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14: Der Schleier der Beatrice
Denee Fachnekn¬
A WU.
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Der bedeutendste der Wiener Autoren ist heute wohl
Arthur Schnitzler. Er hat längst die schalkhaft tändelnde
Weise seinerersten künstlerischen Jugend aufgegeben und
mit dem „Vermächtniß“ vor allem aber jetzt mit dem
„Schleier der Beatrice“ den Flug zur großen Kunst
unternommen. Was technisches Geschick, die lichten
Reize seiner Sprache und manche psychologische Feinbeit
betrifft, so hat sich Arthur Schnitzler auch in diesem
Werke, das in den wildbewegten Tagen der Renaissance
vorgeht, wieder als ein starker Könner bewiesen. Nur
sind seine Renaissanceherrennaturen eigentlich Wiener,
nur ist ihr Kraftüberschäumen moderner Galgenhumor.
Auch zeigt das Drama, das als Ganzes durchaus die
große technische Klugheit des Autors beweist, nicht genug
die blutwarme überquellende Fülle des Lebens welche
gerade jene Zeit bedarf. Ferner scheint uns, als ob sich
die Renaissance überhaupt nicht zum Drama eigne. Sie
besitzt zu eiserne, aus einem Gusse geschaffene Charaktere,
die nicht, wie es im Drama noth ist, von innen zur
Entwickelung gelangen, sondern die nur äußerlich viele
und wilde Schicksale erleben. Erschienen ist das dennoch
bedeutsame Werk bei S. Fischer, Berlin.
Wir haben im Vorstehenden die neuesten Aeuße¬
rungen der auswärtigen Jugend betrachtet. Zweck eines
zweiten Aufsatzes wird es sein, die neuesten lyrischen,
dramatischen und Prosaschöpfungen unserer eigenen
Jugend zu betrachten, die bei einigen jungen Talenten
voll guter Bedeutung und noch voll besserer Ver¬
heißung sind.