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16. 1. Lebendige stunden Zyklus
Einakterreihe genannt und diese Aufschrift wiederholt nicht, wie in dem jungen Menschen aus dem Tode nun und Erfolg sich gegen ihn überhoben, durch furchtbare
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der erste noch einmal als Titel.
das neue Leben keimt. Ein großes inneres Geschehen
Wahrheit stürzen Als aber der Erfolgsmann etwas
Aussc
Geistreich nachdenkliches Spiel prägte diesen Be¬
ist mit Gleichgültigkeit behandelt und konnte nichts
dümmlich und verlegen an seinem Betie steht, vergeht
griff, ein Paradoxon ist er eigentlich, denn Schnitzler
weiter erwecken, als Gleichgültigkeit.
ihm die Lust. Das Bewußtsein des Todes giebt ihm
N
meint mit den lebendigen Stunden die letzten Stunden,
Das zweite Stück „Die Frau mit dem Dolch“
eine Ueberlegenheit, daß ihm der andere ganz klein
die Stunden vor dem Sterben. Vom Tode handelt er
giebt auch nicht viel. Es ist psychologisch, in der
und fern erscheint, kein Gegner an den er nur ein
Persona
hier, seinem alten Lieblingsthema, das schon in jener
Problemstellung, noch viel anspruchsvoller und zieht
Wort verschwenden möchte. Das lohnt ihm nicht mehr:
frühen Novelle „Sterben“ ihn quälerisch beschäftigte.
sich, statt in Seelen lesen zu lassen, mit dekorativen
„Was hat unsereiner mit den Lenten zu schaffen, die
e
Das Geheimnisvolle jener Stunden, in denen sich das
Effekten aus der Affäre.
morgen noch auf der Welt sein werden". Auch dieser
Leben noch einmal zusammendrängt, in denen das
Die Irrgänge weiblicher Gefühle sind hier das
Lebensbankerotteur, der verpfuschte Künstler, hat im
Leben durch den Verlust erst seine höchste Bedeutung
Thema: Das spitzfindige Problem, daß eine Frau den,
Sterben seine „lebendigste Stunde“.
gewinnt, hat ihn gelockt. Doch nicht als Thilosoph
den sie liebt, wie einen Ungeliebten betrügt, taucht
Ein ächtes Satyrspiel ist dann die letzte Nummer
ris, Ron
sondern als Künstler sah er das an. Und er er¬
hier auf und läßt an Schnitzlers „Schleier der Beatrice“
des Quartetts, die Farce „Litteratur“. Die Idee,
kannte, daß aus den Todesstunden der Menschen den
denken, in den auch, ohne jeden hellseherischen Moment,
daß dem nahren Künstler Leben und Sterben immer
Schaffenden die lebendigen Stunden erwachsen, daß
einfach nur das Rätsel=Widerspruchsvolle verborgener
aus der engpersönlichen Erfahrung zu einem Objekte
das Schauen eines Schicksals die stärkste Erregung
Triebe an einem erlesen=extremen Fall abgebildet
künstlerischen Anschauens und zu einem Schaffensreiz
Girie
künstlerischen Triebes ist. Wer einen Menschen, den
wird.
auswächst, wird in der Karrikatur gezeigt. Kaffeehaus¬
er liebt, sterben sieht, der fühlt tiefer und gesteigerter,
Dekorativ und nicht psychologisch ist die Behand¬
Existenzen, hohle Scheingeschöpfe, die mit dem Bleistift
und tiefer auch kehrt er in sich selbst. Er verliert
lung in dem Einakter. Er spielt vor einem altfloren¬
und dem Block in der Hand „erleben“, die nur durch
äußerlich, aber innerlich wird er bereicherter. Und ist
tiner Bild in der Galerie, das die Frau mit dem
das Medium ihrer Lektüre empfinden und aus dem
er ein Künstler, so kann sich ihm aus Schmerz und
Dolch heißt. Ein junger Mann und eine Frau stehen
Nacherleben eines Buches wieder ein neues machen,
Verlust wirklich ein neues Leben ringen, und das
davor. Er fleht um ihre Liebe und sie giebt ihm, be¬
stellt Schnitzler mit Witz, Sicherheit und schlagender
künstlerische Abbild dieses Erlebens, von allem Zu¬
vor er sie besessen, den Abschied. Während sie sprechen,
Situationswirkung hin und er pointirt dabei schlag¬
fälligen gereinigt und in seiner ganzen Intensität er¬
versinkt sie aber in Träumerei. Sie findet sich dem
fertig, wie ein französischer Schwankkomponist.
faßt, ist dann wie die Spiegelung eines höheren
Bilde jener gemalten Frauähnlich. Die Szene wandelt
Und sehr nachdenklich ist, daß bei diesem von ihm
Seins, und das Alltagsleben dagegen nur ein Schein¬
sich und sie erlebt deren Geschichte, den Morgen nach
gewiß nur als Nebeneinfall geschätzten Intermezzo
leben.
der Liebesnacht mit dem Jüngling, als der Gatte heim¬
seine Hand so leicht und glücklich ihre Züge that und
So fühlte Schnitzler, aber zur Darstellung zwang
kehrt und sie erkennt, daß sie den nur liebt, und daß
bei den Bildern aus der Seele Hintergrund, die ihm
er es nicht. Dies erste Stück wirkt wie eine trockene
jener, dem sie sich heut Nacht gegeben, ihr fremder nun
gewiß schmerzlich wert, so unsccher und tastend nur. P.
Themastellung ohne jeden Pulsschlag, ohne jede Ge¬
ist als der fremdeste. Und die Florentinerin sagt
fühlsvibration. Um so erkühlender mutet das an, als
ihrem Mann stolz und aufrecht, was sie gethan und
der Vorgang, wie es Schnitzler überhaupt liebt,
sticht den Jüngling nieder. Der Mann aber fühlt in
pshchologisch überaus komplizirt gewählt ist.
diesem Augenblick nun als Künstler, die „lebendige
Ein junger Dichter erfährt, daß seine von ihm
Stunde“ erwacht und seine Hand bannt im Fieber das
ater“.
über alles geliebte Mutter nicht natürlich starb, son¬
Bild der „Frau mit dem Dolch“ auf die Leinewand.
dern Selbstmord beging, um ihn von der nieder¬
Die Szene wandelt sich. Wir sind wieder in der
n Ein¬
drückenden Sorgenlast ihrer Krankheit zu befreien.
Galerie. Die Dame und der junge Mann fahren wie
Neben
Gegen ihren Willen teilt das ein Freund der Toten
aus einem Traum auf und sie sagt jäh zu ihm, den
as für
dem Sohne mit, damit der sich aufrafft, „zum Leben
sie vorher abgewiesen: „Ich komme“. ... Die psycho¬
ste ist:
und Gestalten“. Und der formulirt, nach der ersten
logische Motivirung ist dazu recht billig in Klammern
Stei¬
Bestürzung sich fofort die Situation: „Mir bleibt nichts
gesetzt: „in ihren Zügen drückt sich allmählich die
kam ein übrig, als mich selbst zu töten, oder den Beweis zu
Ueberzeugung aus, daß ein Schicksal über ihr ist, dem
in sehr
versuchen, daß meine Mutter nicht vergeblich ge¬
sie nicht entrinnen kann.“ So leicht darf man sich die
esetztes
storben ist.“
Vorführung heikler Gefühlsintimitäten doch nicht
entlich
Wir aber sehen hier nicht Menschen einem unge¬
machen.
e, ein
heuren Schicksalsmoment gegenüber, sondern nur eine
Festeren Boden faßt Schnitzler im dritten Stück
zün¬
kalte logische Begriffsspielerei. Und voll Unwahrheit
„Die letzten Masken“. Ein Verlorener, dem sein
noch dazu, denn, was dem Ganzen doch die Bedeut¬
Leben zerrann, will vor dem Tode seinem Todfeinde
seinel samkeit geben sollte, das bleibt aus: Wir erleben seinen Haß ins Gesicht schreien und ihn, der in Glück
Norgen¬
er Zeitung“)
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