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16.1. Lebendige Stunden— Zuklus
Alex. Weigl’s Unterneumen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
De.
105
„OBSEN VET
Nr. 1
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
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Ausschnitt aus:
vom:
10 2 140 —
Mrunek acneh Banee.
Ngign
V Schnitzlers „Lebendige Stunden“ gingen am Sonntag
im Deutschen Schauspielhaus zu Hamburg —
wie, uns von dort geschrieben wird — mit starkem Erfolg in
Szeue. Der erste der vier Einakter, dessen Titel vom Autor für
den ganzen Zyklus übernommen worden ist, ohne daß sich hier¬
für aus dem Inhalt der Stücke eine Erklärung ergäbe, ver¬
mochte zwar mit der ihm innewohnenden düsteren Stimmung
und geringen dramatischen Belebung wenig zu erwärmen; weder
der junge Dichter, dessen Mutter freiwillig aus dem Leben ge¬
Fü gangen, um durch ihr Siechthum die Schaffenskraft und =Freudig¬
keit des Sohnes nicht zu beeinträchtigen, noch der bejahrte

Freund der Todten, der gegen ihren Willen dem Sohne über hisive
ihre letzte Handlung Klarheit zu Theil werden läßt, vermochten sto.

bar
eine lebhafte Antheilnahme zu erwecken. Fesselnder wirkte „Die
worin Schnitzler das Motiv der fraus.
Frau mit dem Dolch“,
Trotz der Fremdartigkeit des
Seelenwanderung verwendet.
Ab
Stoffes und der zweimaligen vollständigen Verfinsterung des st das
es den
Ab
ganzen Theaterraumes vor und nach Eintritt des transzenden¬
talen Moments, vielleicht auch wegen dieser Umstände war die
Aufmerksamkeit des Publikums in hohem Grade wachgerufen,
Inh
nicht zuletzt dank der glänzenden Wiedergabe der Rollen durch jd die
Frau Doré, Herrn Nhil und Herrn Montor. „Die letztenggen¬
Wo
[Masken“ nehmen in künstlerischer Hinsicht wohl den ersten sung“
Let
Platz unter den vier Einaktern ein; die Gestaltenzeichnung ist tliche
the
dem Verfasser vortrefflich gelungen; zudem hat der sterbende Mit¬
Literat (Herr Nhil), der sichs zuguterletzt versagt, einem streber¬
haften Kollegen seine beklagenswerthe Hohlheit nachzuweisen,
statt dessen vielmehr die Maske aufbehält, trotz der Herbheit!
des Milieus etwas Anziehendes und die Sathre auf die zum
Katzbuckeln bereite Oberjlächlichkeit moderner Jäger des Erfolges;
verfehlt nicht ihre sichere Wirkung, wogegen im letzten der Ein¬
akter, „Literatur“ köstlicher Dichterhumor zur Geltung
kommt; auch hier waren die Leistungen der Mitwirkenden (Frl.
v. Hönigswald, Herr Burg, Herr Viensfeld) vorzüglich, und
ider Beifall gestaltete sich so stark und anhaltend, daß Direktor
Freiherr v. Berger Namens des abwesenden Verfassers danken,
720
rußte.
box 21/3
Feüilleion.
Ne
Deutsches Schanspielhaus.
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Montag, 10. März:
Lebendige Stunden.
Vier Einakter.
Von Arthur Schnitzler.
Der Dienst der Kunst ist heiliger Gottesdienst.
Er
Aber er ist grausam, er fordert fürchtbare Opfer.
schlägt seine Priester und Priesterinnen in Fesseln, er
macht sie zu Gu sten ihrer Göttin egoistisch, rücksichts¬
los und nicht selten fanatisch. Er nimmt ihnen die
heilige Keuschheit der Seele und heißt sie, die zartesten
Empfindungen die verschwiegensten Erlebnisse des
eigenen und des geliebten Herzens dem Papier, dem
Marmor, den Tönen anzuvertrauen und sie aufsden
Markt zu tragen vor aller, auch des Pöbels profaue
Augen.
Da sieh den jungen Dichter! Ihm ist die Mutter
gestorben, die nur für ihn gelebt. Ihn wirft keine
dumpfe, alles bezwingende Traurigkeit darnieder, wie
Hausdorfer, den Freund, den treuen Kameraden der
Mutter. Heinrich denkt nur daran, wie er die schmerz¬
vollen Eindrücke von seiner Seele waschen kann. Hat
er doch schon zu der Mutter Lebzeiten über ihren Tod,
über die Erlösung von ihren und seinen Qualen
reflektirt.
Jetzt flieht er zu dem Rococogarten von
Hellbrunn und den alten Bildern der Münchener
Er flieht
Pinakothek, um bei ihnen Trost zu finden.
zu seiner eigenen Kunst. Bei ihr wird er sich bald
Vergessenheit erkämpfen. Bei ihr wird er auch die
furchtbare Gewißheit ertragen lernen, die ihm der
Stad