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16.1. Lebendige Stunden—Zuklus
box 21/3
Telephon 12801.
Zlex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 23
„OBSERYER“
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
Wieng-Abengeng
4 77—777 2
** Im Carl=Theater begann gestern die Gesell¬
schaft des Deutschen Theaters in Berlin ein Gastspiel. Man
führte vier einactige Stücke Arthur Schnitzlers zum
ersten Male auf. Es waren dies:
1. „Lebendige Stunden“, Schauspiel in einem Auf¬
auge. — Es ist eine Art Vorspiel des Cplius, weiches die
lebendigen Stunden preist, die Stunden, in denen man das
Recht auf das Leben voll geltend macht oder in welchen das
Leben sein Recht beansprucht. Eine ältere Frau stirbt, ihr
Freund betrauert sie und kann es dem Sohne der Ver¬
Für 50 Zeitu
blichenen nicht verzeihen, daß dieser, ein Dichter, in der
100
Trauerzeit wenigstens nicht, auf das „Schaffen“ verzichten s.
200
50
mag. Der junge Mann hat das letzte Wort und sagt dem ##s
1000
2
Alten wahr: auch dieser werde, wenn der neue Lenz ins den
Im Geg
Land kommt, durch seine Bumen nen belebt werden.
Abonnement d
2. „Die Frau mit dem Dolche“, Schauspiel in
Abonnenten fr
einem Aufzuge. — Dieses Stück führt eine Art von Seelen¬
die
Der „
8 n
wanderung vor. Der als Bild gemalte Titel läßt eine hyper= ig")
Inhaltsangab
nervöse Frau, die nicht recht weiß, was sie will, oder viel= iche
blätter
mehr, was sie soll, träumen oder sich in den Wahn hinein= Mit¬
wodurch ein
reizen, die Renaissance=Dame, der sie ähnlich sieht, sei ihre
Lehen des
theilungen w
frühere Incarnation gewesen. Die Dame mit dem Dolche
habe sich, weil sie ihrem Gatten untreu wurde, denselben
in die Brust gestoßen. Sie träumt dies in einer unbesuchten
Galerie angesichts des Bildes und gibt — lebendige Stunden!
einem jungen Manze, dem sie bisher widerstanden, das
Versprechen, ihn zu besuchen. Ob sie sterben will oder hofft,
fort leben zu können, vermag ein prosaisches Gemüth nicht
auszudenken, der Autor aber schreibt vor: „In ihren Zügen
drückt sich allmählich die Ueberzeugung aus, daß ein Schicksal
über ihr ist, dem sie nicht entrinnen kann.“
3. „Die letzten Masken“, Schauspiel in einem
Aufzuge. — Ein alter Journalist, Kritiker, arm und ver¬
lassen, liegt im Spitale und hat nur, ehe es ans Sterben#
geht, den einen Wunsch, einen ehemaligen Freund zu
sprechen. Er will dem hohlen Gecken sagen: daß er, der
Journalist, vor zwanzig Jahren der Geliebte seiner Fran
genesen ist. Der Freund kommt, der Journalist aber schweigt.
Ob er den unerlaubt thörichten „Dichter“ für gestraft genug
hält oder einsieht, welche Schurkerei er in der letzten Lebens¬
stunde begehen würde, wenn er einer Frau, die ihn erhörte,
die Ehre nähme, das wird nicht gesagt.
4. „Literatur“, Schwank in einem Aufzuge. — Das
Stück geißelt gewisse Literaten, einige, vielleicht viele, und
verschafft eine gute, eine lebendige halbe Stunde. Die Ge¬
liebte eines Sportsman, dessen kleiner Finger mehr einen
Gentleman verräth als die ganze Schriftstellerin, eine Frau
von etwas Geist mit gleicher Dosis von Herz, hat eine be¬
wegte Vergangenheit hinter sich ... vielleicht auch eine
derlei Zukunft vor sich. Daraus ist heute kein Roman zu
machen, aber ein sehr witziges Lustspiel, in dem viele Worte
fröhlich knistern. Dieses Stück ist von guter Schnitzlerischer
„Literatur“ von Anno Anatol, als der Zephyr des Poeten
noch durch seinen Rosengarten der
#eren