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Text

— Peimats¬
Hierauf konnte ich meinem Antwortschrei#en vom
recht erworben, auch ein Recht habe, seine ferneren
2 September nur folgenden Schluß geben: „Wenn Sie mich
Arbeiten angenommen zu sehen, wenn ihm nicht unwider¬
nun vor ein kategorisches „Ja“ oder „Nein“ stellen, so bin
ich in der Konsequenz meines letzten Briefes (vom 17. Juni)
legliche Gegengründe nachgewiesen werden. Der bloße
genöthigt, „Nein“ zu sagen, denn die von Ihnen gewünschte
Zweifel an dem Erfolg eines neuen Stückes ist kein solcher
bindende Zusicherung eines Termins im Verlauf der soeben
hinreichender Grund. Denn ein Theater muß schon was auf
beginnenden Saison zu geben, bin ich außer Stande.“
die eigene Verantwortlichkeit eines anerkannten Autorss¬
riskiren. Es dürfen nicht blos Stücke auf die Autorität des
Direktors hin durchfallen, der in ihnen vielleicht sichere
„Schlager“ prophezeit hat
— auch der dramatische Dichter
hat das Recht, auf seine eigene Autorität hin durchfallen zu
dürfen.
Und gewiß hat jeder Theaterkritiker nicht nur das
Recht, sondern auch die Pflicht, nicht blos über das zu
urtheilen, was beim Lampenlicht auf offener Szene vorgeht,
sondern auch über das, was im Coulissendunkel hemmend
und schädigend geschäftig ist. Und hätte Jeder von jenem
„Tribunal der Sechs“ für sich allein, aber in Gedankenüber¬
einstimmung mit den Kollegen und nach vereinbarter
gemeinsamer Parole, seine. Stimme mit schärfster
Tongebung zum Schützer eines thatsächlich, oder
vermeintlich verletzten literarischen Rechtes erhoben, die Wir¬
kung wäre eine viel mächtigere und eindringlichere gewesen,
als mit dieser Autoritätspose der Selbsterhöhung zur richter¬
lichen Instanz, zu einem Appellhof, gegen den es keinen Rekurs
mehr geben könne. Hier sind Sechse beisammen wirklich
weniger gewesen, als jeder Einzelne für sich, und es hat sich
wiederum gezeigt, wie ein Effekt zunichte gemacht werden
kann, weil man ihn durch unpassende Mittel zu verstärken
trachtet.
Auf die „Urtheilsverkündigung“ des „Rathes der
Sechs“ antwortet Direktor Schlenther mit einer Er¬
klärung, deren Hauptpunkt, die Bestreitung der definitiven
Annahme des Schnitzler'schen Stückes wir oben schon
erwähnt haben und deren wesentlichste Stellen wir folgen
lassen:
„Arthur Schnitzler hat den sechs protestirenden
Kollegen einen Brief zur Veröffentlichung überlassen, den ich
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ihm am 13. Februar schriev. Der vertrauliche, freundschaftliche
Charakter dieser Zeilen tritt ebenso deutlich in der Form
hervor, wie ihr zurückhaltender, völlig unverbindlicher Cha¬
rakter im Inhalt. Hätte ich geahnt, daß dieses Brieschen“) je das
Licht der Oeffentlichkeit erblicken würde, so wäre ich dem weisen
Rathe jenes jungen Mannes aus Schnitzler's „Liebelei“ gefolgt,
der den Freund nach der Entdeckung seiner Liebesbriefe
warnt: „Ich sag' es immer, man soll nicht Briefe schreiben.“
Die Methode des vertraulichen Privatverkehrs zwischen
Autor und Theaterdirektor, die so oft beiden Theilen Nutzen
schuf und schaffen wird, ist hier leider einmal gescheitert.
Andererseits ist gerade aus meinen nun veröffentlichten
Zeilen vom 13. Februar klar ersichtlich, wie weit ich damals
noch von dem Entschluß zur Annahme des Stückes entfernt
war: ich spreche von einer „ersten flüchtigen Durcharbeitung“;
ich äußere Bedenken gegen meine eigenen Kürzungsversuche:
die Besetzungsfrage erregt bei mir ebenso starke Zweifel wie
beim Autor.
.Alle Bedenken steigerten sich, als ich nach einer
zweckmäßigen Pause im April nochmals an das Studium
des Werkes ging. Und sie steigerten sich bei einer dritten
Durchsicht im Juni erst recht. Darauf schrieb ich am 17. Juni
an Arthur Schnitzler, der bis dahin nicht den geringsten
Grund hatte, die Annahme des Stückes für gesichert zu
halten. Dem Urtheil einer Bühnendirektion bieten sich, wie
dem Urtheil der Kritik, drei Kategorien von Stücken dar
Bei den einen steht die Unannehmbarkeit von vornherein
fest: es sind weitaus die meisten.
Bei den anderen steht die Annehmbarkeit von vorn¬
herein fest; es sind die wenigsten. Bei der dritten Kategorie
kann man zweifeln, und das Urtheil kann und wird nicht
nur bei der Gesammtheit der Leser, sondern auch beim Ein¬
zelnen schwanken. Man hat Beispiele, daß die Autoren selbst,
im Laufe der Wochen und Monate, über ihre eigenen Stücke
zu einer anderen Meinung gelangten und die Stücke zurück¬
zogen oder umarbeiteten Man hat Beispiele, daß auch
Kritiker nach der ersten Bühnenaufführung ein Stück ver¬
dammten, dessen Vorzüge sie einige Zeit später anerkannten.
Zu dieser dritten Kategorie scheint mir „Der Schleier
der Beatrice" zu gehören. Was mich an dem Stücke immer
stärker zweifeln ließ, geht aus meinem Briefe vom 17. Juni
klar hervor. Dort heißt es unter Anderem: „Ich habe mich
dieser Tage noch einzak sehr genau mit dem Stücke, seiner
Personenfülle und ##en sienischen Schwierigkeiten, seinen
feinen poetischen Reizen beschäftigt und ich bin Ihnen das
ehrliche Geständniß schuldig, daß meine Hoffnungen auf einen
Bühnenerfolg mit jedem neuen Studium immer mehr sinken.
Nur weil mir diese Ueberzeugung sehr gegen das Herz geht,
*) Die sechs Schriftsteller haben in dieser Anklageschrift
einen Privatbrief Direktor Schlenther's an Arthur
Schnitzler veröffentlicht, auf welchen sich die Präsumptio¬
der definitiven Annahme des Stückes hauptsächlich stü
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