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nSam
18. Der einaane Neg
Münchener Posi
30. Juni 192
Tbeater- und Kunstnachrichten.
bleiben und bloße Typen sich mit Schreibtisch=Voraussetzungen
ihres Lebens herumschlagen.
Schauspielhaus. Der einsame Weg. Schauspiel in vier
Auf der andern Seite der Handlung, bei dem immer formvollen
Akten vonArtur Schnitzler.
Aestheten Stephan von Sala und der immer unklaren, erst ex¬
Schnitzler hat nicht nur bühnengerechtere, er hat auch bessere
zentrisch stark geistigen und schließlich wie ein Schulmädchen ab¬
Stücke geschrieben. Das Material zu einer Erzählung scheint hier
geschmackten Johanna, ist es um nichts besser bestellt. Wohl fällt
sozusagen im letzten Augenblick in Szenen gefaßt und dialogi¬
da für Bassermann eine schöne Sprechrolle in eleganten
Kostümen englischen Stils ab, aber für das arme Fräulein
siert worden zu sein. Richt etwa dramatisiert, denn eine [Tiedemann bleibt gar nichts als ein düster=sentimentales Hin
eigentliche Handlung bringen diese kommenden und gehenden. un¬
ablässig aufeinander und indirekt auch auf uns einredenden Leute
und Her unklarer Gefühlsregungen. Sie ertränkt sich sogar einiger¬
nicht zustande. Die, gewiß sehr literarische, sehr gescheite und ge¬
maßen taktlos im Goldfischteich dieses halb imposanten, halb arm¬
seligen Geliebten
und so wird rund und nett der Nachweis
pflegte Schreibtischarbeit ist durch ihre moralisierende Lehrhaftig=erbracht, daß ältere chronisch leidende Herren nicht gut daran tun
keit vom Leben getrennt. Das Stück ist für die Ehe geschrieben,
wie andere Stücke gegen die Ehe. Das ist nett, aber Menschen,
junge Mädchen an sich zu binden, und daß der „einsame Weg“
des gealterten Julian Fichtner die sehr gerechte Strafe ist für die
die uns ihre Situation etwas weniger umständlich erklären, da= Abwege seiner jüngeren Jahre. Wäre diese tiefe Ethik nur nicht
für aber glaubhafter mach# wollten, wären uns lieber.
Wie schlimm es um herzlose alte Junggesellen steht, auch wenn
gar so selbstverständlich und gingen uns diese Menschen nur
menschlich irgend an!
sie ihr liebes Ich noch so hochgeistig drapieren, wie unerbittlich
ihnen das Leben die Rechnung präsentiert für ihre Genäschigkeit
Schnitzler verwechselte in diesem Stück Gesellschaftliches, das
an fremden Tischen und für ihr egozentrisch unsoziales Benehmen,
sich allenfalls derb zugreifendem Sarkasmus als williger Stoff!
das wird uns wohl mit vielen schönen Worten und mit dem
gefügt hätte, mit Menschlichem. Er erlag dem Irrtum, es müsse
Stimmungsapparat der naturalistischen Bühne
sich aus der sittlichen Fragwürdigkeit ganz unbeträchtlicher Er¬
herbstlichen
Birken und fröstelnd=schaurigem Nachtwindgestöhn — genugsam
scheinungen einer unbeträchtlichen Gesellschaftsschicht, nämlich dey
eingeprägt, nur prägen sich leider die einigermaßen ungewöhn¬
stark geistelnden Lebemannstums, ein schwermüstiges Heldengedicht
ergeben.
lichen Charaktere des Stückes nicht als wahr ein, sondern sie
bleiben gutgekleidete Redepuppen, am Schreibtisch erdacht zu dem
Die Aufführung entsprach dem typischen B##o dieser für Mün¬
an sich sehr ehrenwerten moralisirenden Endzweck.
chen typischen und mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks wieder¬
Man glaubt dem ins Problematische verbummelten Maler
kehrenden Gastspiele. Nach den Bassermanns werden wir dem¬
Julian Fichtner nicht einmal den Maler — Herr Stoeckel hätte
nächst wieder Steinrück begrüßen. Um die Virtuosenleistung, an
der das Publikum seinem mehr der Person als der Kunst gelten¬
mit der andauernd mürrisch verlegenen Figur auch einen mitt= den Anteil nimmt, fügt sich der bekannte schlichte Nahmen. Da=
leren Verwaltungsbeamten meinen können — wie soll man da bei hat man Kräfte und könnte auch Stücke finden, mit denen sich,
dem äußerst bequemen und kühl sebstischen Kuckuck auf einmal
die tragische Liebe zu dem Ei glauben, das er vor dreiundzwanzig
wie anderwärts so auch in München, neuzeitliches Theater,
Jahren in ein fremdes Nest gelegt? Auch der in den schönsten
Theater des Zusammenspiels, Theater der Kunst, anstatt der künst¬
Koloraturen rollende Schrei seiner späteren ältlichen Geliebten
lerischen Einzelpersonen, machen ließe.
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nach dem Kinde bleibt unwahres Theater, weil auch hier genau
wie in dem Verhältnis zwischen Vater und illegitimem Sohn,
die zwingenden Beziehungen der Charaktere zueinander unerhellt