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□ l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaitte
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Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
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0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis. New-Vork,
0 Paris, Rom. San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewilf.

AusschnitfDegtsche Warte, Berlin
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E vom:
K
kunst und Wissenschaft.
Lessing=Theater. Unter dem Gesamttitel
Lebendige Stunden“ hat Axthur Schnitz¬
her vier seiner Einakter zusaämmengesahe
eigentlich tote Stunden, fast vergessene Liebessünden,
die plötzlich wieder Leben zu gewinnen scheinen
und die Lebenden beunruhigen. Das erste Stück, den
„Puppenspieler", nennt Schnitzler eine Studir.
Er will damit das Unfertige, Skizzenhafte desselben ent¬
schuldigen. Studien gehören aber nicht auf die Bühne,
wo keine Literaturgeschichte getrieben werden kann. Der
Mann, der einst selbstherrlich seine Genossen wie Puppen
an seinen Drähten lenken zu können glaubte, der
das ihn heimlich liebende Mädchen einem seiner Freunde
glühende Liebesschwüre ins Ohr raunen ließ, nur um
wien zu soppen, krifst nach langen Jahren beide wieder
im glücklichsten, geordneten Familienleben, während er
selbst als gescheiterte Existenz nur seinen Bettlerstolz be¬
wahrt hat. Die Erinnerung an die verschmähte Liebe
erfüllt ihn mit tiefer Wehmut. Albert Bassermanns
Kunst schuf aus diesem Puppenspieler eine dem Leben
abgelauschte Gestalt. — Darauf folgte ein Schauspiel
„Die Frau mit dem Dolche", künstlich
ausgellügelt, mit einem mystischen Einschlag. Eine
junge Frau liebt ihren Gatten, einen berühmten
dramatischen Schriftsteller, betrügt ihn aber aus sinn¬
licher Laune einmal mit einem seiner jüngeren Bekannten.
Zur Verabredung dieses edlen Vorhabens treffen sich die
Dame und ihr Seladon in einer Gemäldegalerie vor
dem Bilde eines alten, unbekannten Malers, vor der
„Frau mit dem Dolche", die mit der Beschauerin
eine große Aehnlichkeit hat. Das Bild erweckt
in dieser den Gedanken, sie habe ein gleiches
Abenteuer wie jetzt schon einmal in einem früheren Leben
gehabt, und in dem Bilde sei es verewigt. Sie sinkt in
Ohnmacht, und während derselben sieht sie in ihrer
Phantasie einen analogen Vorgang in einem Maler¬
atelier zur Zeit der Medici. Die Darstellung dieser
Traumszene ist eine anerkennenswerte Leistung der
Regie. Sonst ist das Stück bedeutungslos. Selbst
Irene Triesch in der Doppelrolle vernrochte für dasselbe
kein Interesse zu erwecken. — Ebenso wenig packend ist
der dritte Einakter „Die letzten Masken“; er ist
mur ein Virtuosenmätzchen wie der vorige. Ein alter,
armer Journalist liegt sterbend im Krankenhause. Vor
seinem Tode erwacht in ihm noch einmal der Haß gegen
einen vom Glück begünstigten Jugendfreund, einen geistig
unbedeutenden Schriftsteller. Er will seinen Haß durch eine
Gemeinheit befriedigen und jenem die Tatsache ins Gesicht
schleudern, daß er dessen Gattin als Geliebte besessen
habe. Als aber der eitle Mann vor ihm sitzt, vermag
er den niedrigen Vorsatz nicht auszuführen, weil die Er¬
kenntnis von der Nichtigkeit irdischer Dinge ihn erfaßt.
Emanuel Reicher bot eine fein durchgearbeitete patho¬
logische Studie, Albert Bassermann die charakteristische
Darstellung einer literarischen Eintagsgröße voll
Selbstüberhebung. Auch Karl Forest als tod¬
geweihter Schauspieler war von pckender Tragikomik. —
Ehrlichen warmen Beifall fand nur der letzte Einalter
„Literatur“, der zwei literarische Bohemiens launig
schildert, eine Frau und einen Mann, die ihr
loses und bald abgebrochenes Liebesverhältnis
schriftstellerisch ausgeschlachtet, ihre Liebeskorrespondenz
jeder in einem Romane veröffentlicht haben.
Das wird ihnen sehr unbequem aus Furcht
vor dem neuen, aristokratischen Liebhaber der Dame, der
aus dieser dokumentarischen Uebereinstimmung der Brief¬
konzepte Argwohn schöpfen, den wahren Sachverhalt
durchschauen und Rechenschaft fordern kann. Irene
Triesch, Albert Bassermann und Karl Forest spielten das
Stück flott und lustig.
R.
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Telephon 12801.
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O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
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0
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
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hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
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(Quelienangabe ohne Gewähr.)

6 Ausschnitt aus: Freie Deutsche Preese
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E vom: 6 3. 19tPreisinnige Zeitung, Berlin
Kunst und Wissenschaft
Lelsing-Theater
Mittwoch zum ersten Male „Lebendige Stunden“
vier Einakter von Arthur Schnitzler. Und zwar: „Der
Puppenspieler“, „Die Frau mit dem-Dorche“, „Die letzten Masken“,
„Literatur“
Die schwere Not der Zeit zwingt Direktor Brahm immer
wieder, Ausgrabungsversuche mit älteren Dramen vorzunehmen.
Auch Schnitzlers vier Einakter sind den Berlinern bereits bekannt.
Der Zyklus „Lebendige Stunden“ hat allerdings eine andere Zu¬
sammensetzung erfahren, indem nunmehr „Der Puppenspieler“
vorangestellt worden ist. Durch diese Umgestaltung ist wohl eine
Kleinigkeit gewonnen worden, da diese Studie sich als wertvoller
erweist denn das frühere Eröffnungsstück. Aber auch jetzt stand es
so, daß sich erst bei dem letzten Einakter, dem Lustspiel „Literatur",
ein engerer Kontakt zwischen Bühne und Publikum herstellte. Die
vorhergebenden dramatisierten Dialoge enthalten gewiß manches
Interessante, wenn auch die Tendenz in ihnen vor zu viel „Geist¬
reichigkeit“ nicht immec klar zum Ausdruck gebracht wird, jedoch im
ganzen siehtman doch dort fast nur Theater, kein wirk¬
liches Leben. Mit der „Literatur“ aber ist es trotz der
starken Karilierung anders; es ist auch gewiß kein Zufall, daß hier
die Darsteller gleichfalls ihr Bestes gaben. Albert Basser¬
mann vor allem als Clemens als Aristokrat mit den wohlgepflegten
Händen und dem schlechtgepflegten Gehirn bot eine geradezu hin¬
reißende Charakterstudie, und wirkungsvoll unterstützte ihn Irene
Triesch, während Carl Forest, der in den „letzten
Masken“ seinen Schauspieler mit vollendeter Kunst gab, im Schlu߬
stück sich wenigstens ehrenvoll hielt. Albert Bassermann stand auch
im zweiten von den drei ersten Einaktern an hervorragendster
Stelle, und man kann ruhig behaupten, daß der Erfolg des Avends
hauptsächlich seiner genialen Darstellung zu verdanken ist. Im
übrigen sei noch Emanuel Reicher erwähnt, der in den
„letzten Masken“ den Journalisten Rademacher gab, und als
solcher zeigte, daß er immer noch höchst effeltvoll zu sterben,
versteht.