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Kind, im Wesen halb sinnliche Teufelin, halb hysterische
Somnambule, erzählt eines Abends in naiver Per¬
versität dem Dichter einen Traum, in dem des jungen —
Herzogs von Bologna Mund sie geküßt hat. Der
sensible Poet stößt die Gedankensünderin von sich. Nun
ist Beatrice drauf und dran, die ihr vom wackeren Bruder
empfohlene Versorgung, einen braven Brackenburg,
zu nehmen. Schon will sie mit ihm zur Kirche, als
der Herzog zufällig des Weges kommt. Unter seinem
Blick steht Beatrice gebannt, wie Käthchen vor Wetter
vom Strahl, und erst als der herzogliche Bonvivant
sie auf's Schloß ladet, wacht Beatrice wieder auf und
sagt schlicht und dreist: „Ich möchte schon, aber nicht
als Dirne, sondern als Herzogin“. Der Herzog ist!
auch damit einverstanden und statt mit ihrem
Brackenburg, geht Beatrice mit ihrem Souverain;
zur Kirche, wahrend sich der Verschmähte hinter der
Scene erdolcht.
Kaum ist Beatrice kirchlich getraut, als sie den
sonderbaren Einfall hat, zwischen Ceremonie und
Hochzeitsmahl ihrem früheren Anbeter Loschi
eine Visite abzustatten. Sie trifft den Geliebten nach
einer Orgie in mißmuthiger Stimmung. Nach einem
kurzen, wilden Liebesdno mit Beatrice vergiftet sich
Loschi aus Ekel vor sich und der gefürsteten Un¬
getreuen. Schreiend entläuft Beatrice und verliert
ihren kostbaren Schleier, des Herzogs Hochzeitsgabe.
Der Fürst und die Seinen feiern derweil die Hochzeit
ohne die Brant. Politische Actionen: Ver¬
theidigungsmaßregeln gegen die päpstlichen Truppen
des verruchten Borgia, Folterung eines Spions,
dem
ein Auge ausgestochen wird, „würzen“
den Gästen das Fest, bis
Beatrice zurück¬
kehrt und vom Herzog ins Gebet genommen
wird. Erst durch Androhung der Todesstrafe läßt
sie sich bewegen, den Gemahl dorthin zu führen, we
sie den Schleier verloren hat. In düsterer Nacht er¬
scheinen Beide an Loschi's von einem Vorhang ver¬
deckter Leiche. Beatrice nimmt den Schleier und will
den Gatten rasch entfernen. Der aber zwingt sie, mit ihm
den Morgen abzuwarten und entdeckt dann den Leich¬
nam des von ihm hochverehrten Dichters. Der Herzog
vertieft sich in die Züge des Todten. Unterdessen
bringt der tugendheldische Bruder Beatricen's die
Lösung, indem er die Schwester, die dreifache Ver¬
rätherin, ersticht.
Diese blutrünstigen Vorgänge hat Schnitzler in den
Purpurmantel einer blühend schönen Sprache (Vers
und Prosa) gehüllt, mit glänzenden Episoden, wuchtigen
Charakteren und starken theatralischen Effecten aus¬
gestattet, die durchaus nicht in den Dolch= und Gift¬
Momenten gipfeln. Dabei sei betont, daß das in
Riesenmaßen angelegte Werk für die hiesige Auf¬
führung zugestutzt und stark gekürzt werden mußte, so
daß nicht alle Absichten Schnitzlers klar zu Tage traten.
Als Dr. Schlenther in seinem durch Schnitzlers
Veröffentlichung bekannt gewordenen Briefe schrieb,
das Stück könne nur am Burgtheater gespielt werden,
hatte er wahrscheinlich Recht, sicherlich aber durfte der
„Schleier der Beatrice“ nicht zuerst am Breslauer
Lobetheater gespielt werden, dessen Personal in diesem
Winter an künstlerischen Individualitäten, ja an
guten Sprechern arm
Herr Regisseur
Runge, der auf den Proben vom Autor unterstützt
wurde, erwarb sich das Verdienst, trotz ungenügender
scenischer Mittel und zumeist ungenügender Darsteller:
ein äußerlich abgerundetes Zusammenspiel geschaffen
zu haben, aber die Dichtung kam doch arg zu Schaden.
Den beiden letzten Acten folgte trotz des Erscheinens
Schnitzler's auf der Bühne heftige Opposition.
Zwei der männlichen Hauptrollen, Loschi und der
Herzog, waren bei den Herren Lettinger und
Jessen, eindrucksvollen Persönlichkeiten und sicher
gestaltenden Künstlern, in guten Händen. Aber un¬
zählige andere Aufgaben wurden in Grund und Boden
gespielt. In einzelnen Momenten gab es unfreiwillig
komische Episoden, so wenn eine rundliche Dienst¬
mädchen=Darstellerin mit spitzem, berlinischen Dialect
als florentinische Renaissance=Schönheit Schnitzler'sche!
Verse sprach. Dazu kam ein unentwirrbares Chaos
in der Costumirung. Vom Tannhäuser=Gewande und
Gretchen = Kleide bis zum Wallenstein=Koller
waren alle mittelalterlichen Trachten in buntestem
Gemisch vertreten. Das Schlimmste aber war, daß
die an den verantwortungsvollsten Posten gestellte
Dame, die Darstellerin der Beatrice, sich weder als
Persönlichkeit, noch als Schauspielerin den allerdings
gewaltigen Ansprüchen der Rolle gewachsen zeigte.
Kurz, diese Breslauer Première kann unmöglich als
Prüfstein für Werth und Lebenskraft des Werkes
gelten. Die wirkliche Première des „Schleiers der
Beatrice wird an einer anderen Bühne stattfinden
müssen.
F.
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Ausschnitt aus:
Melle Bresisurner
MSE- Zsttung
Menntenin
vom 7 00.
Ueber die Erstaufführung von Schnitzler 's „Der Schleier
der Beatrice“ wird uns vorläufig noch eine ergänzende Mit¬
theilung gegeben: Das Stück übte eine tiefe Wirkung. Als
die seltsame Beatrice, die zuerst die Geliebte eines Dichters
dann die Braut eines Jünglings und in derselben Nacht
noch die Gemahlin des stolzen Herzogs von Bologna ist,
auch diesen betrügt, iuch einen vergessenen Schleier ver¬
rathen wird und mit dem##n büßen muß, hatte Fräulein
Konrad einen schlichten aus herzlichen Ton, ohne freilich das
Wesen dieser aus Unschuld und Begierde bethörend ver¬
mischten und grauenhaft lockenden Gestalt zu treffen. Auch
der Regie nicht, die Stimmung unheimlicher
gelang es
Angst in der schon rings von Cesare Borgia umstellten Stadt iclusive
Für
und nervöser Wollust am Hofe zu trefsen. Trotzdem bezwang Porto.
das merkwürdige Werk, wohl Schnitzler's reifste und reichste ahlbar
Dichtung, mit von Akt zu Akt wachsender Gewalt. Schnitzler Voraus.
wurde stürmisch gerufen und mußte vom dritten Akt ab

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