Faksimile

Text

14. Der Schleier der
box 20/1
Beatrice

aber gerade beim Hoftheaterdirektor einigerm##en entschuldbar er¬
scheinen. Freilich nur einigermaßen; eine offene und männliche Er¬
klärung dem Antor gegenüber wäre unter allen Umständen würdiger
und wohl auch praktischer gewesen als dies unselige, aber leider vielen!
Hoftheatern eigenthümliche Hinhalten.
Wir sagen nicht, daß der Vorgang sich genan so abgespielt hat. Wir
sind auch weit entfernt davon, alles, was Paul Schleuthen fürs Burg¬
theater und im Burgtheater gesagt und gethan hat, für hervorragend!
geschickt zu halten. Aber wir versuchen es, uns ein wenig den Stand¬
punkt des Mannes zu vergegenwärtigen, der auf einem wenig
beneidenswerthen Posten, von heimlichen und von offenen Gegnern
Diese Erklärung hat nach den telegraphisch hierher gelangten Nach¬
und
umgeben, zu
arbeiten gezwungen ist,
der vielleicht
richten zunächst den sehr natürlichen Erfolg gehabt, die Stellung des
nur aus Trotz die sehr dornige Ehrenkrone noch nicht auf¬
Burgtheaterdirektors an „maßgebender Stelle“ nicht zu erschüttern,
gegeben hat, auf die mauch Einer im Hintergrunde sehn¬
sondern im Gegentheil zu befestigen. Der Angriff richtet seine Spitze
süchtig die Augen richtet. Was Herr Schlenther mit Herrn
eben nicht allein gegen den verantwortlichen Bühnenleiter, sondern
Schnitzler auszumachen hat, das mögen Beide mit einander ausfechten.
auch gegen die Unverantwortlichen hinter den Kulissen, die
Will ihnen die Wiener Presse bei diesem welterschütternden Waffen¬
wie Jedermann weiß, an allen Hoftheatern eine ausschlaggebende
gang sekundiren, so mag sie es thun. Bei uns, im kälteren Norden,
Stimme besitzen. Wahrscheinlich wird sich die Sache so zugetragen
sehen wir solche Theaterkämpfe ruhigeren Gemüthes an — besonders,
hoben, daß Schlenther zunächst gar nicht daran dachte, sich die Erst¬
wenn es sich um einen Autor wie Schnitzler handelt, dessen literarischer
aufführung eines neuen Werkes von Schnitzler entgehen zu lassen; er
Ruf feststeht, und dessen neues Werk durch ein solches Vorgefecht
spricht das auch in dem sicher nicht für die Oeffentlichkeit bestimmten
wahrlich keinen Schaden erleidet, ob es nun in Wien oder in München
Brief vom 13. Februar, der durch den Ausfall gegen das Deutsche
oder auch in Berlin zuerst aufgeführt wird.
Theater einen pikanten Beigeschmack erhält, ganz offen aus. Das
war die „erste Lesung". Dann kamen die zweite und die dritte Lesung,
5 In der Großen Berliner Kunstausstellung, die, worauf
bei denen wohl Andere dem geplagten Direktor lesen halfen, — und nun
wir nochmals aufmerksam machen, bis zum 30. September c. ver¬
stieg aus dem duftigen „Schleier der Beatrice", das von blutrothem
längert wird, fanden in den letzten Tagen nachstehende
Feuer bestrahlte Gespenst der Revolution auf, die im „Grünen
Verkäufe statt: Oelgemälde von Eugen Bracht: „Märkischer
Kakadu“ in den kaiserlichen und königlichen Räumen des Hofburg¬
Joh. Chr. Draht¬
Herbstwald", Derselbe: „Spreeufer“,
theaters ihren nicht Allen willkommenen Einzug gehalten hatte. Wir
mann: „Zur Brunstzeit", Albert J. Franke: „Reisepläne“,
Jos. Rummelspacher: Tschetschsee im Herbst", Der¬
glauben gar nicht, daß Schlenther den Stimmen, die sich nun erhoben,
selbe: „Neuschnee an der Habachhütte“, Heinrich Lessing:
so ohne Weiteres nachgegeben hat. Es ist viel wahrscheinlicher und
„Aus Sluis, Holland“, Konrad Kiesel: „Bildnißstudie, Dame“,
liegt viel mehr in seinem Charakter begründet — den wir genauer
Isidor Verheyden: „Moor im Juni", Rudolf Possin: „Hol¬
zu kennen glauben als die Wiener —, daß er für den ge¬
ländisches Mädchen", Paul Vorgang: „Abend im Muskauer Park“,
fährdeten Autor und dessen gefährdetes Stück gesprochen, ja vielleicht
eine Radirung von Karl Oenicke, eine Illustration von E. Hen¬
sogar mit preußischer Zähigkeit gestritten hat; dieser Umstand würde
seler: „Aber Exzellenz, Frühschoppen“, ein Spiegel von Gustav
auch am besten das Schweigen von vier Monaten erklären,
[Lind sowie verschiedene andere kunstgewerbliche Gegenstände.
das dem Direktor zum Vorwurf gemacht wird. In dieser Zeit spielte
E Karl Becker, der Ehrenpräsident der Akademie der Künste,
sich eben die Komödie hinter den Kulissen ab. Daß Schleuther aus
wird am 18. Dezember achtzig Jahre alt. Zur Ehrung des greisen
dieser Zwangslage nicht glücklich herauskam, daß er vor allem dem
Künstlers, der noch bis in die letzten Jahre sich schaffend bethätigt!
Autor nicht sofort über die veränderte Sachlage Mittheilung machte,
hat, plaut die Berliner Künstlerschaft größere Festlichkeiten. Pro¬
daß er endlich, ohne zu zucken, die ganze Schuld auf sich nehmen muß:
fessor Becker war eine Reihe von Jahren hindurch Vorsitzender des
das sind Vorwürfe, die man dem Hoftheaterdirektor machen kann, die Vereins Berliner Künstler und länger als ein Jahrzehnt Präsident!
Wehne agebütt