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16.1. Lebendige Stunden zyklus
4442#
en
Zweite Beilage zu Ntr. 9 der „Breslauer M.
dienstag, den 7. Januar 1902.
[Roman seiner Freundin bis auf ein Exemplar einstampfen läßt, wie Onkel
Marg#
Feuilleton.
um zu beweisen, daß sie mit der Litteratur nichts mehrfihr &
haben will, dieses letzte Exemplar dem Feuer überantwortet,ssandte
gläubige Clemens sie gerührt in seine Arme schließt, das
ist kö
Desselbe gilt von den Gestalten. Die berechnende, kokette bezopf
„Lebendige Stunden“.
Marga
der trotz aller Berechnung immer wieder die Zic
Berlin, 5. Januar.
inlbar be
(von ehewols dürchbricht, der unverfrorene, phlegmatische, cynisc
in die
„Nach so vielen Leiden“, wie eine Arie in Rossini's Tancred“
schwachköpfige, vorurtheilsvolle und gutmüthige Ci
Theile
anhebt, die einst den Ruhm des „Schwans von Pesaro“ über beidelbert un
Hemisphären trug, aber etwas deutlicher und ein wenig nüchterneralle drer wirtn erschütternd. Der erste Lachsturm brach los, als Mar=heits¬
gareihe sich selber schildernd, zu ihrer Entschuldigung anführte: „Ichljetzti
gesprochen, nach den vielen Mißerfolgen der vorigen und der jetzigen
mplicirt!“ und diesem Lachsturm folgten viele. Gespieltlindem
Spielzeit hatte das „Deutsche Theater“ am Sonnabend endlich bin ja#
Schwank entzückend. Icene Triesch als Mar=Acte“
wieder einmal eine anziehende und anregende, des Beifalls würdigewurde
garethe
Bassermann als Clemens und Herr Rittner,sjedoch
und durch Beifall ausgezeichnete Erstaufführung zu verzeichnen. Die
der dens
in der Maske Hartlebens gab, jeder stand an seinem kämpfe
unter dem Gesammttitel „Lebendige Stunden"*) vereinigten
Platze und fillte diesen Platz aus.
neuen Einacter von Arthur Schnitzler, die gestern das Licht der
Wu¬T
Bemerktssei schließlich noch, daß von den vier Stücken das erste,lvielfal
Rampen erblickten, sind einer Aufnahme begegnet, die mit kühler An¬
dritte und virte unverfälscht wienerisch sind. Nur „die Frau mit dem
erkennung begann, dann wärmer und wärmer wurde, und mit stürmischem
Dolche“ (h=keine besondere örtliche Herkunft.
Jubel endete. Nicht nur um dieses Erfolges, sondern auch um des
St—m. „Schr
inneren Werthes der Stücke willen stellt die Reihenfolge, in der sie
Eine
gegeben wurden, eine der glücklichsten Steigerungen dar. Zuerst
Flügel und Pianinos, stane
kommt ein Schauspiel, dessen Titel „Lebendige Stunden“ auch
Alleinvertretung 1042thaus
als Gesammtüberschrift dient. Ihm folgt das Schauspiel „Die Fraul
Route
mit dem Dolche", An dieses reiht sich das Schauspiel „Die
Georg Neumann, hebun

letzten Masken“. Und das krönende Ende bildet der Schwank
e Mrhenstraße 13.s1 61
„Literatur“.
Das erste Stück ist kaum mehr als ein gesprochenes Feuilleton ein
Schauspiel ohne Handlung und nur aus einem Dialog bestehend. Eine
Hofräthin ist gestorben und ein im Ruhestande lebender Beamter, mit##
dem innige Freundschaft sie verband, trauert tief um sie. Der SohnMa¬
der Verblichenen, ein Dichter, erscheint bei dem Alten und das Gespräch
884h
gilt der Todten. Die Trauer des Sohnes erscheint dem Alten nicht ernst#
genug und er macht dem jungen Manne die Mittheilung, daß seine
2
Mutter, weil ihr langwieriges Leiden den Sohn nicht zu freudigem
Schaffen kommen ließ, sich das Leben genommen habe, damit der Sohn
nicht länger an der vollen Entfaltung seiner Begabung gehindert werde.
Der Sohn ist erschüttert. Das hat er nicht gewollt. Daran ist er#
unschuldig. Aber da das Opfer einmal gebracht ist, wird er es dichterisch
verwerthen. Dieses „Recht des Lebenden“ nimmt der Sohn unverkürzt
für sich in Anspruch. Die Stimmung, die in diesem Zwiegespräch ent¬
halten ist, wurde durch die Darstellung der Herren Reinhardt undistei
Rittner ausgelöst. Eine größere Wirkung kann das Stück, das Halte
eigentlich kein Stück ist, nicht erzielen.
Geistreich seinen Gedanken, phantastisch seiner Ausführung und
ziemlich frostig seinem Eindruck nach ist der zweite Einakter, „Die
Frau mit dem Dolche“. Das Stück gehört einer Gattung an,sist di
die vor etwa zehn Jahren beliebt zu werden schien, die Gattung der16 3i
„Traumstücke". Als Barnay noch das „Berliner Theater“ leitete, Neuze
wurde an dieser Stätte ein vieraktiges Schauspiel von dem Schweizer oder
Widmann, „Jenseits von Gut und Böse“, aufgeführt. Der erste und
der letzte Akt dieses Stückes spielen in bürgerlichen Kreisen der Gegen¬
wart, während der zweite und dritte in das Florenz der Renaissancezeit
verlegt sind. An dieses Widmann'sche Stück erinnert der Schnitzler¬
sche Einakter. Pauline und Leonhard lieben sich. Sie ist die Frau
eines reichen Mannes, der zu seiner Unterhaltung literarisch thätig ist.[Die
Er ist ein junger, hübscher, kräftig gebauter Mann. Im Museum, bei
der¬
dem Bilde der „Frau mit dem Dolche“ — ein unbekannter Meister des
— J.
fünfzehnten Jahrhunderts ist der Schöpfer des so bezeichneten Gemäldes
Inv.
treffen sie sich.
Ihr Gatte weiß, daß sie und zu
welchem Zweck sie hier ist. Sie selbst hat es ihm gesagt. Um
verhindern, daß sie sich Leonhard ganz hingiebt, wird sie morgen mit
ihrem Gatten verreisen. „Dann bleibt uns doch noch der Abend, die
Nacht", spricht Leonhard und beschwört die Geliebte, diesen Abend zu
ihm zu kommen. Ehe Pauline darauf endgiltig antwortet, träumt siel=Mad
Aus
von der „Frau mit dem Dolche“, der sie, wie Leonhard meint und wie
sie selbst fi det, sehr ähnlich sieht. Die Scene verwandelt sich. Das edlen
Arbeitszimmer eines Malers zur Mediceerzeit thut sich auf. Derl glanz
die
Morgen graut und Leonardo will von Paola, der Gattin des Malers!
Saiso
Remigio, die sich ihm in dieser Nacht hingegeben, Abschied nehmen.
Da naht, von einer Reise zurückkehrend, Remigio. Paola theilt ihm, Tout
weil sie nie lügt, mit, daß sie ihm untreu geworden und Remigio verri
ganze
straft, statt blutige Rache zu nehmen, Beide mit Verachtung. Leonardo
Conce
verlangt, getödtet zu werden, und als Remigio sich dessen hartnäckig
einen
weigert, sticht Paola den Geliebten nieder. Dieser Vorgang giebt Re¬
der v
migio Stoff zu seinem angefangenen Gemälde „Die Frau mit dem
versch
Dolche". Die Züge Paola's, als sie Leonardo tödtete, das sind die
und
Züge, nach denen Remigio im Geiste für das Bild gesucht hat. Sofort
Frack¬
ergreift er Pinsel und Palette und beginnt zu arbeiten. Der Traum
neue
ist zu Ende. Pauline und Leonhard stehen sich wieder im Museum gegen¬
B
über. Leonhard wiederholt seine Bitte und Pauline haucht ihm ein: parad¬
drückt