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cht in: iehrig Komische 190. De
sentimentalen letzten Vers aus dem Jünglingsliede sollte die Regie
streichen. Dirigent war Herr Trummer.. Ein bischen flotteres Lust¬
spieltempo und kürzere Zwischenakte würden die Wirkung des humorvollen
Werkes erhöhen.
Das Lobe=Thrätte harie gestern sernen großen Tag E Premer
echte Première, das Werk eines unserer ersten Dichter, das noch nirgends
zuvor aufgeführt, über das die Breslauer zuerst richten durften. Und noch
dazu ein Werk, dem vielfache Schicksale, von der Wankelmüthigkeit des
Burgtheater=Direktors bis zu dem drolligen Ukas der Wiener Kritiker
über die Gerechtsame eines Theaterdirektors, mindestens ebenso gut den :
Stempel der Sensation aufgedrückt hatten, wie ein preußisches Censur¬
verbot. Und der Erfolg? Nun, Schnitzler, der der Première seines fünf¬
aktigen Schauspiels beiwohnte, durfte sich nach dem dritten Akte zweimal,
nach dem vierten Akte einmal zeigen. Auch die anderen Akte fanden Beifall,
doch auch nicht wegzuleugnenden Widerspruch. Es sei von vornherein
bemerkt, daß der Erfolg und der Beifall sicherlich wesentlich größer ge¬
wesen wäre, wenn nicht die Aufführung, vor Allem durch die Besetzung
der Haupirolle, dem Eindrucke wesentlichen Abbruch gethan hätte. Aber
es will mir scheinen, daß auch bei besserer Aufführung ein stärkerer Beifall
wohl mehr den Schönheiten des Werkes, als dem schönen Werke gegolten
haben würde. Denn Schnitzler ist hinter dem Ziel, das er sich gesteckt,
zurückgeblieben; es ging über die Kraft.
Es liegt nahe, gerade um der Eigenart eines Dichters gerecht und über
die Grenzen seines Könnens klar zu werden, sein neuestes Werk mit
früheren gleicher Art zu vergleichen. Beim „Schleier der Beatrice“ drängt
sich so heterogen Stoff und Behandlung sonst sind, der Vergleich mit dem
Münen Kalabu auf. In dem „Grünen Katadu“ hat Schnißzler gezeigt,
daß er es versteht, in den kleinen Erlebnissen der Menschen das Wesen
der Zeit wiederzuspiegeln, und wiederum aus der Zeit selbst das Wesen
der Menschen zu erklären; denn wenn wir jene wild erregien, wirren
Scenen in der kleinen Spelunke sehen, so glauben wir den gellen Klang der
Sturmglocken der Revolution zu hören und den dumpf rollenden Donner
zu vernehmen und den Sturm der großen weltgeschichtlichen Ereignisse.
Auch im „Schleier der Beatrice“ schildert er eine große, wildbewegte Zeit;
er schildert Italien zu den Zeiten der Borgia, in denen kraftvolle Männer
und schöne Frauen in heißer Lust und starker Begierde sich als skrupellose
Lebenskünstler das Leben herrlich gestalteten, in denen sich die Natur des
Menschen in ihrer gewal'iasten Größe oder in ihrer tollsten Verzerrung
zeigte. Vielleicht liegt ei ge abe unserer Zeit, die in junger Kraft das
Recht auf Ausleben der Indioidualität predigt, nahe, auf jene Zeiten
zurückzugreifen. Aber Schnigler genügte es noch nicht, jene gluthvolle
Epoche zu schildern; er thürmte einen Berg auf den anderen. Denn er
führt uns nach Bologna an jenem Abend und in jener Nacht, die dem Tage
scheinbar sicheren Unterganges durch die Heerschaaren des Cesare Borgia
vorangeht, also in eine Zeit, in der das Leben ein tausendfach köstliches
Gut wird, in der jede Sekunde eine Ewigkeit bedeutet. Sollten wir aber
den Täumel solcher Zeit verstehen, so muß das Schauspiel von solcher
Gluth und Leidenschaft überströmen, daß es den Hörer stürmisch mit fort¬
reißt, und es muß in solchem Glanze und in solcher Schönheit strahlen,
daß es wie die Verkörperung der Lebenslust und Lebensfreudigkeit erscheint.
Diese Kraft und dieser Glanz finden sich aber wohl an einzelnen Stellen,
dem Drama als Ganzen fehlen sie.
Selbst eine ausführliche Inhaltsangabe würde wohl nicht sonderlichen.
Werth haber; denn durch eine Erzählung von dem Gang der Ereignisse
pflegt man am wenigsten den Inhalt eines Dramas zu erschöpfen, das
zum Ziele hat, das innerste Wesen der Menschen zu entschleiern. Nur
einiges sei flüchtig angedeutet. Der große, herrliche Dichter Filippo
Loschi liebt die junge, eben erblühte, holdselige Beatrice, eines alten, ver¬
rückten Wappenschneiders Tochter. Aber er stößt die Geliebte voll inneren
Grauens als unrein und entweiht von sich, als sie ihm in naiver Un¬
schuld erzählt, daß sie im Traume Herzogin gewesen und der Herzog sie
liebend umfangen habe. Sie kehrt nach Hause zurück und läßt sich von
ihrem Bruder bereden, den jungen Vittorino zu heirathen, nicht aus
stürmischee Leidenschaft sondern als Schutz in den Wirren kriegerischer
Zeiten. Auf dem Wege zur Kirche tritt ihr der Herzog entgegen. Das
scheinbar Undenkbare geschieht: ihr Traum wird Wahrheit, denn der
Herzog beschließt in unbezwinglicher Leidenschaft, an diesem Vorabende
der gefahrvollen Entscheidungsschlacht, sie zur Herzogin zu machen, da sie
als seine Dirne ihm nicht folgen will. Der arme Vittorino ersticht sich.
Beatrice aber schleicht sich noch in der Nacht während des bacchantischen
Trubels der Hochzeitsfestlichkeiten fort zu Filippo, zu dem sie heiße Sehn¬
sucht zieht. Wenn sie nicht mit ihm leben kann, will sie mit ihm sterben.
Doch Filippr überzeugt sich, daß sie mit dem Tode nur so spielt, wie mit
dem Lehen, daß das Leben selbst ihr als das Höchste erscheint. Und
mit Abscheu weist er sie zum zweiten Male von sich, er selbst aber leert
den Gifibecher. Beatrice kehrt in den Palast zurück, sucht ihr Ausbleiben
durch ein ganzes Lügengewebe zu erklären, wird aber schließlich von dem
Herzog gezwungen, ihm in den Palast Filippos, in dem sie ihren Schleier,
das kostbarste Hochzeitsgeschenk des Herzogs, zurückgelassen, zu führen.
Erschültert steht der Herzog an der Leiche des großen Dichters. Aber
während er selbst Beatrice verzeiht, wird sie von dem eigenen Bruder