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16.1. Lebendige Stunden Zyklus
Theater=Korrespondenz.
Das Theatergeschäft und der Theaterschriftsteller.
Lessing=Theater. Ueber den Wassern. Drama in drei Aufzügen¬
von Georg Engel.
Deutsches Theater: Drei Einakter: Puß, eine Kindergeschichte
Ecelesia triumphuns, eine Ehegeschichte. Vollsaufklärung, eine Komödie.
Von Max Dreyer. — Lebendige Stunden: Die Frau mit dem Dolche,
von Arthur Schnitzler.
Jüngst ist die Behauptung ausgesprochen worden, daß Deutschlands
dramatische Dichtung „in den letzten Jahrzehnten durch den politischen und
kulturellen Aufschwung der Nation ... das Reich ihres Wirkens in be¬
deutsamer Weise erweitert und sich mit neuen künstlerischen Formen zu¬
gleich auch neue, tief in das Leben des Volkes eindringende Stoff¬
gebiete erobert“ hat. Und man hat ferner gemeint: „Die gedeihliche¬
Fortentwicklung des deutschen Dramßs erscheint heute nicht blos als eine
Förderung schöngeistiger Interessen, sondern weithingreifend als eine Frage
des Volkswohls.“ Hier wird also die Behauptung ausgesprochen, daß im
Allgemeinen politischer und wirthschaftlicher Aufschwung auch einen solchen
in künstlerischer und speziell in dramatischer Beziehung im Gefolge hat und
daß dies im Besonderen im neuen Deutschland der Fall gewesen ist. Und
es wird ferner die zweite allgemeine Behauptung hingestellt, daß die
künstlerische Kultur dem „Volkswohl“, also doch wohl auch dem Staats¬
bestand und der Staatsentwicklung dient. Das berührte Problem ist
wichtig genug, auch einmal an dieser Stelle erörtert zu werden. Und das
Recht der Erörterung besteht um so mehr, als ich dadurch — wie meine
Leser schließlich sehen werden — ein ganz bestimmtes praktisches Resultat,
ein tieferes, eindringenderes Verständniß für das Wesen des modernen
Theatergetriebes nicht nur, sondern auch für den Zustand der modernen
dramatischen Dichterseele erreichen will.
Die übrigens nicht zum ersten Mal aufgestellte Behauptung, daß die
künstlerische Entwicklung das Volkswohl weithingreifend bedinge, ist durch
die geschichtliche Betrachtung schwerlich zu halten. Schiller, unser Dichter
Schiller, der über diese Dinge denn doch auch ein Urtheil hatte, schreibt
zu dem Thema in seinen Briefen „über die ästhetische Erziehung des
Menschen": „In der That muß es Nachdenken erregen, daß man beinahe.