon geöffnete Tor ins Nichtmehrsein frei= verblüht ist, bleibt Erinnerung, das einzig
zu lyrischer Vollkommenheit präzisierte
willig durchschreitet; der Maler Julian Fichtner, liche. Man kann an der Erinnerung
„Blinde, so gehn wir und gehen allein; keiner
der die Geliebte einst verließ, sein Leben ver¬
man kann auch mit ihr weiterleben, alles
kann keinem Gefährte hier sein“ —, im Verein
zettelte und vom Sohn, da er sich ihm zu erken¬
vergleichen, alles schal finden, um freiwill
mit dem Dichter des Grafen von Charolais haben
nen gibt, verlassen wird; die Schauspielerin
Ende zu machen; denn sie wissen, die Ein
Hugo von Hofmannsthal und Arthur Schnitzler
Irene Herms, die dem Künstler gleichfalls Ge¬
mit dem Geliebten Beatricens, daß nu
oft und gern die schwermütige Weise gesungen,
liebte war und die nicht Mutter werden durfte
Werk“ das große Werk, zu dem sie nicht un
und nicht einmal Hermann Bahr und Peter
um ihres Berufes willen; der Arzt, der die Toch¬
mehr fähig sind, vom Fluch der ewigen
Altenberg, die Temperamente eines erlauchten
gänglichkeit zu erlösen vermag. Der einsan
Kreises, sind völlig taub gewesen für die füße ter liebt und aller Schicksal sich vollenden sieht,
führt in den Tod, so oder so: „Gibt es ein
Trauer des Liedes. Schnitzler, Arzt und zwei= ohne helfen zu können; — sie alle gehen ihren
einsamen Weg. Sie wissen um ihre und der an¬
ständigen Menschen, der in irgendeiner
fellos der an Geist Reichste unter den Ge¬
Stunde in tiefster Seele an etwas anderes
deren Einsamkeit, und dieses Wissen gibt ihnen
nannten, die mit einigen Geringeren eine
Denen, „die über den Höhen des Lebens
Abstand zu den Dingen, zu den Menschen und
„Schule" bildeten, hat die Psychologie des Ein¬
ist der Weg vorgezeichnet: dazumal, als S
zu sich selbst und schenkt die große, alles ver¬
samkeitsgefühls dichterisch niedergelegt. Keines
für die Einsamen das Wort ergriff, wie
stehende Duldsamkeit und die große, alles durch¬
seiner Werke, die jüngsten einbegriffen, entbehrt
wie stets. Wer das Schimmern seiner
schauende Resignation. Sie sind dem Leben nur
eines Nachhalls jener Melodie: einigen ist sie
Seele in den Vorgängen des Schnitzler=T
durch ihre Vergangenheit, ihre Jugend verbun¬
Thema oder einziger Inhalt. Zu vollerem Tö¬
erkennt, läßt sich noch immer gern von
den, und die Jungen, die keine Vergangenheit
nen verbunden mit einer anderen, verwandten
sanften Hand den stillen Weg durch das
haben, träumen von dem Leben, das sie vor Zei¬
Melodie — der von der Fülle des Daseins, dem
Land führen. Die Zeit=Stimmung freili
ten in fernem Land und in anderer Gestalt ge¬
Grauen vor dem Tode und dem Wissen um
der die weiland jungen Wiener das Sch
lebt haben. Sie hungern nach Leben, die Ein¬
aller menschlichen Dinge Vergänglichkeit —, ist sie
für Mirjam sangen, ist längst historisch gen
samen, nach Gegenwart, und diese Gegenwart
Thema der dekorativ fesselnden Renaissance=Tra¬
Eine andere Generation führt das Wort, #
kann ihnen nichts sein, weil die an den Augenblick
gödie „Der Schleier der Beatrice“ und dem hohl= gebundene Gegenwart in der nächsten Minute
Schnitzler am Ende dieses Schauspiels
pathetisch=wirren Schauspiel „Der Ruf des Le¬
daß sie durch „mehr Haltung und weniger
schon Gegenwart gewesen, Vergangenheit ist.
bens“; Inhalt (und nur leise begleitet von dieser
ausgezeichnet sein würde. Solche Hoffnu
So bleiben ihnen in einem Lebensspiel, in dem
zweiten) ist die Melodie der ewigen Einsamkeit
Vergangenheit und Gegenwart ineinanderfließen, allerdings getrogen; die neue Generatio
in dem Schauspiel „Der einsame Weg“, das
alles undeutlich wird und die Hoffnung auf eine ihren gewißlich nicht einsamen Weg ohne ##
zwischen jenen beiden Dramen entstand. In ihm
und ohne Geist.
Zukunft lächerlich und ekelhaft erscheint, so blei¬
sind Werden, Sein, Vergehen der ewig Einsamen
Von der Erstaufführung, die de
ben ihnen, den allzu fein Empfindenden, nur jene
mit unerbittlicher Logik dargetan.
undzwanzig Jahre alten Schauspiel am
seltenen und kurzen Stunden, die vom Eros
Der Kunstprofessor Wegrath, dem Frau, Sohn
tag im Schauspielhause zuteil wurde, läßt
übergoldet und gefüllt, allein ein Dasein erträg¬
und Tochter fremd bleiben bis an ein Ende, über
lich werden lassen. Von diesen einsamen Stun¬
von einer angenehmen Ueberraschung
dem ein grausames „Zu spät“ steht; seine Frau,
den leben die Schnitzler=Menschen (und die
Abermals wurde verzichtet auf die Beka
die als Verlobte sich einem anderen, Geliebten Schnitzler=Werke); die Einsamen wissen mit dem einer Regie, die in jedem Fall durch d
gab und, von ihm verlassen, an der Seite des Fritz der „Liebeleik, daß „diese Stunden lügen“; ßen Gast bestimmt sein würdes nun, läßt