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14: Der Schleier der Reatrige
Telefon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERVER“
Nr. 99
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachricht
Wien, IX Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelé“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockho
Ausschnitt aus:
Bühne und Weit, Berhin
vom- (T. 6
Breslau. Arthur Schnitzlers neuestes
Drama „Der Schleier der Beatrice“ das
dem Dichter den vielbesprochenen Konflikt mit
dem Burgtheater=Direktor Dr. Schlenther eintrug,
erlebte am 1. Dezember am hiesigen Lobe¬
theater seine Erstaufführung. Das fünfaktige
Drama ist ein farbenglühendes Gemälde aus
den blutigen Dpnasten=Kämpfen der italienischen
Renaissance, in dessen Dordergrunde die Liebes¬
abenteuer der schönen Bürgerstochter Beatrice
mit Bolognas großem Dichter Loschi und Bo¬
lognas edlem Fürsten Bentivoglio stehen.
Schnitzler, der früher im Kleinen Große, strebt
Für 50 Zeitun
inclusive
diesmal den höchsten Zielen der Bühnenkunst
100
Porto.
entgegen, und es ist kein Zweifel, daß ihm ein
200
Zahlbar
gewaltiger Wurf geglückt ist. Gegen die Be¬
500
handlung der politischen Ereignisse, gegen die ] im Voraus.
„ 1000
wilde Gewaltsamkeit der seelischen Dorgänge
Im Gege
ließen sich wohl manche Einwände formulieren, lmitte ist das
Abonnement dur
aber scenische Bilder von berauschender Schön= 1 stcht es den
Abonnenten frei
heit, Charaktere von bizarrer Kühnheit, Kraft ndern.
und Glanz der Sprache heben das Werk über
Der „0Bs die Erscheinungen des Tages weit empor.
enthaltend die
Inhaltsangabe Leider erwies sich die Darstellung, von den
er Morgen¬
blütter (Tag Herren Jessen (Herzog), Lettinger (Dichter
jener Zeitung“)
wolurch eine Uel Loschi) und den Vertretern einiger Nebenrollen
haftliche Leben
des In- und Ar abgesehen, gegenüber den gewaltigen Anforde¬
Mittheilungen
rungen Schnitzlers so unzureichend, daß ein
werden in Wien
voller Erfolg trotz der Auwesenheit des Dichters,
nicht zu stande kam. Der „Schleier der Bea¬
trice“ wird seine wirkliche Premiere anderwärts
erleben müssen.
box 20/2
17 „

1 Breslau, 4. December. Arthur Schnitzler, der
Dichter des „Anatol“ und der „Liebelei“, hat im
hiesigen Lobetheater sein Werk „Der Schleier
der Berenice“ aufführen lassen. Die Heldin
ist ein Geschöpf der glänzenden Renaissancezeit, die
Handlung arbeitet mit Gist und Dolch, mit Wahn¬
sinn und Folter. Filippo Loschi, der von den Frauen
Bolognas verhätschelte Dichter, ist der gräflichen Braut
untreu geworden, um der süßen Minne mit dem
schönsten Bürgerkinde der Stadt, mit Beatrice
Nardi, zu pflegen. Dieses seltsame Geschöpf, an
Jahren ein Kind, im Wesen halb sinnltche Teuselin,
halb hysterische Somnambule, erzählt eines Abends
dem Dichter einen Traum, in dem des jungen Her¬
zogs von Bologna Mund sie gelüßt hat. Der Poet
stößt die Gedankensünderin von sich. Nun ist Beatrice
drauf und drau, die ihr vom wackeren Bruder
inclusive
X Für 50 7
empfohlene Versorgung, einen braven Mann vom
100
Porte.
Schlage Brackenburgs zu nehmen. Schon will sie
200
S
Zahlbar
mit ihm zur Kirche, als der Herzog zufällig des
500
Weges kommt. Unter seinem Blick steht Beatrice ge=□] im Voraus.
„ 1000
bannt, wie Käthchen vor Wetter vom Strahl. Erst
schnitte ist das
Im
als der Herzog sie aufs Schloß ladet, wacht Beatrice
ich stcht es den
Abonnement aus ihrer Verzücktheit wieder auf und sagt schlicht
ändern.
Abonnenten
und Freist: „Ich möchte schon, aber nur als
Herzogin.“ Der Herzog ist auch damit einver¬
standen, und Beatrice läßt ihren Bräutigam stehen g enthaltend die
Der
und geht mit dem Herzog zur Kirche, während 1er Morgen¬
Inhaltsang
sich der Verschmähte hinter der Scene er= „Wiener Zeitung“)
blätter
kolcht. Kaum ist Beatrice lirchlich getraut, ischaftliche Leben
wodurch eir
als sie den Einfall hat, zwischen Ceremonie und ese Mittheilungen
des In- un
Hochzeitsmahl ihrem früheren Anbeter Loschi eine
werden in
Visite abzustatten. Sie trifft ihn nach einer Orgie
in mißmuthiger Stimmung. Nach einem lurzen
wilden Lievesduo mit Beatrice vergiftet er sich aus
Eket vor sich und der gefürsteten Ungetreuen.
Schreiend läuft Beatrice davon und verliert ihren
kostbaren Schleier, des Herzogs Hochzeitsgabe. Der
Fürst und die Seinen; feiern inzwischen die Hochzeit
ohne die Braut. Politische Angelegenheiten, Ver¬
theidigungsmaßregeln gegen die päpstlichen Truppen!
des verruchten Borgia, Folierung eines Spions, dem
ein Auge ausgestochen wird, vertreiben den Gästen
die Zeit, bis Beatrice zurückkehrt und vom Herzog
ins Gebet genommen wird. Erst durch Androhung
der Todesstraße läßt sie sich bewegen, den Gemahl
dorthin zu führen, wo sie den Schleier verloren hat.
In düsterer Nacht erscheinen Belde an Loschis von
einem Vorhang verdeckter Leiche. Beatrice nimmt
den Schleier und will den Gatten rasch entfeinen.s
Der aber zwingt sie, mit ihm den Morgen abzu¬
warten, und entdeckt dann den Leichnam des von ihm
hochverehrten Dichters. Der Herzog vertieft sich in
die Züge des Todten. Unterdessen bringt der tugend¬
hafte Bruder Veatrices die Lösung, indem er die
Schwester, die dreisache Verrätherin, ersticht. Diese
blutrünstigen Vorgänge hat Schnitzler in eine blühend.
schöne Sprache (Vers und Prosa) gehüllt und mit
glänzenden Episoden, wuchtigen Charalteren und
starken theatralischen Effecten ausgestattet, die durch¬
aus nicht in den Dolch= und Giftmomenten gipfeln.
Die Aufführung war dem „B. B.=C.“ zufolge nicht
eine solche, die der Bedeutung des Werks gerecht
wurde. Am wenigsten war die Darstellerin der
Beatrice ihrer großen Aufgabe gewachsen, während
die Vertreter der Rollen des Loschi und des Herzogs
befriedigten. Um ein endgültiges Urtheil über das
neue Werk Schnitzlers abgeben zu lönnen, muß man
dessen unverkürzte, würdige Aufführung an einer
großen Bühne abwarten.