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17.2. Der tapfere #assian box 227
i eigentliche Gebiet der Operette, die Satire und den Spaß
Zwischen diesen Werken nimmt der Tapfere
gewährten. Die Bedingungen waren gegeben. Ein Vor¬
Kassian eine merkwürdige Stellung ein. Daß Straus
gang, der in seinen Grundzügen eine Satire auf die Liebes¬
mit ihm etwas Besonderes geben wollte, daß er keine Ge¬
beziehungen verschiedener Menschen zueinander ist und
schäftsoperette, sondern eine Art Kunstwerk damit be¬
durch Übertreibung in der Herausarbeitung der Charaktere
absichtigte, ist unverkennbar. Es sollte wohl ein Stück für
einen grotesken Einschlag erhält, der das Typische gewisser
ein sogenanntes intimes Theater werden. Im Orchester
Liebesbeziehungen in stark vergröbertem Bilde zeigt, und
spielt das Klavier die Hauptrolle. Dazu kommen Streich¬
wobei wir als Zuschauer nie das Gefühl dafür verlieren
instrumente und Holzbläser und hier und da, aber ganz
dürfen, daß alles nur ein Spiel, daß all die Tragik nur
spärlich, Horn, Trompete und Panke. Die Musik hat das
Schein ist. Wir haben im vorigen Jahre in der Literarischen
Bestreben, tonmalend die Vorgänge auf der Bühne zu
Gesellschaft den Tapferen Kassian als Puppenspiel in dem
unterstützen. Das Orchester beschränkt sich nicht auf die
Gastspiel des Münchner Marionettentheaters gesehen. Mit
Begleitung der Gesänge, sondern untermalt auch melo¬
Puppen, die in der Übertreibung typischer Züge den gro¬
dramatisch die gesprochenen Stellen. Das alles ist zu loben.
tesken Charakter des sonderbaren Liebeshandels hell ins
Denn es zeigt den Willen nach neuen Zielen. Leider aber
Licht rückten. Es heißt, daß die Komödie, die zuerst in den
ist das, was wir in all dieser Musik zu hören bekommen,
Kammerspielen Reinhardts in Berlin gegeben wurde, ur¬
wenig erfreulich. Nirgend, aber auch nirgend hat sich
sprünglich als Puppenspiel gedacht war. Jetzt ist sie in das
Straus zu musikalischen Einfällen aufschwingen können, die
dritte Stal ium ihres Daseins getreten. Und von dem künst¬
dem oben geschilderten satirisch=grotesken Wesen des Scherz¬
lerischen Reiz und der ästhetischen Lust ist nichts mehr ge¬
spiels einigermaßen nahekämen. Seine Musik könnte ohne
blieben. Als Singspiel ist sie jetzt bezeichnet. Leider ganz
daß man sie zu ändern brauchte im Vorspiel zum Trom¬
richtig. Es ist schade darum. Ein guter künstlerischer
peter von Säktingen stehen. Sie zeigt die gleichen Züge
Operettenvorwurf ist durch Nichtverstehen oder Nichtkönnen
unvornehmer Lyrik, für die man fälschlich den Ausdruck
eines Komponisten ungenützt geblieben.
volkstümlich erfunden und die Neßlers Oper den Lieb¬
Auf Oskar Straus hatten alle, denen die Opereite nicht lingsplatz im Herzen weiter Volksschichten erobert hat. Und
Unterhaltung für zweieinhalb Stunden Theaterbesuch ist,
dabei hätte es so nahe gelegen, wirklich etwas Charakte¬
sondern die sie als Teil unserer allgemeinen künstlerischen
ristisches und Lustiges zu schreiben. Die Figur des Titel¬
Kultur ansehen, große Hoffnungen gesetzt. Diese gingen vom
belden, eines bramarbasierenden, vollblütigen Kerls,
einstmaligen Überbrettl aus. Da hatte Oskar Straus eine
fordert sogar dazu auf. Nicht minder das ein klein wenig
neue Kunst geschaffen. Graziös tänzelnde Musik voll
altjüngferliche Wesen des Mägdeleins, das von ihrem
liebenswürdiger melodischer Erfindung, hübschen ab¬
Studenten mit Eile abrückt. als der Kriegsheld auf der
wechslungsreichen Harmonisierungen und bezeichnenden
Bühne erscheint. Und gar per Student selbst, der sich die
charakteristischen Einfällen. Seine erste Operette nach der
bescheidene Geliebte nur deshalb genommen hat, um bei
Überbrettl=Tätigkeit gab den Hoffnungen neue Nahrung.
dem beabsichtigten Liebeswerben um eine berühmte Tän¬
Zum ersten Male seit dem Mikado waren wieder paro¬
zerin nicht ohne Erfahrung dazi siehen. Im Puppenspiel,
distische Töne in der Operette angeschlagen. Lust und Laune
wo alles typisch vergrößert war, konnte das ästhetische Be¬
steckten darin. Leider ging das Publikum nicht mit. Der
hagen an diesem Scherzspiel mit ernstem Ausgang unver¬
Abstand zwischen der gewohnten Operettenkost und der
mindert bleiben, bei Straus empfand man hiervon gar
immerhin ein geistiges Mitarbeiten ersordernden Parodie¬
nichts. Rüchtern war's. Eine lyrische Oper mit schwachen
kunst war zu groß. Noch einmal hat Straus es versucht., musikalischen Einfällen. Auch Darstellung und Regie waren
Hugdietrichs Brautfahrt (1907 im Residenztheater gegeben) nicht gut beraten. Weder Sänger noch Regisseur hatten
aber zeigte einen Rückgang an musikalischer Schlagkraft.die Groteske in dem Vorgang erfaßt. So spielt man Frei¬
Zum großen Teil durch die Schuld des Textbuches, das schütz, aber nicht Schnitzler. Der Student war Max, seine
mehr episch=satirisch als dramatisch=parodistisch war. Dann
Geliebte Agathe, der tapfere Kassian Kaspar. Es war auf¬
ergab sich Straus der durch die Lustige Witwe zur höchsten
fällig.
Blüté geförderten Walzer=Erotik. Finanziell mag es sich
Der dritte Einakter des Abends, Colombine —er
für ihn gelohnt haben. Aber musikalisch ist sein Walzer¬
war zu Anfang gestellt — gehört der Zeit an, als das Über¬
traum ein Rückschritt gewesen. Es scheint überhaupt, daß! brettl noch lebte. Man hört es auf Schritt und Tritt aus
sein Talent mit den Lustigen Nibelungen die Höhe erreicht
der Musik. Französischer Ballettmusik abgelauschte Eleganz
hatte. Auch der Tapfere Soldat (1908 im Zentraltheater)
mit sentimentalem deutschen Einschlag bilden ihre Bestand¬
zeigte diesen Rückschritt. Das Bestreben, mit der Musik
teile. Auch der Text, eine in Bajazzogewand gesteckte Ehe¬
parodistische Wirkungen zu bringen, war unverkennbar.
geschichte von Pserhoser mit lächerlich=grausigem Ausgang
Leider blieb es beim Bestreben. Die Kraft, es in die Tat
1— der Tod erscheint selbst und führt mit der Sense den
umzusetzen, war dahin. Nun hat sich Straus der Operetten¬
Streich — weist auf jene Zeit hin. Das Werk ist als Oper
chreiberei ergeben, die nicht ein künstlerisches Muß, sondern
bezeichnet und auch öfter (zuerst 1904 in Berlin) gegeben
ine Beschäftigung ist. Die Früchte dieser Tätigkeit sind
worden.
Eugen Thari.
e vor einigen Tagen in Wien zum ersten Male gegebene
——
idi und der jetzt in Leipzig zur Uraufführung gekommene
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nakter Venus im Grünen (Text von Rudolf
thar). Didi muß nach allen Berichten darüber eine
limme Sache sein; sie wird fast nur eine seichte Walzer¬
rette genannt. Venus im Grünen, von der ich mich jetzt
ist habe überzeugen können, unterscheidet sich in nichts
der Dutzendware, mit der wir seit Jahren von Wien
beglückt werden. Langsame Walzerlieder in der be¬
iten Schleifmanier mit Summrefrain bilden den Haupt¬
ndteil der Musik.