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16.4. Litenatun box 22/3
Husschnitt augesterr. Velks-Zeitung. Wien
J. 104, (kleine Ausgabe)
vom:
KRR
45
Sipenter und Kunst.
Burhtheater. Den gestrigen Premierenabend um¬
spielte Kin aristophanisches Lächeln, da drei vorzügliche
Satiren m Programm standen. Eine etwas ungewöhn¬
liche Erscheinung im Spielplan unserer Hofbühne; so
sellen, daß deren Aufführung ein Experiment wurde,
das zum Teil freudige, zum Teil unaugenehme Ueber¬
raschungen brachte. Mit Frank Wedekinds „Der
[Kammersänger“ wurde der Reigen in wenig
glücklicher Weise eröffnet. War es die gute alte Burgtheater¬
tradition, die der Schärse der Wedekindschen Tiabolik
entgegenarbeitete? Man hätte sich beinahe versucht gefühlt,
diese Frage zu beantworten, wenn sie nicht durch die
gelungene Aufführung der folgenden Satire in einem
analogen Fall negiert worden wäre. Herr Reimers
präsentierte sich äußerlich vortrefflich als der Frauen¬
verführer Kammersänger Gerardo. Aber die allzustarre
und leblose Art seiner posierenden Darstellung schienen
weit mehr in ein antikes Heldendrama als in eine
moderne Salire zu passen. In der Rolle der unglücklichen
Helene vermochte Frau Kallina nicht über das Maß
des Konventionellen hinauszureichen. Der Rest sei Schweigen.
wobei der vortrefflich gezeichnete Professor Dühring des
Herrn Straßny auszunehmen ist. — Wesentlich besser
gestaltete sich die Aufführung der von Siegfried
[Trebitsch übersetzten tragischen Posse „Bon¬
[bouroche“ von Georges Courteline. Die
Figur dieses so überaus gutmütigen und eben deshalb
lächerlich
schamlos betrogenen Liebhabers ist
und rührend zugleich. In diesem Sinne kam sie
durch Treßlers meisterliche Darstellung zu
Schmerz
Vollendung.
künstlerischer
höchster
Zorn, Wut wildrasendes Rachegefühl. Verzweiflung,
Tränen. Zerknirschung und völlige Unterwersung unter
den Willen der treulosen Geliebten — diese ganze Skala
menschlicher Leidenschaften brachte er zum Tönen. Und
ull das klang aus den wundersamen Tiefen grenzen¬
loser Liebe zu der Einen, Einzigen — ohne die
Boubouroche eben nicht leben kann — hervor. Die ver¬
führerische Koketterie Adekens kam durch Frau
Geltung.
bester
zu
Albach=Retty
Artur Schnißlus glänzender Lustspieleinakter
„Literatur“ brachte den Abend zu einem schönen
Abschluß. Fräulein Marberg entzückte ais Margarete
durch eine köstliche Vereinigung von Raffinement und
Naivität. Ihr schlossen sich Herr Heine, vorzüglich als
Gilbert. und Herr Treßler als originell=komischer.
wenn auch allzu gezierter Baron Clemens wirksam alt,
Herr Devrient konnte nach jedem Aktschluß für den
Bsall danken, wobei nur das Wedelindsche Stück An¬¼
#an
Pgß zu vereinzelnten Mißfallsbezeigungen gab.—
Prasschine uus.
Naue Freie Presse,
Wien
T·FEB. 10½
vom:
Theater= und Kunstnachrichten.
Wien, 31. Januar.
[Burgtheater.] Ein Einakterabend, aus den ver¬
schiedenartigsten literarischen Elementen interessant gemengt
und von einer angenehmen Heiterkeit erfüllt. Die Stücke sind
von den Aufführungen an anderen Wiener Bühnen bekannt,
aber in den Rahmen des Burgtheaters gestellt, wirken sie
wie verändert, gleichsam wie unter einem Vergrößerungsglas
betrachtet. Der Abend brachte zunächst das Burgtheaterdebüt
Frank Wedekinds. Die drei Szenen seines „Kammer¬
sänger“ wirken etwas umständlich und breit, aber das ist
wohl weniger die Schuld der Regie, als die des Dichters, der
nur völlig ungekürzte Aufführungen seiner Werke gestattet.
Den von der Beliebtheit und Frauengunst gequälten und
verfolgten berühmten Tenor spielt Herr Reimers einfach,
mit ruhigem Humor, nur etwas zu bieder, ohne den unerlä߬
lichen Zug ins Croteske. Als hysterisch verliebte Frau hatte
Frau Kallina sehr gute Momente und die sorgfältig ge¬
zeichnete Episode des Herrn Straßni fand speziellen Bei¬
fall. Hierauf Georges Courtelines in der Lustigkeit
und im Ernst gleich entzückende und echt; tragische Posse
„Boubourroche“. Der aus seiner Gemütlichkeit und Ahnungs¬
losigkeit aufgescheuchte Kaffeehausphilister gehört zu den besten“
Leistungen Treßlers: er war rührend lustig und komisch
rührend und gestaltete eine Figur von eindrucksvoller Mensch.
lichkeit. Reizend Frau Retty als selbstverständlich lügende
und betrügende Freundin, die Herren Frank, Gimnja
und Zuska sehr gut. Zum Schluß Artur Schnitzlers
amüsant jatirisches Lustspiel „Literatur" das man immer
wirder mnit Vergnügen sieht und das von Fräulein Mar¬
berg und den Herren Treßler und Heine sehr lustig,
fesch und eliegant gespielt wurde und auch am stärksten wirkte.
Nach allen drei Einaktern dankte der Regisseur für die
Autoren, für Wedekind unter einigem Widerspruch.
Frauz Molnar macht
Menant inn
Deutsches Volksblatt
Husschnitt aus:
Wier
— 2. 19 11
vom:

Fheater, Kunst und Literatur.
Hofburgtheater. Gestern servierte uns der pri¬
bisorische Leiter derHofbühne Herr Thimig
Souper, dessen einzelne Gänge uns bereits wohlbekanz
waren, wenn sie damräts, auch nicht in Her ersten dramat
schen Küche Wiens zubereitet worden waken. Die drei Werk
die gestern zur Alpführung gelanglen, hatten yur für de
Burgtheater den„Charäkter von Novitöten; zwei davo
wurden seinerzeit von den Jarno=Bühnen herausgebracht un
die letzte gehörte dem Spielplane des Deutschen Volk¬
theaters an. Es war eine Melange aus Frank Wede
kind, Georges Courteline und Artur Schnitzle“
die man gestern dem Publikum vorsetzte. Mit dem „Kammer
sänger“ machte man den Anfang. Herr Reimer
lieh seine sympathische Männlichkeit der Gestalt des Künstlers
der meint, weil sich ihm täglich Dutzende von Mädchen un
Frauen anbieten — aus bloßer Eitelkeit, um sagen zu
können, auch zu den Vielen zu gehören, die seine Gunst be¬
saßen — gäbe es keine echte Liebe, keine wirkliche Leiden¬
schaft. Frau Kallina gab mit warmer Empfindung die¬
jenige, über deren Leiche der Sänger hinwegschreitet, um
zum nächsten Gastspiele rechtzeitig einzutreffen. In den
beiden übrigen Rollen von Bedeutung fanden Fräulein
Leschka und Herr Straßni die verdiente Anerkennung
des Publikums. — Die „tragische Posse“ Courtelines, die
uns die komische und zugleich rührende Gestalt des dicken,
gutmütigen Boubouroche (Herr Treßler) vorführt, der
von seiner Geliebten (Frau Albach=Retty) mit beispiel¬
loser Frechheit betrogen wird, weckte stürmische Heiterkeit.
Mit den beiden Hauptdarstellern teilten sich die Herren
Zeska und Gimnig in den Beifall. Den Abend schloß
der oft gespielte Einakter „Literatur“ Artur Schnitzlers.
Das Künstlertrifolium Fri ein Marberg, Herr
(Treßler und Herr Heine ueß die Farben dieser schon
ziemlich verstaubten dramatischen Kleinigkeit wieder frisch er¬
scheinen.
—ber.