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Wir erheben hier demnach weder auf die bisherigen Be¬
ziehungen des Versassers zum Burgtheater gestützte, noch mit
den künstlerischen Eigenschaften des abgelehnien Werkes moti¬
birte Einsprache gegen die Zurückweisung des „Schleiers der
Beatrice". Denn wir sind weit davon entfernt,
dem Director des Burgtheaters das Recht,
Stücke anzunehmen oder abzulehnen, das er
kraft seiner persönlichen Verantwortlich¬
keit zweifellos und unantastbar besitzt,
irgendwie schmälern zu wollen.
Allein jeder Schriftsteller, wie viel oder wie wenig er
immer nur bedeute, hat den ebenso zweifellosen und unantast¬
baren Anspruch darauf, daß dieses Recht gegen ihn und seine
Werke, seien sie nun gut oder mißlungen, in einer Weise ge¬
handhabt werde, die jede Willkür, Schädigung und nach¬
theilige Unklarheit ausschließt.
In dem Falle, der uns beschäftigt, hat der Director des
Burgtheaters unserer Meinung nach durch sein Verfahren dem
Autor in einer unstatthaften Weise begegnet, und gegen dieses
Verfahren sehen wir uns um so dringender genöthigt, Protest
einzulegen, als nach den heute am Burgtheater
geltenden amtlichen Bestimmungen die dra¬
matischen Schriftsteller jeder wie immer ge¬
arteten directorialen Entscheidung wehr¬
los gegenüberstehen.
Das Unstatthafte dieses Verfahrens besteht zunächst darin,
daß Herr Director Schleuther durch seine Zuschrift vom
13. Februar Herrn Arthur Schnitzler in den festen Glauben
versetzte, der Annahme seines Stückes stünden keine sachlichen
Gründe mehr im, Wege,
Das Unstatthafte dieses Verfahrens besteht weiter darin,
daß der Director Burgtheaters trotz seines hier ange¬
führten Schreibens vom 13. Februar den Autor vier Monate
lang ohne jede Antwort gelassen und es vermieden hat, eine
wiederholt angesuchte, die schwebende Angelegenheit betreffende
Unterredung herbeizuführen.
Das Unstatthafte dieses Verfahrens besteht ferner darin,
daß Herr Director Dr. Schleuther den Autor erst am 16. Juni
mit seinen so völlig veränderten Absichten überraschte, und
endlich spricht sich das Unstatthafte dieses Verfahrens darin
aus, daß Herr Director Dr. Schlenther auf die Anfrage des
Autors vom 1. September nicht nur den von ihm selbst als
möglich bezeichneten Termin, Frühjahr 1901, fallen ließ, son¬
dern auch für die ganze, ihm vom Autor freigestellte Saison
einen Termin verweigerte und schließlich das Stück mit dieser
einzigen Begründung abwies.
Mit Rücksicht darauf, daß der Director des Burgtheaters
in seinem Briefe vom 13. Februar d. J. das Erstaufführnggs¬
recht für den „Schleier der Beatrice" verlangte und spontan er¬
klärte, nur das Burgtheater könne dieses Stück
spielen; mit Rücksicht darauf, daß sich aus diesen und den
übrigen in der erwähnten Zuschrift enthaltenen Mittheilungen
ergibt, der Director des Burgtheaters habe sich bereits am
13. Februar über das ihm vorliegende Werk vollständig
orientirt und beschlußfähig gezeigt, mit fernerer Rücksicht
darauf, daß keine Veranlassung besteht, die Worte eines auf
so verantwortungsvollem Posten befindlichen Theaterleiters in
einem so wesentlichen Falle als nicht seriös anzusehen, ist ein
sachlicher Zusammenhang zwischen seinen Verlautbarungen vom
13. Februar und 17. Juni nicht auffindbar. Dieser sachliche
Zusammenhang wäre auch mit der etwaigen Erklärung nicht
gegeben, es hätten sich Bedenken gegen das Stück erst nach
dem 13. Februar geregt, weil es in der hier citirten, Anfangs
Juni eingelangten Karte ausgesprochen erscheint, daß sich Herr
Director Dr. Schlenther erst um diesen Zeitpunkt wieder mit
dem „Schleier der Beatrice" beschäftigt habe.
Darauf deutet auch der Umstand hin, daß Herr Director
Dr. Schlenther in der ganzen Zeit vom 13. Februar bis zum
17. Juni nicht das Bedürfniß fühlte, sich über das eingereichte
Stück nochmals zu äußern, zu welcher Aeußerung er, falls
ihm Bedenken in dieser Zwischenzeit aufgestiegen wären, aus
naheliegender Rücksicht gegen den Autor verpflichtet gewesen
wäre.
Wir erheben Einsprache dagegen, daß es dem Director des
Burgtheaters gestattet sein soll, sich in so auffallender Weise
zu widersprechen und im September ein Stück abzulehnen,
dessen Erstaufführung er im Februar gewünscht hat. Denn es
ist klar, daß es einem Schriftsteller, der nur die nöthige Ge¬
duld aufbringt, gelingen kann, im Wechsel der „Constella¬
tionen" binnen wenigen Jahren ebenso oft angenommen als
abgelehnt zu werden.
—1
Wir erachten es im Interesse der Autorität des Directors
des Burgtheaters für geboten, daß sein in Ausübung des
Amtes hinausgegebenes Wort einer gewissen Verläßlichkeit nicht
entbehre, und wir sahen uns genöthigt, in dem vorliegenden
Fall das Wort zu ergreifen, weil das Verfahren, das hier
gegen einen bekannten Schriftsteller geübt wurde, uns mit auf¬
richtiger Besorgniß für die Behandlung erfüllt, die heran¬
wachsenden, noch nicht beglaubigten Talenten am Burgtheater
zu Theil werden mag.“