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18. Der eins#e Nen
„Das weite Land“, Tragikomödie von Artur Schnitzler.
Erstaufführung.
„München-Hugsburger Abendzeitung“, 26. 4. 26.
„Die Seele ist ein Weites Land“ —
sagt jenarin dieser
Tragikomödie. Und das ist das einzige Mal im Verlauf der funf¬
langen Akte, wo man etwas von Seele merkt. Im übrigen steht
auf der Bühne die von Schnitzler mit geübter Hand hinschablonierte
österreichische Gesellschaft, nett, belanglos, ewig tennisspiélend,
unnötig vom Anfang bis zum Ende, behaftet mit jener süßen
Wurmstichigkeit, aus der sich die gewohnten Konflikte ergeben:
einer betrügt immer den anderen. Liebelei —
Ehelel.
Zum Schluß wird einer erschossen, das ist nämlich das Tra¬
gische. Zwischenhinein bemüht sich Schnitzler, in dem Fabrikanten
Friedrich Hofreiter einen Gewalt- und Höhenmenschen zu ge¬
stalten, der mit einer schon häufig dagewesenen Rücksichtslosigkeit
über Leichen geht; in diesem Bemühen hat man wahrscheinlich
das Komische zu erblicken. Also rechtfertigt sich die Bezeichnung
„Tragikomödie“ für diese fortwährend durch Eheirrungen unter¬
brochene Tennispartie. Ja, ja
die Seele ist ein weites Land!
Die Aufführung im Schauspielhaus war mindestens ebense be¬
langlos, sofern man überhaupt etwas verstand; denn es scheint
dort augenblicklich als besonders fein zu gelten, so leise zu
sprechen, daß man jenseits der 8. Reihe nichts mehr hört; Fräu¬
lein Anton, vermutlich eine begabte Schauspielerin, treibt diese
sonderbare Finesse bis zur Unart. Neben ihr stand Forster Lar¬
rinaga, verantwortlich für dié Spielleitung und für den Tod
des kleinen Fähnrichs, den er, als Darsteller des obengenannten
Gewaltmenschen, nicht ganz glaublicherweise durch einen Pistolen¬
schuß verursacht hat. Diese Besetzung der Hauptrolle war ein
Mißgriff. Wahrscheinlich hätte Otto Framer, der, als einzige
wirklich lebendige und kräftige Gestalt, zu einer Episode verur¬
teilt war, an Forsters Stelle dem ganzen Abend eine andere Note
gegeben. Bleiben zu nennen Gertrud de Lalsky, Marie Ferron
Kurt Katsch, Ewis Borkmann, Emil Heß und Ferdinand
Classen: Die Teilnahme der Zuschauer blieb ebenso mäßig.
H. W. G.
nberg
Stadttheater
von Gerhart Hauptmann.