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16.1. Lebendige Stunden zykius
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSENVEN
Nr. 26
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Persenalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
St. Pultbarder Kllurg
von S%
Produkt dieser vergangenen Jahre, der Vergangenheit über=bei so seltsam. Ist ihr doch, a
haupt sind? Sind nicht die folgenden Jahre, die Zukunft, einedarstellt, irgend einmal erlebt,
Kunst und Wissenschaft.
Fortsetzung der Vergangenheit, wie sie eine Fortsetzung derldem Bilde identisch. Es ist ein
erz- Arthur Schnitzlers „Lebendige Stunden“ müssen wir, Gegenwart der „lebendigen Stunde" sind? Alle diese Fragenlglauben, Etwas, das uns in
drängen sich dem Zuschauer auf, wenn er die Lebensbilderleinmal erlebt zu haben, inden
stiefmütterlich von der deutschen Schauspielkunst behandelten
in den vier Einaktern Schnitzlers an sich vorüberziehenssteigt, als hätten wir früher ei
Petersburger uns schon in russischer Sprache gefallen lassen,
Der erste Einalter Stunden verschwindet die Grei
sieht und auf sich einwirken läßt.
wenn wir diese interessante Novität der deutschen Theatersaison
wiederholt den Haupttitel und heißt auch „Lebendigel Vergangenheit, Früheres und
überhaupt zu sehen bekommen wollen. Mit beschämend¬
demüthiger Dankbarkeit muß man es daher hinnehmen, daß Stunden“. Wie gewaltig und real die Vergangenheit auf dieldige“ Stunden fließen zusamm
uns eine russische Aufführung zum Besten des temporären Gegenwart einwirkt, muß der junge Dichter Heinrich erfahren.sidee der Tetralogie folgend -
Konvikts für gebildete Frauen Gelegenheit bot, das deutsche Er, der ganz in der Gegenwart lebt, von dem die Gegenwartsplötzlich in Vergangenheit.
wieder Licht
Stück in russischer Uebersetzung von G. R. und M. W. zu eine Bethätigung seiner Kräfte, seiner Gaben fordert eine Er=als es
füllung seiner Lebensaufgaben — sieht sich durch die Vergangen=Leonardo aus der Gegen
sehen. Vor Allem ein Kompliment an die russischen Uebersetzer:
sie haben es wirklich verstanden, das Stück mit der kerndeutschen heit gefesselt, gehemmt. Die Krankheit seiner innig geliebtensversetzt, in die Zeit
Alltagssprache ohne viel Härten und Fremdartigkeiten (über die Mutter, die tägliche Sorge um sie hindern ihn der Gegenwartsdie „Frau mit dem Dolche““
50 deutschen Namen muß man ja in solchen Fällen schon hinweg=und in der Gegenwart zu leben; er kann nur für die Vergan=was das Bild darstellt, erlebe
Für
100 stolpern) ins Russische zu übertragen. Das zweite Komplimentgenheit, in der Person seiner Mutter, für seine Mutter leben. Vergangenheit wirklich. Als
200 gilt den Darstellern; sie spielten wirklich mit eifrigem Ernst und Mit dem zarten seinfühligen weiblichen Instinkt, mit dem lieben=niederstößt, wandelt sich die
500 großer Hingabe an die Kunst. Natürlich darf man von einem den Mutterherzen fühlt sie es heraus, daß sie, die Sterbende, Gegenwart. Als die für ein
dem Sohn die „lebendigen Stunden“, seine Bethätigung in derssich wieder erhellt, finden wir
1000 Darsteller=Ensemble, in dem keine „Namen“ stadtbekannter
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Gegenwart, raubt. Sie beschließt daher, still aus der Welt zu Menschen — aus der Renaiss
Im Schauspieler anzutreffen sind, keine hervorragenden schauspiele¬
Abonneme rischen Einzelleistungen erwarten. Trotzdem sich die Darstellergehen; nur einem alten Jugendfreunde vertraut sie vor demsversetzt und in Betrachtung de
Abonnente mit anerkennenswerther Liebe zur Kunst an die Versinnbild=Tode das Geheimniß an, daß sie zu einem Gewaltmittel (Gistsder Einwirkung der eben d
gegriffen hat, um in den Tod zu gehen und der Jugend, dem lebendige Stunde“, in der sie
lichung der dichterischen Ideen Schnitzlers machten, ragten die
Gesammtleistungen nicht über ein gutes Durchschnittsniveausgeliehten Sohn, ein wirkliches Leben in der Gegenwart zu er=PPaulina dem zeitgenössischen #
möglichen. Sie hat aber nicht mit dem überquellenden Herzeleidserhören. — „Die letzten M
Der
hinaus. Und doch bewiesen die vier Einatter, aus denen sich die
des alten Jugendfreundes gerechnet, der während eines Gesprächssder „Lebendigen Stunden“.
Inhaltsanz gebendigen Stunden“ zusammensetzen, ihre Bühnenwirksamkeit.
mit dem Sohne, in der Erinnerung an die Vergangenheit, vomswirkung von Gegenwärtigem
blätter
Ja, man fragt sich nach den tiefen und starken Ein¬
wodurche drücken, die man selbst bei durchschnittsmäßiger Dar=Schmexz so plötzlich und so heftig übermannt wird, daß er diesdie Idee giebt. Der Journ
Leben des
stellung empfing, unwillkürlich, wie unmittelbar und nach=Gegenwart, die „lebendige Stunde“ vergißt und dem Sohne ge=Leben zu nichts bringen könn
theilungen
haltig die Stücke wirken müssen wenn sie von einemsteht, wie und warum die Mutter in den Tod gegangen ist. kseinem Jugendgenossen der ei
Ensemble hervorragender professioneller Schauspieler vorgeführt Damit sind aber dem Jüngling von nun an die lebendigenAAls er elend und krank, im S
würden. Warum wir die neuesten Errungenschaften der deutschen Stunden vergällt; unter dem Eindruck dieser That bleibt ihmssich ihm die Vorstellung von si
dramatischen Literatur trotzdem hier nur in russischer Sprachelnur zweierlei übrig, um sein Gewissen von der moralischen Schuldlquellender Bitterkeit vor seiner
zu hören bekommen, bleibt danach unerfindlich. Undramatischzu entlasten: entweder auf die „lebendigen Stunden“ zu verzichtengerechtigkeit des Schicksals und
können doch die „Lebendigen Stunden“ in keinem anderen Falle und in die Vergangenheit zurückzusinken, d. h. sich das Leben zuseinem vom Schicksal begünstig
wirken, wenn sie bei mittelmäßiger Schauspielkunst noch dra=nehmen, oder — zu beweisen, daß seine Mutter nicht umsonstlin der Sterbestunde. Noch
matisch wirken. Interessant, der Idee nach, sind jedenfalls die gestorben ist, etwas Großes zu leisten, den „lebendigen Stunden“ Schooßkind des Glücks sehen i
vier Einakter Schnitzlers, die nach Analogie von Sudermanns dadurch Inhalt und Bedeutung zu geben. — Der zweite Ein=während eines langen, ver
„Morlturl“ unter einander ganz verschieden und von einandersakter trägt den Titel „Die Frau mit dem Dolche“. Inssammelt hat, dem glücklicher
unabhängig, doch durch einen gemeinsamen, höheren Sinnseiner Gemäldegallerie finden sich Paulina und Leonardo vorkist jetzt sein glühender
zusammengehören. „Lebendige Stunden“ — ist der Haupttitel fürs einem Bilde, das eine Frau mit gezücktem Dolche darstellt zu=Wunsch wird dem Sterbenden
alle vier Einakter, in denen die verbindende Idee eine einzigelsammen. Sie ist die Frau eines Anderen hat aber das Liebes=ühn hin. Aber in dieser längst
ist: das Zusammenfließen, die Untrennbarkeit und Wechsel= flehen Leonardos erhört. Berauscht vom Zauber der verflossenenlkommt ihm kein einziges bitter
wirkung von Gegenwart und Vergangenheit. Wo hört die Liebesstunde fleht er wieder um die Gunst des schönen Weibes.list plötzlich die Erkenntniß au
Vergangenheit auf, wo fängt die Gegenwart an? Gehört schon Sie weist ihn aber schroff zurück Für sie, die ihren Mann liebt,sgangenheit nicht das Recht hat
die verflossene Stunde der Vergangenheit an, da sie doch noch war es nur eine Stunde der Verirrung ihrer Sinne, als sieler, der Sterbende, schweigen i
so innig mit der gegenwärtigen, der lebendigen“ Stunde zu=Leonardo erhörte. Jetzt weist sie sein Ansinnen mit Verachtung lGegenwart Lebenden, die „le
sammenhängt? Können wir ein Jahr, können wir Jahre will=zurück ... als ihr Blick plötzlich wieder auf das Gemälde vorsgällen. — Der vierte und letzte
kürlich aus unseren Vergangenheit streichen, wir, die wir einlihr fällt und an dem sie sich in Sinnen vertieft. Ihr wird da=lernst und transscendental als