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16.1. Lebendige Stunden zukius box 21/5

Madeleines bei, während Herr Forest den haar¬
Kdi Tessing=Theater.
buschumwallten Dichtersmann auf zwei feste Beine
„Der Puppenspieler“. —
stellte. Der Schwank von der Literatur rettete
„Die Frau mit dem Dolche". —
„Die letzten Masken“.
denn auch den Abend. Die Heiterkeit des Parketts
„Literatur". Vier Einakter
wäre noch stärker gewesen, wenn sie sich nicht erst in den letzten
von Arthur Schnitzler.
paar Minuten hätte austoben können. Bis dahin hatte man
Diese in Berlin zum Teil schon bekannten Novellen sind
eigentlich auf die Lustigkeit des Lustspiels warten müssen.
nur zufällig dialogisiert und für die Bühne zurecht gemacht
Von den übrigen Mitwirkenden hatten Herr Reicher
worden. Eigentlich gehören sie nicht hinauf. Es fehlt ihnen
als sterbender armer Zeitungsmensch und Herr Paul Marx
alles Theaterblut und alles in gutem Sinne Theaterwirk¬
als menschenfreundlicher Doktor redlichen Anteil an den
same; sie gehen sämtlich zu behäbig in die Breite, lassen fast
schauspielerischen Ehren des Abends. Herr Forest aber
sämtlich die just für den Einakter, den tragischen wie den schuf in den Letzten Masken eine Gestalt, die man länger als
komischen, unentbehrliche scharfe Pointe vermissen. Ob Schnitzlers ganzes Schauspiel im Gedächtnis behalten wird:
Schnitzler nun das Ende eines Hochmütigen schildert, der mit den rührenden kleinen Provinz=Komiker, der nur noch acht
anderer Menschen Schicksal spielen wollte und am Ende er= Tage zu leben hat und Lebensmut für achtzig Jahre besitzt.
kennen muß, daß sie in ihrer fröhlichen, gesunden Einfalt Eine Meisterleistung, die selbst mit dem in der Idee ver¬
klüger als er gewesen sind; ob er Nietzsches Gedanken von der
sihlten, mangelhaft ausgeführten und unklaren Stücke ver¬
ewigen Wiederkehr des Gleichen zu einem platten Re¬
Ihnte; eine Meisterleistung, die lebhafteren Beifall verdient
naissance=Puppendrama verarbeitet; ob er unter den
hätte, als ihr, durch Verschulden des Verfassers zuteil wurde.
Scatten des Todes den Armen, Verachteten und Vergessenen,
r. n.
feelisch reicher und mächtiger dastehen läßt als seinen vom
Glück begünstigten, ehemaligen Jugendfreund; ob er schlie߬
#h ein paar Witzblattszenen zwischen der Dichterin, dem sie
amwerbenden Herrenreiter und dem Dichter skizziert, — man
hat in jedem Falle das Gefühl, allzu breiten Redeflüssen
gegenüber zu stehen die nur deshalb so laut rauschen, weil
sie beschämend flach sind.
Von den vier Stücken, die trotz des sie vereinigenden
klangvollen Titels gar nichts gemeinsam haben, faßt der
Puppenspieler noch am ehesten ans Herz. Seine Vorzi.ge sind
schon eingehend gewürdigt worden, als er hier zum ersten
Male auftauchte; bei der Wiederholung achtet man mehr
auf die Unwahrscheinlichkeit und Nomanhaftigkeit der Er¬
findung, als es für den Autor gut ist. Aber Basser¬
mann lieh dem herabgekommenen Stolzen seine ganze
Kunst, und die konstruierte Figur gewann so viel lebendige
Herbheit, und der ganze Jammer des Hungerleiders, der
immer noch den Millionär markieren möchte, war so echt,
daß man den entthronten König und Abenteurer minuten¬
lang fast lieb gewann. Als erfolgverwöhnter Alexander
Weihgast in den „Letzten Masken“ war er dagegen der fixe
Schauspieler, nichts weiter. Aus dem allzu süßlich=gespreiz¬
ten Ton, der blöd=geckenhaften Geberde, der outrierten Her¬
ausarbeitung eines einzigen Charakterzuges grinste die grobe
Karrikatur und verdarb dem Dichter alle Rührungseffekte.
Besser als der jüdelnde Weihgast in das Trauerspiel paßte
der freiherrliche Jockey Clemens in die den Abend schließende
Literaturposse. Hält man einen solchen Aristokraten in
solcher Umwelt schon einmal für möglich, oder findet man sich
lachend mit dem Zerrbilde ab, dann verdient Bassermann
Lob für seine immerhin diskrete Farbengebung. Außer¬
dem steuerte Irene Triesch eine schelmische und
hübsch parodistisch angelegte Lyrikerin von der Art Marie