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17.1. Der Puppenspieler
Ausschnitt au
montags-ereo. Wien
206
vom:
5. 10

*
(Thezater an der Wien.) Das Gastspiel des
Lessingthaters unter Peitusiggvon Direktor Brahm hatte zu
Schutzpattonen zwei Wiener! Schnitzler und Grillparzer.
Denn Hauptmanns „Elga“ist nichts anderes, als die in
eine Reihe dramatischer Bilder zerlegte Novelle Grillparzer¬
vom Kloster Sendomir, Bilder wie sie einem im unheim¬
lichen Turmgemache des Klosters übernachtenden Ritter in
weinschwerem Traum erscheinen. Es ist die Geschichte vom
volnischen Grafen, den sein Weib mit ihrem Jugendfreunde
betrügt und der nun die ihm angetane Schmach durch die
Ermordung des Buhlers rächt. Das Werk trägt noch jetzt
die Eierschalen seiner novellistischen Urform. Die ganze drama¬
tische Notwendigkeit liegt schon in der Abfolge der Erzählung
selbst. Mit psychischen Finessen hat sich der Dichter nicht
allzu sehr beschwert und die Aenderungen der Tetails kommen
kaum in Betracht. Bei Grillparzer hat das in Buhlschaft
gezeugte Kind dunkle Augen und lichtes Haar, bei Haupt¬
mann ist es umgekehrt. Die überlangen Pausen der Hand¬
lung sind hinter der Szene durch Musik einer nächtlichen
Totenmesse gefüllt. Die Arbeit ist in schnellem Wurfe schon
1896 gemacht, aber erst im vorigen Jahre zum Druck gebracht.
Sie ist nicht viel mehr als ein wertvoller Beitrag zum
Kapitel „gemoppte Litteratur.“ Rudolf Rittner als
Graf Starschenski bewährte, besonders im vorletzten Bilde,
seine große Kunst, Irene Triesch (Elga) fesselt durch den
Blick, in dem sie alle Leidenschaften und alle Lüste spiegelt
und durch die echt dramatische Färbung des tiefen Organs,
sie spielt auch entschieden besser als sie singt. Zu nennen ist
noch Herr Reicher als Verwalter Timoska. In allgemeinen
war der Ton des Stückes für das kleine Haus viel zu stark.
Dem Drama war Schnitzle
s „Puppenspieler“
als Premiere vorangegangen. Der
r nennt dieses von
drei Personen gesprochene Feuiliete
100
rscheinlich ein
Erlebnis zugrunde liegt, eine S
tud
Der
Philosoph und
Uebermensch Georg Merkli¬
hlchternheit
seines Eduard durch die liebens
erie eines Mäd¬
chens heilen, das er beredet hat. Die W
der beiden Genossen
hatten sich seitdem getrennt. Nach zehn Jahren findet nun
Georg den Freund in glücklicher, von einem Kinde gesegneter
Ehe mit demselben Mädchen, das er ihm einst in spielender
Laune zugeschanzt. Dabei ist der Arrangeur des Spiels
selbst, von den Weibern genasführt, auf der Bahn des Lebens
entgleist. Das ist das „Puppenspiel“. Bassermann
(Georg Merklin) ist, nach dieser Probe zu urteilen, ein be¬
deutender Schauspieler, voll von charakteristischer Kraft, voll
Natürlichkeit und Diskretion. Seinetwegen allein ist das kleine
Stück wohl sehenswert. Die Zuschauer folgten dem Spiel mit
Interesse und-zeichneten die Darsteller, jedoch nur diese, durch
Beifall-aus.
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130N2
#nicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
Endon, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Fetersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
vom: 10 S, zelßteressantes Blatt, Wien
Castspiel der Berliner. Direktor Brahm
vom Berliner Lessing=Theater führte sein Ensemble ins
Theater an der Wien, wo der „Lustigen Witwe“ gekündigt
wurde, weil man die Bühne für ernste Herren braucht.s
Man gab den „Puppenspieler“ —von Schnitzler unde.
„Elga“ von Gerhard Hauptmann. Der Puppenspieler;
ist ein dramatisches Kabinettstück, echter Wiener Geschmack;
und eingeborene Lebensphilosophie, die den Schmerz mit¬
wehmütigem Lächeln darstellt. Wie ein Mensch mit hoch¬;
fliegenden Träumen, großer Klugheit für andere und unzu¬
reichender Kraft für sich sein eigenes Glück nicht sinden;
kann, aber ruhmredig und stolz seinen Schmerz verbirgt,
ist mit Meisterschaft durchgeführt. Herr Bassermann
wurde der Hauptrolle gerecht. „Elga“ ist die Dramati¬
sierung der gleichnamigen Grillparzerschen Novelle, dieser
Ritterballade vom verbuhlten Bettlerkind, das den Grafen
betrügt, der sie aus dem Elend zu sich erhoben hat und
bereit ist, das Kind ihrer Sünde zu töten, wenn man nur
sie leben läßt. In der Novelle ist das Weib eine Dirne,
Hauptmann erhöht sie zu einer Heldin der Liebe, die an¬
gesichts des Todes ihrem Gatten Verachtung ins Gesicht
schleudert. Außerdem ist sie mit den pathologischen Zügen
eines Überweibchens ausgestattet. Für die Form hat Haupt¬
mann den Traum gewählt, indem einem Ritter am Schau¬
platz der Tat die Geschehnisse erscheinen. Die Regie hat
alles darauf angelegt, um Hänschen das Gruseln zu lehren.
Herr Rittner, Herr Reicher sowie Frau Irene Triesch
haben den vorauseilenden Ruf ihres großen Könnens bei
dieser Gelegenheit bestätigt.
Auf die Darstellung von „Rosmersholm“ hatte
man gespannt gewartet, denn in der Kunstwelt Deutschlands
hatte man diese Leistung sehr hoch eingeschätzt. Es ist richtig,
daß eine harmonische, tief durchdachte Aufführung geboten
wurde, die Ibsen in vielen Stücken gerecht wurde und
welche die Tiefen des Werkes höher aus Licht hob. Tief
durchdacht, aber nicht mehr. Verstand und technisches Können
der Berliner ist enorm, sie analysieren haarscharf die
Stimmung und berechnen die Wirkung mit meisterhafter
Sicherheit. Aber norddeutsche Kühle scheucht die tiefe, warme
Stimmung fort, der Grundton des Eindruckes ist mit jenem
verwandt, welchen ein scharfsinniger Mathematiker bei der
glatten Ansösung eines schweren Beispieles auf uns übt. Herr
Reicher als Johannes Rosmer, Herr Marr als Kroll und
Frau Triesch verfolgten ihr Ziel mit verständiger Energie.
Die Szene von Hysterie beim Geständnis ist eine Störung.
Packend wirkte der letzte Aufzug.