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Lebendige Stunden z#klus
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!“ kreischt er, und seine Finger arme Witwe erkennt kaum den Umfang ihres Verlustes.
der Sonne leuchtend — eine still gefährliche Mahnung, daß
der Wohnstube, die Pfosten der
Lautlos, in schmerzlicher Betäubung duldet sie das seichte
die unheilvolle See von den Menschen dieser Gegend noch
schläge, in welche die Betten der
Mitleid, das um sie lebendig wird.
viele blutige Opfer fordern wird.
ebaut sind. Dieser verzweifelte
Diese innerlich einfachen und doch schaudererfüllten
Da Wien nicht am Meere liegt und seine Verbindung
ebrochen, bis Polizei und Gen¬
Vorgänge erzählt Heyermans ohne jeglichen Schmuck des
mit diesem nur wenig Aussicht hat, erheblich kürzer zu
s gute Recht des Rheders, der
Wortes, ohne erläuternde Zuthat, in einer unwiderstehlich¬
werden, hat die Censur Die Hoffnung“ freigegeben. Die
ücklich zu unterstützen. Wie ein
knappen Beredtsamkeit und Unmittelbarkeit. Seine scharfe
Schilderung der Fischer schien ihr trotz der heftigen Aus¬
Schlachtbank wird Barend an Bord
Beobachtungsgabe concentrirt sich in der Kunst seiner
drucksform des Dichters minder gefährlich als die der
„Ich werde nicht wiederkehren.
Charakteristik, die Menschen, die er vorführt, sprechen wie
Fabriksarbeiter. Aber so sehr unsere Bühnenleiter mit
hr
sehen!“ ruft er, während ein
im Leben und in der Wirklichkeit. Nicht in einem Zuge
den verbotenen „Webern“ liebäugeln und so sehr sie über
Augen stürzt. :
gemahnt dieser holländische Realist an die Elendspeculanten,
den Mangel aufführbarer Stücke klagen, es fard sich
Woche um die andere in ruhigem
welche mit Noth und Pessimismus wie mit dunkeln
keiner von ihnen, dir „Die Hoffnung“ zur Darstellung an¬
Fischerdorf. Die „Hoffnung“, die
Schleiern spielen, um ein leeres Puppenspiel zu verhüllen.
genommen hätte. Wie seinerzeit der poetisch schwachere
bleiben sollte, kommt nicht zurück.
Er offenbart weder sein social=politisches Glaubensbekennt¬
„Probecandidat“, begegnete auch „Die Hoffnung“. der Un¬
stlicher rücken die Harrenden an¬
niß, noch seine Ansicht über neue Systeme des gesellschaftlichen
gunst unserer Directoren, die in ihrem seltsamen Verhalten
mmer sorgenvoller an die Fern¬
Lebens der Zukunft. Wie ein Maler, der nur die Treue seiner
zu den wirkungsvollsten Erscheinungen der Literatur die
eines Abends um den runden
Aufnahme bewahren will, verweist er auf sein Gemälde;
Unselbstständigkeit und Ohnmacht unseres Bühnenlebens
Theekanne geht im Kreise umher,
es ist Sache des Beschauers, die Nutzanwendung zu ziehen.
verschulden.
aue Wölkchen ringeln aus den
Jeder seiner Vorgänger, auch der große Revolutionär
alten Dorfinvaliden. Das Wort
Tolstoi, spricht persönlich aus seiner Darstellung, Heyer¬
Ueber die Darstellung der besprochenen Stücke nur
denn eine Schreckensnacht wüthet
mans tritt aus dem Gedankenkreise seiner Menschen nie
wenige Worte. „Der Fechter von Ravenna“ erschien im
irm peitscht sie, die Wellen rasen.
heraus. Er stimmt sein Stück auf den Ton der „Weber“;
Volkstheater in äußerlich glänzender Seinirung. Thume¬
die zusammenstürzen, schwimmt
ein Genauigkeits=Schilderer wie Hauptmann, ist er voll
licus und Caligula waren von den Herren Kutscheraa
die Hoffnungslosen, und sehen sich
peinlicher Sorgfalt für das Detail. Aber ungleich
und Weisse glücklich dargestellt; als Thusnelda
Jeder fürchtet. Auch Jo die immer
dramatischer als sein deutscher Rivale, fügt er die
rührte Fräulein Sandrock in den weicheren Tönen und
r. In sprachlosem Entsetzen sinkt
stärksten Theater=Acceute in die subtile Zeichnung
ruhigeren Momenten, ihr Pathos zerriß den Vers und
Lager, ihre Finger schlingen sich
seines Milieus. Man fand, daß vor Abschluß seines
machte ihn wirkungslos.
Die Aufführung der
krampfhaft bewegen sich ihre
Dramas ein rhetorischer Aufschrei wie eine Erlösung aus
Lebendigen Stunden“ gelang vornehmlich im Lustspiel,
anisch den Rosenkranz. „Beten ist
den vorangegangenen düsteren Eindrücken wirken müsse;
das von Fräulein Triesch, den Herren Rittner
Alte. — „Ich will nicht beten?“
der Dichter ging wol absichtlich einem so tradi¬
und Bassermann mit Witz und Laune gespielt
Feelenangst. — „Nicht beten?“
tionellen Effecte aus dem Wege. Wenn es auf dem Meere
wurde. — Die Darstellung der „Hoffnung“ ist eine müster¬
„Es passirt nichts!“.= „Wenn,
stürmt, dann ächzt, wimmert und schreit Holz=, Eisen¬
giltige. Frau Lehmann vor Allem zeigte ihre Kunst
nie mehr, nie mehr!“ schreit sie
und Takelwerk der Boote; die Fischer tragen schweigend
in der von den widersprechendsten Empfindungen belebten
keinen Gott und keine Mutter
ihr Los, durch eine schwache Bretterwand von dem seucht¬
weiblichen Hauptrolle, die Herren Kaißler, Rittner,
Jo in Seufzen und Klagen zu
kalten Tode getrennt zu sein. Auch Kniertje, die arme Witwe,
Reinhardt und Bassermann führten den kleinsten
Kniertje mit einem Blick zum
der ihre Familie in den Wellen unterging, bleibt schließlich
Zug in das beste Licht. Die Einrichtung des Stückes, wie
Gott mit festem Vertrauen.“
wortlos vor dem Rheder, der halb Seebär, halb Fuchs
seine Scenirung erschienen tadellos und voll Rücksichtnahme
Ertrauensselig. Der Leichnam ihres
ihr mit nichtigen. Trostesworten zusetzt. So reich unser
für die Intentionen des Dichters. „Die Hoffnung“ verdiesit
umt entstellt ans Ufer, an den
Sprachschatz sein mag, es gibt kein Wort, das die tiefen
gesehen zu werden, vom Publicum wie von unseren Schau¬
erkennt man ihn; auch Geert ist
Accente des Wehs so ausdrücken würde, wie das
spielern. Sie wird dem ersteren einen seltenen Genuß
ing mit Mann und Maus unter,
Schweigen dieser Frau, die still die Aeußerungen einer
bringen und den Letzteren die Bedeutung eines Zusammen¬
sches Schiff trotz aller Warnungen
kläglich heuchlerischen Mildthätigkeit entgegennimmt. Draußen
spieles erweisen, dem sich jeder Einzelne mit Eiser unter¬
ne Versicherungs=Prämie ein; die aber dehnt sich das Meer nun ruhig, eben und im Strahle ordnet.
F. Sch.