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16.1. Lebendige StundenZyklus
Telefon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERVER“ Nr. 44
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX, Türkenstrasse 17.
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Kussm ausante 2
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das ihr qualvolles Leiden dem Schaffen ihres Lieb=szu zeigen. Da stürzt aber die Gattin
lings bereitet. Ein alter Freund des jungen Schrift= reißt dem schon ausholenden Liebha
stellers teilt diese furchtbare Thatsache mit Berufung und ersticht ihn vor den Augen de¬
„Lebendige Stunden“.
auf ein briefliches Dokument der Mutter allmählich ssie noch mit dem Dolche in der Pose
Der Schnitzler=Abend, den das Deutsche
Gemäldes vor ihm dasteht, greift er sch
dem Sohne mit, erzielt aber damit eigentlich nur
Theater am Sonnabend mit dem neusten Ein¬
das Gegenteil dessen, was die aufopfernde Selbst=und benutzt die Mordsttuation zur Voll
akter=Cyklus des erfolgreichsten Dramatikers Jung¬
daneben noch auf der Staffelei stehe
mörderin beabsichtigte, denn wir scheiden beim
Wiens veranstaltete, brachte dem Dichter wieder
artigen Gemäldes. Dann verwandelt sie
Sinken des Vorhanges nicht von einem schaffens¬
reiche Beifallsehren. Fast nach jedem einzelnen
wieder in dis Gallerie des ersten Auftrit
lustigen jungen Dichter, sondern von einem
Werke mußte er mehrfach erscheinen und die
gebrochenen Manne den der Gedanke, nun gleich=uardo ist jetzt wieder Leonhardt und erhä
Für 50 Zeitr Huldigungen seiner zahlreichen Verehrer dankend
sam als unfreiwilliger Mörder seiner Mutter durchs aus einer Art visionärer Betrachtung
100
quittieren. Der Mode huldigend, die jetzt auch
erwachenden Frau die Zusage, ihn
Leben gehen zu sollen, eher zu Boden drückt, als zu
200
vom Verfasser einiger zusammen aufgeführter Ein¬
zu wollen. Der Maler Remigio mi
neuen Thaten begeisteit.
500
akter einen Sammelnamen für den abendfüllenden
lose künstlerische Ausbeutung der
Das zweite Stück beißt „Dle Frau mit dem
„ 1000
Cyklus verlangt, hat Schnitzler seinen Stücken den
Dolche“ und ist eine seltsame Mischung von phan=] Gattin bestraft werden. So oberflächl
Im Geg Titel des ersten Einakters „Lebendige Stunden“
verdienen nach Schnitzler, daß sie von ihrer #
tastischer Romantik und spiritistischem Spuk, dazu
Abonnement dr als Gesamtüberschrift gegeben, einen Titel,
trogen werden.
ganz getaucht in das trübe Spülwasser unsauberer
Abonnenten frei der zum mindestn eben so gesucht und er¬
In dem dritten Stück „Die letzten M
Erotik, wie es die Muse dieses ebemaligen Medi¬
künstelt ist, wie er ganz und gar nicht auf alle vier
sind wir in einem Spital die Zeugen zwe
ziners leider so häufig liebt. Eine leichtfertige Frau
Der „0] Einakter zusammen paßt. Die Weisheit, die sich
vers“ jedenartiger Unterredungen. Die erst
trifft sich mit einem Liebhaber in einer Gemälde¬
Inhaltsangubeinter diesem= Titel verbirgt und hier und da zu
kor che oder tragikomische verläuft
gallerie vor dem Bilde der Frau mit dem Dolche,
ihreis besseren Verständnis vom Dichter ausge¬
zu Todeskandidaten, einem herunteraeko
deren Augen sie nach den überschwänglichen Ver¬
blütter (Ta
wodtrch eine I) Plaudert wird, ist einmal der Gedanke, daß der Tod
Journalisten und einem lungenkranken Scha
sicherungen ihres Galans besitzen soll. Er begehrt
lieber Mitmenschen für den Dichter oft zur Geburts¬
Der erstere probt gleichsam mit dem letzter
ein heimliches Rendezvous, sie ist unentschlossen. Da
des In- und
stunde von Thaten wird, die man im Gegensatz zu
haßerfüllte Scene, die er gern noch vor seine
erinnert der Schlag der Mittagsstunde die Säumige
werden in Wien
ihrem Anlaß seine lebendigen, ja seine lebendigsten
mit einem Jugendfreunde erleben möcht
an ihre Rückkehr zum Gatten. Während sie geht,
Stunden weihevollen Schaffens nennen könnte, und
Jugendfreund, ein zu Ruhm und Ansehen
verdunielt sich die Scene und verwandelt sich unter
zum andern die Idee, daß das Werk des Dichters
Schriftsteller, erscheint darauf im Geleit des
der toten Vergangenheit wieder zum Leben, zu dem Geläute einer nahen Kirche in ein Maleratelier
arztes, aber in den 15 Minuten, die ihnen
der Renaissanzezeit, in dem uns nun die Geschichte
lebendigen Stunden, verhilft. Nach der alltäglichen
zur Aussprache bewilligt, gelangt kein. W
der Frau mit dem Dolche von den entsprechend um¬
zweiten Deutung des Titels würde man freilich
Vorwurfs und der Erbitterung über die Li
gekleideten Personen der ersten Scene selbst vorge¬
jede nicht frei erfundene Dichtung mit der
Sterbenden. Er ist wie ausgewechselt, soen
spielt wird. Der Liebhaber, der jetzt Leonardo
Devise Schnitzlers auszeichnen können; die erste
ihn der Anblick der hoblen Aufgeblasenbe#
heißt, wird von dem Gatten der Ungetreuen, dem
aber ist eine erzwungene Wort=Tiftelei, die ohne
schriftstellerischen Modegröße, und stirbt nun
Maler Remigio, am Morgen nach einer sündigen Nacht
den Kommentar des Dichters kaum in seinem Sinne
und ausgesöhnt mit seinem Los.
bei ihr angetroffen. Der Gatte offenbart merk¬
verstanden werden würde und obendrein in dem
Der vierte Einakter „Litteratur“
würdigerweise dabei gar kein raschloderndes süd¬
gleichnamigen ersten Stücke durch ein sehr abstoßen¬
Bohemienstück, das den Beschluß machte,
ländisches Naturell, sondern hört sehr gelassen die
des Sujet erläutert wird. Schnitzler will uns in
Art Satyrspiel, das offenbar den Ster
haßerfüllten Worte des Nebenbuhlers an, schreitet
diesem Stücke glauben machen, daß sich eine tod¬
Krankenhausgeruch dei ersten drei Werken
dann aber ruhig zur Thür, als ihn Leonardo
tranke Mutter aus Liebe zu ihrem schriftstellernden
für den Fall einer Flucht mit sofortigem Tod! Laune wieder vertreiben sollte. Eine gen
Sohne auf ihrem Sterbebette mit Morphium ver¬
gistet, um das Hindernis aus dem Wege zu schaffen, bedroht, um dem Elenden seine volle Verachtung Frau hat sich von ihrem philiströsen