Faksimile

Text

o 1102
(Gastspiel des Berliner „Deutschen
Theaters“.) Im Theaterhause auf dem Leopoldring
durfte heute der reichtalentirte dramatische Dichter
Arthur Schnitzler — zum ersten Male auf einer
Budapester Bühne — zu Worte kommen. Seine
und seiner „Lebendigen Stunden“ Be¬
kanntschaft wurde uns durch die Berliner Künstler
inclusive
vermittelt, die ihr gestern unter so günstigen Auspizien
Porto.
Für
#entrirkes Gastspiel in erfolgreicher Weise fortsetzten.
Zahlbar

s Die „Lebendigen Stunden“ sind kein einheitliches
n
Schauspiel, sondern es sind das vier miteinander] im Voraus.
n
1(in keinem Zusammenhange stehende Einakter, hnitte ist das
von denen die drei ersten das ernste undch steht es den
Abonn das vierte das heitere Genre repräsentiren. Das ändern.
Abonn am mindesten gelungen ist das erste Dramolet, nach
welchem das ganze Werk betitelt ist. Es wird da ein enthaltend die
gar zu grausames Thema behandelt — dasjenige voner Morgen¬
Inhall einer Mutter, die sich freiwillig den Tod gibt, weil 'iener Zeitung")
blätsie durch ihr Siechthum den Sohn von der Arbeit wirthschaftliche
vird. Diese Mit¬
wodurgbzuhalten vermeint. Nur ein Mensch weiß, daß sie
Leben keines natürlichen Todes gestorben, und das ist ihr
theilu“
langjähriger Freund Hausdorfer, der dem Sohne drei
Wochen nachher die fürchterliche Wahrheit mittheilt.
Letzterer fragt, warum der aalte Herr ihm erzählen
mußte, daß er eigentlich der Mörder seiner Mutter¬
sei, und das Nämliche fragt auch der Zuhörer. Der
Dialog ist ein wenig zu breit und auch der Abschluß?
wirkt nicht besonders befriedigend. So erzielte denn
auch dieses einleitende Stück trotz des vorzüglichen
Spieles der Herren Reinhardt und Rittner
keine besondere Wirkung. Aber schon bei der zweiten
Piece, der „Fraumit dem Dolche“, wurde
die Stimmung des Auditoriums eine warme, und von
Stück zu Stück steigerte sich der Essekt, so daß der Abend
dem persönlich anwesenden Verfasser einen schönen und
vollen Erfolg brachte. „Die Frau mit dem Dolche“ ist ein
mit einer Vision gespicktes Sittenbildchen. Die junge
Frau eines berühmten Schriftstellers gibt sich ihrem
Anbeter hin, nachdem sie einen Augenblick den
Traum gehabt, daß sie für ihren Mann mehr das
Objekt künstlerischen Studiums, als dasjenige wahrer
Liebe sei. Diese Moral dünkt uns ein wenig be¬
denklich, aber der Einakter ist sehr hübsch und das
ist die Hauptsache. In demselben spielte Frl. Irene
Triesch die Hauptrolle. Wir lernten die jugend¬
liche Künstlerin erst heute kennen, sie gewann das
hiesige Publikum sofort durch die Anmuth ihres
Wesens und ihre hohe schauspielerische Intelligenz.
Ihr Partner, Herr Kayßler, deklamirte zu stark
und zu laut. „Die letzten Masken“ betitelt
sich das dritte Stück. Ein in düsteren Farben gehal¬
tenes Spitalsdrama. Der alte herabgekommene Jour¬
nalist liegt im Krankenhause auf dem Sterbelager.
Aber bevor er einzieht ins ewige Nichts, will er sich
furchtbar rächen an dem einstigen Kollegen und
Freunde Weihgast, der in die Höhe kam, zu Ruhm
und Reichthum gelangte, während er selbst zeit¬
lebens arm und in Spielball der Schicksals¬
lau; geblieben war. Er läßt den berühmten Mann
zu sich kommen; er will ihn durch die Mittheilung
niederschmettern, daß seine, Weihgast's, Frau vor
zwanzig Jahren sich ihm in die Arme geworfen,
weil sie die Hohlheit ihres Gatten richtig er¬
kannt hatte. Der Sterbende ist von Wuth und
Haß erfüllt gegen den, der da leben bleibt im
Sonnenscheine des Glücks. Dieses Glück will er
vernichten, aber da er darangeht, das zu thun,
verliert er die Kraft und die Lust dazu. Gespielt
wurde das Stück von den Herren Reinhardt
und Bassermann geradezu meisterhaft. In
kleineren Rollen bewährten sich die Herren Hof¬
meister und Meinhardt aufs beste. Den
Clou des Abends bildete die vom köstlichen Humor!
Schnitzler's zeugende Lustspielbluette „Literatur“ —
eine prächtige und trotz des satirischen In¬
halts überaus gemüthliche Persiflage des Ge¬
habens der Aristokraten gegenüber der „Bagage“.
In diesem Stücke, welches fortwährende Heiterkeits¬
ausbrüche der Zuhörerschaft erzielte, exzellirte Herr
4.