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Länzenm. Er nimmt sie zu sich ins Hals, im. wie
ein zweites Liebesleben an der Seite der innigst Geliebten, die er
so früh verloren, zu führen. Aber seltsames Spiel der Natur:
Die Geliebte gleicht wohl äußerlich der Seligen vollkommen, aber
ihre Seele ist grundverschieden von der der Betrauerten. Sie ist
eine Dirne, die mit seiner Trauer ein leichtfertiges Spiel treibt,
die sich cynisch an den Reliquien vergreift, die der Erinnerung
an die Verstorbene geweiht sind, und da sie in ihrem frirolen!
Ueberth so weit geht, die Haare der Verstorbenen sich um
den Hals zu legen, bricht der Wahnsinn in ihm aus und er er¬
drosselt mit den Haaren das sündige Weib.
Das Publicum hielt sich, wie der Held des Stückes, an
die Aeußerlichkeiten, wollte nicht in die Tiefe der Seele dringen
und lachte bei den ernstesten Scenen. Selbst die glänzende Dar¬
stellung Oskar Sauer's, der als trauernder Gatte eine feine
Scelenanalyse bot, und die realistische Leistung Irene Triesch',
die die frivole Tänzerin spielte, vermochten an dem Schicksal des
Stückes nichts zu ändern.
Viel höher steht Schnitzler's dramatisch anspruchslose, dem
Inhalt nach nicht werthlose Studie „Der Puppenspieler“. Sie
spiegelt den Grundgedanken: Was gibt's denn im Leben Fest¬
stehendes? Ist nicht Alles trügerisch, unter dem Blick zer¬
rinnend? Ein Sonderling, halb Ulrik Brendel, halb Narciß,
lebt von der Illusion, Dinge und Menschen nach seinem Willen
lenken zu können. E# ist eine Illusion: er glaubt zu schieben und
er wird geschoben. Das klärt sich auf. Mehr geht nicht vor.
Aber das Wenige in einer feinen, geistvollen Diction und mit
Blicken in die Vergangenheit und Zukunft. Ueber die außer¬
ordentlich geistvolle Art, in der Bassermann die Hauptrolle spielte,
habe ich bereits telegraphisch berichtet.
Die französischen Schwankautoren sind genügsame Leute.
Seit Jahrzehnten leben sie von Bruchtheilen der Ehe und we den
dabei steinreiche Leute, denn der liebe Publicus freut sich un¬
händig wenn er von seinem Parketsitz aus beobachten kann, wie
dem blitzdummen Kerl da oben auf der Bühne von seiner herzigen
Gattin Hörner aufgesetzt werden, und er freut sich nicht minder,
wenn er spielend zu lernen vermag, wie man es anstellt, um
seine Frau auf anständige Weise betrügen zu können. So kommt
es denn, daß Jahre hindurch dasselbe Stück gespielt wird,
das eigentlich nur den Namen ändert, und man ist schon zu¬
frieden, wenn es den Autoren gelungen ist, irgend einen Trie
beileibe nicht zu erfinden, sondern zu wenden, daß er wie neu aus¬
sieht. Alexander Bisson ist diesmal ganz im alten Geleise geblieben,
und wenn etwas in seinem neuesten Schwank „Das beste Mittel“
neuartig wirkt, so ist es der Umstand, daß eigentlich nicht der
kleinste Ehebruch vor sich geht, daß er also nur mit dem Thema
spielt. Freilich ist das Spiel ebensowenig gefällig, als es neu
ist. Damit sei nicht gesagt, daß nicht viel gelacht wurde, allein
die Mittel, mit denen Bisson diesmal die Heiterkeit erzwang, sind
nicht immer die besten. So muß der komische Held des Stückes
unbewußt ein durchschlagendes Purgirmittel trinken, um einen
Actschluß zu retten. Daß Richard Alexander mit solchem Trank
im Leibe auch den hartleibigsten Zuhörer zu Heiterkeitsausbrüchen
reizen muß, ist eigentlich so selbstverständlich, daß es kaum er¬
wähnt zu werden braucht.
In den drei Acten Bisson's dreht es sich um das beste
Mittel, das einem Ehemann zur Verfügung steht, um seine Frau
vor einer Eheirrung zu behüten. Alexander — diesmal heißt er
Dutacg — glaubt in der Eifersucht das beste Mittel gefunden zu
haben, um die reizvolle Reisenhofer zu behüten, während
er heißt Jules Derosiers
sein Freund Willy Peters
durch blindes
st seines Zeichens Schriftsteller
und
sogar
Vertrauen seine jugendliche Gattin, der
den Courmacher zuführt, an sich zu fesseln versucht. Alexander
gelangt schließlich zur Erkenntniß, daß die ältesten Mittel auch
die besten sind, und er macht seine Frau, die, um ihn von seiner
Eifersucht zu curiren, mit dem Feuer spielt, selbst eifersüchtig,
indem er im letzten Act Rita Leon, die selbstverständlich Variété¬
tänzerin ist, als seine Nichte ins Haus führt.
Dies die Haupthandlung. Daneben gibt es allerdings eine
Reihe theils erheiternder, theils ermüdender Nebenhaudlungen; zu¬
weilen gibt es bedenkliche Stockungen, doch immer wieder weiß
Bisson, und wo dieser erlahmt, sein witziger Mithelfer Jacobson
Alles ins rechte Geleise zu bringen. Im Ganzen hieß der Erfolg:
Alexander. Ob er nun den Eifersüchtigen spielt oder wie im letzten
Act den Schwerenöther: es genügt, daß er auf der Bühne ist, um
alle Lachgeister zu entfesseln. Neben ihm hielten sich Frau Reisen¬
hofer, die sowohl durch ihren Charme als auch durch ihre chiken
Toiletten entzückte, sowie Rita Leon als Variététänzerin im
Vordergrunde des von Regisseur Peters gut gedrillten Ensembles.
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